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Der Flieger und sein Erbe

Zum Gedenken an Max Immelmann ist sein Großneffe in Dresden zu Gast. Für ihn ist der Name Ehre und Last zugleich.

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© Quelle: Sammlung Holger Naumann

Von Jana Mundus

Das Flugzeug reckt die Nase nach oben und steigt steil in den Himmel hinauf. Plötzlich kippt es hinten über und fliegt auf dem Rücken weiter. Der Pilot dirigiert am Steuer eine seitliche halbe Rolle, dann fliegt das Flugzeug wieder in gewohnter Bahn. Für das Erbe seines Großonkels musste Thomas Immelmann in manchen Situationen seines Lebens vor allem eines haben – einen guten Magen. Sein Vorfahre Max Immelmann kreierte die Kunstflugfigur, die heute Immelmann-Kurve genannt wird. Mancher Pilot wollte deshalb gern mit seinem Nachfahren an Bord genau dieses Manöver fliegen. „Ich habe diese Wünsche immer erfüllt“, sagt der Nachkomme. Doch die Kunst, dieser Spaß ist nur eine Seite der Lebensgeschichte des Großonkels. Im Ersten Weltkrieg war der Dresdner Max Immelmann ein berühmter Jagdflieger. Als er am 18. Juni 1916 in Flandern bei einem Kampfeinsatz stirbt, ist er erst 25 Jahre alt. An diesem Sonnabend wird auf dem Tolkewitzer Urnenhain an ihn erinnert. Thomas Immelmann ist dabei.

Der Dresdner Bildhauer Peter Poppelmann schuf 1928 die Plastik zu Ehren Immelmanns, die an seinem Grab aufgestellt wurde. Zwölf Jahre zuvor hatten sich die Dresdner bei einem Heldenbegräbnis von ihm verabschiedet.
Der Dresdner Bildhauer Peter Poppelmann schuf 1928 die Plastik zu Ehren Immelmanns, die an seinem Grab aufgestellt wurde. Zwölf Jahre zuvor hatten sich die Dresdner bei einem Heldenbegräbnis von ihm verabschiedet. © Gunter Hübner
Max Immelmann bekam gleich mehrere Orden verliehen.
Max Immelmann bekam gleich mehrere Orden verliehen. © Wikipedia

Die Fliegerei hat die Familie nie losgelassen. „Es gibt ein Sprichwort: Wer einmal Kerosin geschnuppert hat, kommt nicht mehr davon los“, sagt der Hamburger. Auf seine Familie würde das auf jeden Fall zutreffen. Auch wenn sich die wenigsten selbst in ein Cockpit setzen, haben doch viele Verwandte beruflich im Flugwesen gearbeitet. Auch Thomas Immelmann. Heute in der Immobilienbranche tätig, war er 20 Jahre lang für Fluggesellschaften und als Leiter des Center Management am Hamburger Flughafen tätig. In Bremen ist er sogar Dozent für Luftfahrt-Management. „Das kam aber alles eher zufällig. Darauf angelegt habe ich es nicht.“

Keine Worte für den Tod

Max Immelmann, er war schon immer großes Thema in der Familie. „Als Kind hat mich natürlich das Thema Fliegen in seinem Lebenslauf am meisten interessiert“, sagt Immelmann. Im Jahr 1914 meldete sich der Onkel freiwillig zur Ausbildung als Militärflieger. Binnen weniger Monate wurde er zum Kampfflieger geschult und danach an der Westfront eingesetzt. In der Luft war er erfolgreich. Mehrere gegnerische Flugzeuge schoss er vom Himmel. In Deutschland wurde er schnell zum „Adler von Lille“. Er hatte viele Anhänger, schrieb sogar Autogramme. „Als mir als Jugendlicher klar wurde, dass mein Großonkel Menschen getötet hat, war das für mich noch einmal eine ganz andere Sichtweise auf seine Geschichte“, formuliert es der Großneffe heute.

Für ihn ist der Name Immelmann eine Art Verpflichtung, sich mit den Taten des Vorfahren und dem Ersten Weltkrieg allgemein auseinanderzusetzen. „In seinen Briefen ist mir immer wieder aufgefallen, dass er nie darüber schreibt, wenn Menschen getötet wurden.“ Vielmehr würde er davon erzählen, wie er feindliche Flugzeuge vom Himmel geholt und die Piloten danach verhaftet hat. „Ich denke, gerade dieses Schweigen macht deutlich, welche Einstellung er zum Krieg und zum Töten hatte.“

Die schlimmsten Seiten des Namens

In anderen Fällen wird der Nachname aber auch zur Last. Dann nämlich, wenn Thomas Immelmann auf die Gräueltaten des gleichnamigen Schlachtgeschwaders blickt, dem im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront viele Menschen zum Opfer fielen. „Meines Wissens war es auch an der Bombardierung Warschaus beteiligt.“ Er sei oft in Polen. „Wenn ich durch Warschau gehe, wo heute noch Spuren des Krieges zu sehen sind, weiß ich, dass dieses Leid auch mit unserem Namen verbunden ist.“

Zum 100. Todestag von Max Immelmann ist er am Sonnabend um 10 Uhr bei den Gedenkfeierlichkeiten auf dem Tolkewitzer Urnenhain dabei. Auch auf Einladung des Taktischen Luftwaffengeschwaders 51 „Immelmann“ der Bundeswehr. Denn der Name ist heute in Militärkreisen wieder aktuell. Schon vor zehn Jahren folgte er dessen Einladung zu einer Feierlichkeit für seinen Großonkel. „Es bleibt einfach wichtig, immer daran zu erinnern, welche schrecklichen Ereignisse vor 100 Jahren passierten.“ Das will er auch den Menschen mit auf den Weg geben, auf die er an diesem Wochenende am Grab Max Immelmanns in Dresden trifft.