Merken

Der Herr der tausend Teile

Monatelang arbeitet ein Riesaer an einem Bausatz. Doch dafür gehören seine Modelle zu den Besten in Europa.

Teilen
Folgen
© Sebastian Schultz

Von Luca Sing

Riesa. Weniger als einen halben Millimeter Durchmesser hat der Bohrer, mit dem Ingo Hempel ein Loch in das Plasteteil eines Modells bohrt. „Es sind die Details, die aus einem Modell ein gutes Modell machen“, sagt der 35-Jährige, als er den Handbohrer weglegt. Details gibt es an seinen Modellen zuhauf: Nahezu jedes Bauteil eines echten Motorrads findet sich auch an seinen Miniaturen. Besonders eindrucksvoll ist dabei die Kette. Etwa 300 Einzelteile müssen allein dafür verbaut werden – vergleichbare Teilegrößen findet man sonst nur beim Uhrmacher. Davon ist Hempel jedoch in seinem beruflichen Leben weit entfernt. Er arbeitet in einer Seniorenpflegeeinrichtung in Großenhain.

Hempel baut inzwischen fast nur noch Motorräder und Autos.
Hempel baut inzwischen fast nur noch Motorräder und Autos. © Sebastian Schultz
Viele winzige Bauteile lassen sich nur mit der Pinzette anbringen.
Viele winzige Bauteile lassen sich nur mit der Pinzette anbringen. © Sebastian Schultz

Sein erstes Modell baute der Riesaer im Alter von elf Jahren. Die Familie war im Urlaub an der Müritz, wo sich sein Vater einen Bausatz kaufte. „Ich wollte unbedingt auch ein Modell haben“, sagt Hempel mit leuchtenden Augen. „Es war ein Flugzeug.“ Dass man bei über 150 Modellen, die man bisher gebaut hat, den Überblick verlieren kann, ist leicht nachzuvollziehen. Mittlerweile baut Hempel fast nur noch Motorräder und Autos. Dafür habe er schon immer eine Vorliebe gehabt. „Als Michael Schumacher 1994 und 1995 Weltmeister wurde, habe ich das mit verfolgt. Da wollte ich dann auch seine Autos bauen.“ Von seinen „Frühwerken“ hat er allerdings keine mehr. „Der Platz, den ich in meinen Vitrinen habe, ist begrenzt.“

Profis in der Modellbauszene

Von Zeit zu Zeit verkauft er auch ein Modell aus seiner Sammlung. Allerdings gibt es nicht viele Menschen, die den Aufwand wertschätzen – von den Kosten für den Bausatz und den benötigten Gerätschaften ganz zu schweigen. „Der Preis für ein Bausatz liegt bei etwa 35 Euro. Zusätzlich kann man noch etwa das Vierfache des Preises für Zurüstteile berechnen.“ Damit sind in der Regel feine Metallteile gemeint, die aus dünnem Blech herausgeätzt werden. Viele Details können in Plastik, woraus der Bausatz normalerweise besteht, nicht realisiert werden. „Die Verwendung dieser Extrateile unterscheidet den Profi vom Laien“, sagt Hempel. Dass er schon längst zu den Profis in der Modellbauszene gehört, beweist die Anzahl seiner Pokale und Auszeichnungen – teilweise tragen sie ungarische Aufschiften. Denn jedes Jahr fährt der Modellbauer mit einigen Kollegen aus Riesa und Dresden ins ungarische Mosonmagyaróvár zur sogenannten Mosonshow.

Dort treffen sich Modellbauer aus 35 Ländern. Der Hauptbestandteil der Veranstaltung ist der Wettbewerb, in dem vom Formel-1-Rennwagen bis zum Segelschiff alles zu sehen ist und bewertet wird. „Letztes Jahr waren 1 823 Modelle im Wettbewerb. Da fällt die Bewertung schon recht hart aus“, so der Modellbauer. Dennoch waren die Riesaer mit dem Ergebnis zufrieden: Zwei Bronzemedaillen in der Meisterklasse sowie einmal Bronze und einmal Gold in der Hobbyklasse.

Die diesjährige Mosonshow steht im April an. Die Vorbereitungen laufen bereits. Jeder aus dem Riesaer Modellbauteam baut noch an mindestens einem Modell für die Wertung. „Ich gehe eigentlich immer locker ran“, sagt Hempel. Man wisse ja schließlich nie, was die Konkurrenz so mitbringe. Das Modellbauereignis ist außerdem eine gute Möglichkeit, den Vorrat an neuen Modellbausätzen zu vergrößern. „Ich habe zwar etwa 200 Bausätze auf Lager, doch es gibt immer etwas, was man noch nicht hat“, sagt Hempel grinsend.

Doch wie entscheidet er sich, welches Modell als Nächstes gebaut wird? „Das bespreche ich meistens mit meinen Clubkollegen, die haben immer eine Idee“, sagt er. Seit nun zweieinhalb Jahren ist er erster Vorsitzender des Plastikmodellbauclubs Riesa. Einmal im Monat treffen sich die Modellbauer, um die Termine für die nächsten Ausstellungen zu besprechen und über ihre aktuellen Projekte zu fachsimpeln. Hempel verrät: „Die Vorbereitungen für unsere eigene Ausstellung im September in Großenhain laufen schon längst.“ Neben verschiedenen Clubs aus Deutschland werden auch Modellbauer aus Tschechien und Polen eingeladen. Bei der letzten Ausstellung des Vereins im Palais Zabeltitz reisten rund 80 Modellbauer an. „In Großenhain knacken wir die Zahl vielleicht.“ Wie viele es genau werden, weiß noch niemand. Die Vorfreude sei aber schon groß.