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Der Fleischer und seine Frau

Bei Familie Meschke geht es seit 120 Jahren um die Wurst. Die ist sogar schon von Freital-Potschappel bis nach Amerika geflogen.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Linda Barthel

Freital-Potschappel. Es gibt Dinge im Leben, die nerven einfach. Ständiges Türklingeln, zum Beispiel. Das hält doch keiner zwanzigmal pro Stunde aus. Aber zum Glück ändern sich manche Dinge. Sonst wäre Ulrich Meschke womöglich schon verrückt geworden. Immerhin wohnt er seit mehr als 50 Jahren im Haus mit der aktiven Türglocke. Mittlerweile liebt er, was ihn einst zur Verzweiflung brachte. Denn die Klingel bedeutet Kunden. Als Kind war ihm das nicht so ganz klar. Heute, wo ihm die Fleischerei Meschke in Freital-Potschappel gehört, sieht das anders aus. Gemeinsam mit seiner Frau Ellen führt er das Fachgeschäft in vierter Generation. Am 17. März feiern sie das 120-jährige Bestehen ihrer Fleischerei.

Stolz stehen Karl Meschke (M.) und sein Vater Rudolf (r.) vor ihrer Fleischerei auf der Burgwartstraße.
Stolz stehen Karl Meschke (M.) und sein Vater Rudolf (r.) vor ihrer Fleischerei auf der Burgwartstraße. © Repro: Karl-Ludwig Oberthür
Ulrich Meschkes Urgroßvater mit seinen Söhnen und einem Rind, das wohl nicht mehr lange zu leben hatte.
Ulrich Meschkes Urgroßvater mit seinen Söhnen und einem Rind, das wohl nicht mehr lange zu leben hatte. © Repro: Karl-Ludwig Oberthür

Der kleine Laden auf der Burgwartstraße erinnert an vergangene Zeiten. „Früher wurde unsere Einrichtung als altmodisch bezeichnet, heute finden sie die Kunden nostalgisch und schön“, sagt Ellen Meschke. Weil ihr Schwiegervater Karl, der die Fleischerei erst vor wenigen Wochen an seinen Sohn übergeben hat, sich nicht verschulden wollte, verzichtete er stets auf eine moderne Ladeneinrichtung. Genau das macht heute den Charme aus. Besonders auf die gläserne Decke ist die Familie stolz – auch wenn sie nicht ganz mit der in Pfunds Molkerei in Dresden mithalten könne, sagt Ulrich Meschke mit einem Schmunzeln.

Sein Urgroßvater Hermann gründete die Fleischerei am 17. März 1896 an der Dresdner Straße neben dem Bahnhof Potschappel. Kurze Zeit später eröffnete er einen zweiten Laden an der Burgwartstraße. In dem Haus hatten bereits einige Fleischer ihr Glück versucht, waren aber erfolglos. Nicht so Hermann Meschke und seine Frau. Dennoch gaben sie bald die zweite Filiale am Bahnhof Potschappel auf. „Mein Urgroßvater hat sie seiner Halbschwester überlassen, die den Fleischer Hille aus der Lausitz geheiratet hatte“, sagt Ulrich Meschke. So konnten sich die Eheleute eine Existenz aufbauen. Außerdem hatte der Urgroßvater an der Dresdner Straße kaum Platz zum Schlachten. An der Burgwartstraße gab es dagegen ein Schlachthaus. In den 50er-Jahren wurde jedoch das letzte Tier von eigener Hand getötet. Heute sind in dem Gebäude die Produktionsräume.

Auf Hermann Meschke folgte sein Sohn Rudolf als Chef, auf Rudolf dessen Sohn Karl. Er übernahm das Geschäft 1968 mit seiner Frau. Sie stammt aus einer Chemnitzer Fleischerfamilie. Beide lebten, wie auch schon die Vorfahren, in den Räumen über der Fleischerei. „Wenn ich aus dem Kindergarten gekommen bin, dann stand ich oft mit meiner Mutter hinter der Ladentheke“, erinnert sich Ulrich Meschke. Je älter er wurde, desto mehr wurde der heute 51-Jährige ins Geschäft eingebunden. „Am Anfang musste ich natürlich kleine Pampelarbeiten machen, zum Beispiel mal was schneiden, reichen oder verpacken.“ In den 80er-Jahren machte der Freitaler dann seine Lehre und den Meister. „Für mich war klar, dass ich Fleischer werde. Ich hatte gar keine andere Idee.“

Söhne gehen andere Wege

Heute beschäftigt er sieben Angestellte. Die beiden Söhne haben vorerst andere Berufswege eingeschlagen. Dafür ist Ellen Meschke das Mädchen für alles, wie ihr Mann sagt. Die 49-Jährige verkauft, bereitet Salate zu oder fädelt Schaschliks. Eigentlich hat sie Krankenschwester gelernt, doch als die beiden Kinder auf der Welt waren, ging Ellen Meschke bei ihrer erfahrenen Schwiegermutter in die Lehre. Den Branchenwechsel habe sie nie bereut.

Der Arbeitstag der Familie beginnt meist vier Uhr morgens und hat zwölf Stunden. An drei Tagen in der Woche liefert ein Dresdner Großhändler frisches Fleisch. „Wir stellen fast alle Waren selbst her. Besonders beliebt sind unser Fleischsalat und die Knacker. Nur verschiedene Salamis, ein paar Produkte aus Geflügelfleisch und die Aspikware kaufen wir zu“, sagt der Meister. „Uns ist es vor allem wichtig, dass wir regional bleiben. Unser Fleisch kommt nur von sächsischen Höfen.“ In Freital gebe es nur noch drei produzierende Fleischereien, Meschkes ist eine davon. Vor vielen Jahren seien es fast 80 gewesen.

Konkurrenz gibt es heute von anderer Seite. Die Supermärkte bieten zahlreiche Fleisch- und Wurstwaren an, die viele gern in ihren Einkaufswagen legen. „Früher haben die Leute bei uns ihr Gesamtpaket für eine Woche gekauft. Heute ist es eher ein Zukauf. Die Leute wollen bei uns etwas Besonderes bekommen“, sagt Ellen Meschke. Dennoch habe die Fleischerei noch immer sehr viele Stammkunden. Einige kaufen seit mehr als 60 Jahren bei der Familie ein.

Manche lassen sich ihre geliebte Meschke-Wurst sogar bis nach Amerika schicken. Ein Ehepaar, das immer in der Fleischerei eingekauft hat, ist nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert. „Sie haben uns angerufen und gefragt, ob wir ihnen nicht ein Wurstpaket schicken können.“ Natürlich konnten die Meschkes. Der Kunde ist schließlich König. So will es die Familie auch in Zukunft halten. Deshalb wird immer mal wieder ein neues Produkt, wie zum Beispiel der Rindfleisch-Nuss-Knacker, ins Angebot aufgenommen. Schließlich kann man nicht über ein Jahrhundert hinweg dasselbe verkaufen. „Wir möchten uns bei allen Kunden für ihr Vertrauen bedanken“, sagt Ulrich Meschke. „Und natürlich auch bei allen heutigen und früheren Mitarbeitern.“ Auch da sind in den letzten 120 Jahren einige zusammengekommen.