Von Thomas Schade
Dresden. Als die Dresdner Polizei am 18. August 2015 auf einer Pressekonferenz informierte, wie die Anneli Riße entführt und ermordet worden war, da war Kriminaloberkommissar Kurt H. von der Heilbronner Polizei mit dem Auto in Oberfranken unterwegs und hörte Radio. Er suchte einen Erpresser.
Bei den Details sei er aufmerksam geworden, sagte der 53-Jährige am Donnerstag im Dresdner Landgericht. In Sachsen wollten Erpresser 1,2 Millionen Euro Lösegeld. Es sollte auf ein Offshore-Konto in Malta fließen. Einer der Täter sei dem Dialekt nach Schwabe. All das kannte er.
Am 28. Juli, etwa zwei Wochen vor Annelis Verschwinden, erfuhr die Heilbronner Polizei, dass ein Unbekannter versuchte, Lidl und Kaufland zu erpressen. Auch der Konzern sollte ein Offshore-Konto in Malta einrichten und 1,2 Millionen Euro überweisen. Der Anrufer drohte, er habe in mehreren Filialen „Produkte präpariert und platziert“. Die Auswertung aller Anrufe bei Lidl zur fraglichen Zeit, so der Zeuge, hatte ergeben, dass der Erpresser vom öffentlichen Telefon an der Raststätte Vogtland Nord an der A 72 angerufen hatte.
Am 31. Juli rief der Erpresser, der sich Meier nannte, erneut an. Diesmal nahm eine Polizistin das Gespräch an und fragte den Unbekannten geschickt aus. Das aufgezeichnete Gespräch hat einigen Unterhaltungswert und wurde im Gerichtssaal abgespielt. „Der Herr Meier hier ...“, eröffnete der Erpresser das Gespräch. Er habe ja schon am Montag angerufen, und man nehme ihn offenbar nicht ernst. Tatsächlich hatte er erst am Dienstag angerufen. Das ließ die Beamtin am Telefon durchgehen. Meier setzte eine Frist und drohte, wenn man die nicht einhalte, „werde ich mal eine Ätherbombe zünden“. Nun fragte die Beamtin, was das denn sei. „Ein hochexplosiver Sprengstoff“, antwortete der Erpresser, kannte aber keine Details und forderte erneut die Einrichtung des Kontos. Mit einer Anzeige in der Stuttgarter Zeitung sollten ihm Kontonummer und Bankleitzahl mitgeteilt werden – unter der Zeile „Für Onkel Meier alles Gute ...“ Das Gespräch glitt ins Komische ab, als die Beamtin fragte, ob sie Meier mit „i“ oder „y“ schreiben solle. Und als sie dem Erpresser mitteilte, dass „Offshore ja fast etwas Illegales“ sei und Lidl so etwas nicht mache, legte Meier offenbar entnervt auf.
Das Unternehmen habe eine gewisse Routine im Umgang mit Erpressern, so der Zeuge, Experten hatten den Anrufer als Laien eingestuft. Als er nicht mehr anrief, annoncierte die Polizei dennoch: „Lieber Onkel Meier, bitte melde Dich“.
Nach der Pressekonferenz in Dresden nahm die Heilbronner Polizei sofort Kontakt zu den Kollegen in Sachsen auf. Anrufmitschnitte des Mordfalls Anneli und der Lidl-Erpressung wurden einem Spezialisten ins Bundeskriminalamt geschickt. Der habe schon nach Stunden signalisiert, so der Zeuge, dass in beiden Fällen ein und dieselbe Person angerufen hatte. Wie sich herausstellte, Markus B.
Über den Hauptbeschuldigten im Prozess, der beharrlich schweigt, wurden am Donnerstag zumindest einige Details aus seiner Jugend bekannt. Sie stammen von seiner Stiefschwester. Markus B. sei als jüngstes von sechs Geschwistern das Nesthäkchen gewesen, die Mutter habe ihn „Goldlöckchen“ genannt und viel durchgehen lassen. Er habe Grund- und Hauptschule besucht. Als er 15 war, hatte die Zeugin den Kontakt abgebrochen, weil der Junge angeblich eine Neunjährige unzüchtig berührt hatte. Nicht mal dazu wollte er etwas sagen. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.