Kamenz
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Der grüne Schatz vom Reinhardsberg

Familie Tschentscher bewirtschaftet einen seltenen Waldgarten in Kamenz. Gartenliebhaber geraten hier ins Staunen.

Von Ina Förster
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Das Herz von Familie Tschentscher brennt für ein grünes und blühendes Kamenz. Deshalb engagieren sie sich auch in der Initiativgruppe „Laga 2025“. Selbst wenn die Pläne aktuell stagnieren – die Beiden werden im Waldgarten sicher noch einige Mitstreiter be
Das Herz von Familie Tschentscher brennt für ein grünes und blühendes Kamenz. Deshalb engagieren sie sich auch in der Initiativgruppe „Laga 2025“. Selbst wenn die Pläne aktuell stagnieren – die Beiden werden im Waldgarten sicher noch einige Mitstreiter be © Matthias Schumann

Kamenz. Hinter diesem Tor wartet das Glück. Grün kommt es daher und jetzt im Herbst farbenfroh in verschiedensten Rot- und Violetttönen. Sieglinde und Günter Tschentscher schließen die Tür an diesem Vormittag für die Presse auf. Ein seltenes Vergnügen. Denn die 3 800 Quadratmeter auf dem Kamenzer Reinhardsberg sind eher der Familie und guten Freunden vorbehalten. Seit 2014 hat das Ehepaar den Waldgarten von einer Kamenzer Familie, deren Nachkommen in Österreich leben, zur Nutzung. Hier kann es nach Herzenslust gärtnern. Der große Kastanienbaum hat seine Früchte bei den Stürmen der letzten Tage massenhaft abgeworfen. Aber der Regen tut gut. Vom letzten dürren Jahr 2018 haben sich einige der Bäume immer noch nicht erholt. Drei Birken und uralte Rhododendronbüsche haben es nicht geschafft, der Dürre zu trotzen. Alt sind die meisten ohnehin – nicht wenige um die 80 Jahre. Buchen, Tannen, riesige Koniferen. Dazwischen Rosengehölze, eine stattliche Magnolie, Sträucher und Gräser. Alles verfolgt einen geheimen Plan und doch irgendwie nicht. Der Waldgarten gleicht einem verwunschenen Ort, der an jeder Wegbiegung neue Überraschungen bereit hält. Die Anlagen des Landschaftsarchitekten und Königlich-Sächsischen Hoflieferanten Wilhelm Weiße waren um 1940 Vorbild für die Gestaltung des Gartens. Der Besitzer dieses Refugiums, der Tuchfabrikant Georg Arnold, kaufte ein Gros der Pflanzen noch in der gleichnamigen Baumschule. Gerhard Gelbke, Dresdner Künstler und Freund der Familie, weilte oft in diesem Garten, wo Schwertlilien und Rhododendren ihn zu Aquarellen inspirierten.

Natürlich ist es zusätzliche Arbeit, aber sie spornt an, dem Geheimnis des Gartens auf die Spur zu kommen.
Natürlich ist es zusätzliche Arbeit, aber sie spornt an, dem Geheimnis des Gartens auf die Spur zu kommen. © Matthias Schumann

Beeindruckend steht man heute zwischen den mittlerweile riesigen Gehölzen, und fühlt sich in eine andere Zeit versetzt. Ähnlich wie im Volkspark oder heutigen Weiße-Garten. Sieglinde und Günter Tschentscher stießen eher zufällig bei einem Spaziergang auf das bezaubernde Gartenreich. Wenig später lernten sie durch einen weiteren Zufall die Besitzer desselben kennen. Der bisherige Pächter konnte das riesige Gelände aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr weiterbewirtschaften. Familie Tschentscher war also zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, was sie bis heute als Glücksfall sehen. Denn sie wissen um den grünen Schatz, der sich seit fünf Jahren in ihrer Obhut befindet. Das Paar hat immer gegärtnert. Auch damals, als man noch in Hoyerswerda in einer Mietwohnung lebte. Ein bisschen zur Selbstversorgung. Ein bisschen zur Erholung. Aber auch schon immer ganz viel für die Seele. Seitdem sie in der Lessingstadt wohnen, ist der grüne Glücksfaden nicht abgerissen. Im Wohnhaus an der Wallstraße haben sie sich zuerst ein herrliches Biotop geschaffen, das seinesgleichen sucht (SZ vom 3. Mai). Nun komplettiert der Waldgarten ihren besonderen Blick auf die Natur.

Beim Schlendern stößt man auf eine Steinskulptur. „Streit um die Spindel“ nannte sie Künstler Paul Bolte.
Beim Schlendern stößt man auf eine Steinskulptur. „Streit um die Spindel“ nannte sie Künstler Paul Bolte. © Matthias Schumann

„Natürlich ist das zusätzliche Arbeit, aber sie entspannt und spornt gleichzeitig an, dem Geheimnis des Gartens auf die Spur zu kommen“, so Sieglinde Tschentscher. Die Ruhe auf dem sagenumwobenen Reinhardsberg, das besondere Flair der sich windenden Wege und der terrassenförmige Aufbau der Anlage, sind Belohnung genug. Dazu kommt ein Blick auf die Stadt-Silhouette, der seinesgleichen sucht. Wenn man hier steht und auf den Turm von St. Marien und den Rathausturm gleichzeitig schaut, kehrt innerer Frieden ein. „Wir schätzen den Waldgarten auch wegen seiner Großzügigkeit. Hier können unsere Enkel herumtollen, haben wir schon so manches Grillfest mit der Familie oder Freunden gefeiert. Hier bauen wir Gemüse, Kartoffeln und Obst an, wofür im Garten daheim kein Platz ist. Hier erleben die Enkel eine reiche Tierwelt – vom Grün- oder Schwarzspecht, Eichhörnchen, Eidechsen, Ringelnattern bis hin zu zahlreichen Singvögeln. Ab und zu schaut schon mal ein Füchslein vorbei oder lugt Damwild durch den Zaun. „Und am Totholz bilden sich Ameisenvölker“, erzählen Tschentschers mit Begeisterung. Auch von fantastischen Bauwerken der Hornissen. Vor Kurzem haben sie eine weitere sogenannte „Benjeshecke“ errichtet, Ausdruck ihrer Liebe zum natürlichen Gärtnern. Beim Schlendern stößt man auf eine Steinskulptur. „Streit um die Spindel“ hat sie Paul Bolte, einer der Bildhauer des Dresdner Zwingers einst genannt. Neben diesem Kunstwerk, das auch auf die Gartenpläne von Georg Arnold verweist, wird an der ein oder anderen Stelle die Natur zum Selbigen.

Der Waldgarten gleicht einem verwunschenen Ort, der an jeder Wegbiegung neue Überraschungen bereit hält.
Der Waldgarten gleicht einem verwunschenen Ort, der an jeder Wegbiegung neue Überraschungen bereit hält. © Matthias Schumann

Das Herz von Familie Tschentscher brennt für ein grünes und blühendes Kamenz. Deshalb engagieren sie sich übrigens auch in der Initiativgruppe „Laga 2025“. Auch wenn die Pläne aktuell stagnieren – die Beiden werden im verborgenen Waldgarten sicher noch einige Mitstreiter begrüßen und mit ihnen darüber diskutieren. Einen besseren Ort gibt es nicht. „Das ist ein Stück Kamenzer Erde, an dem man – ebenso wie am angrenzenden Ringwall – Stadtgeschichte nacherleben und gleichzeitig in die Zukunft der Stadt schauen kann! Die Ausrichtung der Lage ist auch diesbezüglich eine Chance!“