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Der erste Rektor

Der Maler Hans Grundig ist sich treu geblieben. Er stand am Anfang der Kunsthochschule nach dem Krieg.

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© bpk / Nationalgalerie, SMB / Kla

Von Ralf Hübner

Das Triptychon „Das Tausendjährige Reich“ ist das wohl bekannteste Werk des Dresdner Malers Hans Grundig. In den Jahren 1935 bis 1938 entstanden, schildert es in gespenstischen Szenen das Geschehen in Nazi-Deutschland und nimmt dessen Untergang sowie den Untergang der Stadt vorweg. Der Faschismus kommt grell als Karnevalsumzug, ein Harlekin auf einem Dach beschwört eine Zwiebel. Die Mitteltafel zeigt eine Stadt im Feuersturm, einen Höllenkrater, Bomber am glutroten Himmel. Das Werk ist in der Gemäldegalerie „Neue Meister“ zu sehen. Grundig war von 1947 bis 1948 der erste Rektor der Hochschule für Bildende Künste in Dresden nach dem Krieg. Vor 60 Jahren ist er am 11 September 1958 gestorben.

Mit 34 Jahren hatte Grundig mit der Arbeit an dem Triptychon begonnen. Der Sohn eines Dekorationsmalers war 1901 in Dresden zur Welt gekommen und hatte zunächst das Handwerk des Vaters gelernt. Von 1920 bis 1921 studierte er Malerei, zunächst bei Max Frey an der Kunstgewerbeschule, dann bis 1927 an der Kunstakademie in Dresden unter anderen bei Otto Gußmann. Der Professor der Ornamentik und architekturbezogenen Malerei hatte unter anderem das Neue Rathaus in Dresden ausgemalt. Zu dessen bekanntesten Schülern gehörten unter anderen der Expressionist Max Pechstein von der Künstlergruppe „Die Brücke“ sowie der Maler und Grafiker Otto Dix (1891–1969).

Vor allem das sozialkritische Werk von Dix beeindruckt Grundig. Es entstehen Werke wie „Auf der Straße“ (1923) und „Mädchen mit rosa Hut“ (1925). Zunehmend werden einfache Arbeiter oder Arbeitslose seine Motive. Beim „Tausendjährigen Reich“ ist die Nähe zum Triptychon „Der Krieg“ von Dix unverkennbar.

Grundig befreundet sich mit dem politisch aktiven Dresdner Künstler Otto Griebel, wie er Mitglied der Meisterklasse Gußmanns, und tritt 1926 in die KPD ein. Im selben Jahr lernt er seine künftige Frau Lea Langner kennen, ebenfalls eine Kollegin aus der Meisterklasse. Mit den Bildern „Am Stadtrand“ (1926) und „Der Junge mit der Zuckertüte“ (1925) nimmt er an der Großen Internationalen Kunstausstellung teil.

1928 heiratet er Lea, ein Jahr später werden beide Mitglieder der Assoziation revolutionärer bildender Künstler Deutschlands, kurz Asso, einem Zusammenschluss kommunistischer Künstler. Sie engagieren sich in der KPD, stellen Grafiken, vor allem Holzschnitte, für Flugblätter her. 1934 erhält Grundig Berufsverbot. Dennoch beginnt er mit der Radierfolge „Tiere und Menschen“, bei der Tierparabeln ähnlich Parteimitglieder, Spitzel, Militärs, Mitläufer, Widerständler, Täter und Opfer zu Pferden, Wölfen, Bären, Ziegen oder Teufel und Narren werden.

Im Frühjahr 1936 wird Grundig das erste Mal verhaftet, Bilder von ihm werden als „entartet“ diffamiert. Nach weiteren Verhaftungen 1938 und 1940 wird er im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, in ein Strafbataillon der Wehrmacht abkommandiert und läuft zur Roten Armee über. Seine Frau Lea, eine Jüdin, rettet sich nach Palästina.

Im Januar 1946 kehrt Grundig in das zerstörte Dresden zurück. Viele seiner Werke waren dank seines Bruders erhalten geblieben. Er malt wieder, beginnt das Gemälde „Den Opfern des Faschismus“ und nimmt Kontakt zu Lea auf. Zusammen mit dem Kunstkritiker Will Grohmann fährt er übers Land, um Kunstwerke für die „Erste allgemeine deutsche Kunstausstellung“ 1946 in Dresden zusammenzustellen. Er wird 1947 Professor und Rektor der Dresdner Hochschule für Bildende Künste, gibt das Amt aber schon ein Jahr später wieder auf, als bei ihm Tuberkulose diagnostiziert wird.

Auch unter der DDR-Kulturpolitik bleibt Grundig die Anerkennung zunächst verwehrt. Erst 1958, dem Jahr seines Todes, erhält er eine große Ausstellung, sein Werk wird zum Symbol antifaschistischer Kunst, ihm wird der Vaterländische Verdienstorden verliehen. Nach dem Tod kommt „Das Tausendjährige Reich“ in den Besitz der Staatlichen Kunstsammlungen. 2010 war es in der neuen Ausstellung der Gemäldegalerie „Neue Meister“ zunächst nicht mehr vertreten. Grundigs Kunst hat es abermals nicht einfach. Im Bestand der „Neuen Meister“ befinden sich zwölf seiner Werke, vier davon sind in dem Museum aktuell zu sehen. In Dresden sind eine Straße sowie eine Schule nach ihm benannt.