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Der Kampf gegen die Keime

Die Häufung multiresistenter Erreger birgt große Gefahr. Im Klinikum Neustadt in Dresden scheinen Schutzmaßnahmen zu greifen.

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© Thorsten Eckert

Von Juliane Richter

Die Hoffnung schwingt mit. Einen Tag, nachdem das Städtische Klinikum Neustadt über das Auftreten multiresistenter Keime berichtet hat, ist die Zahl der Betroffenen nicht gestiegen. Die Schutzmaßnahmen scheinen vorerst zu greifen. Die vier schwer kranken Patienten werden weiterhin in einem abgetrennten Bereich der Intensivstation in Haus D versorgt.

Dass das Thema ernst ist, zeigen Erfahrungen aus der Vergangenheit. So hatte es von 2010 bis 2012 den wohl größten bekannten Ausbruch eines multiresistenten Keimes in Deutschland gegeben. Damals waren am Leipziger Uniklinikum rund 100 Patienten erkrankt. Wie sich später herausstellte, starben etwa 30 von ihnen. Unklar ist allerdings, ob sie direkt an dem Keim oder einer ihrer schweren Vorerkrankung starben. Der Leipziger Keim gehört zur gleichen Gruppe wie Klebsiella pneumoniae im Städtischen Klinikum Neustadt.

Erst seit 2013 gibt es eine Meldepflicht für diesen speziellen Keim. Laut städtischem Gesundheitsamt sind seitdem rund 100 Meldungen eingegangen, davon 18 im Jahr 2016, zehn im Jahr 2017 und 16 bis zu diesem Donnerstag in 2018.

Die Erfahrung in Leipzig zeigt, dass es überaus schwer ist, den Erreger wieder in den Griff zu bekommen. Das liegt vor allem daran, dass er gegen die vier gängigen Antibiotikastämme resistent ist. Nur wenige Reserveantibiotika können helfen. Umso wichtiger ist es, eine Ansteckung anderer Patienten zu verhindern. Das städtische Klinikum greift dafür auf gängige Standards wie häufige Handdesinfektion, gesonderte Schutzkittel und Handschuhe zurück. Insgesamt verfügen die städtischen Kliniken über sieben Mitarbeiter, die sich hauptamtlich dem Thema Hygiene widmen. Hinzu kommen mehr als 100 speziell geschulte Hygieneverantwortliche auf den einzelnen Stationen.

Genau jenes geschulte Personal fordert die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene beim Kampf gegen multiresistente Keime schon lange. Genauso wie ausreichend Personal auf den Stationen und eben vor allem die Handhygiene. Denn die Keime haften an Oberflächen, der Haut der Patienten, an den Schleimhäuten oder auch im Stuhl. Doch obwohl die Wichtigkeit der Hygiene bekannt ist, sieht die Realität oft anders aus.

Professor Lutz Jatzwauk, Vizepräsident der Gesellschaft für Krankenhaushygiene, sagt: „Etwa 70 Prozent der erforderlichen Händedesinfektion in Deutschland wird gemacht. Aber 30 Prozent eben nicht. Das ist katastrophal.“ Den Grund dafür sieht er nicht allein im Personal- und Zeitmangel. Es sei auch eine Kopffrage des Personals.

Nur mit regelmäßigen Schulungen könnten die Werte verbessert werden. Von groß angelegten Tests neuer Patienten, die auf eine Station kommen, hält Jatzwauk hingegen nichts. So seien sowohl eine Probe des abgehusteten Sekrets aus der Lunge als auch eine Stuhlprobe oder ein Rektalabstrich nötig, um die multiresistenten Keime sicher zu entdecken. „Das wären Untersuchungskosten von mehreren Millionen Euro im Jahr, um die Betroffenen, die weniger als ein Prozent ausmachen, herauszuziehen“, sagt er.

Jatzwauk arbeitet hauptamtlich am Dresdner Uniklinikum als Leiter der Krankenhaushygiene. Er ist mit den Kollegen des Neustädter Krankenhauses im engen Kontakt. Beide Einrichtungen bemühen sich auch schon seit Jahren, den Einsatz von Antibiotika deutlich zu verringern. Denn erst durch die permanente Antibiotikagabe entstehen die schwerwiegenden Resistenzen.

Dass kaum noch neue, wirksame Antibiotika auf den Markt kommen, hat laut Jatzwauk finanzielle Gründe. Die Entwicklung sei sehr teuer und für die Pharmaunternehmen oft nicht rentabel. Auch, weil sich schnell neue Resistenzen bilden. Die Weltgesundheitsorganisation warnt: „Wenn keine wirksamen neuen Antibiotika gefunden werden und sich die Resistenzen weiter ausbreiten, droht der Gesellschaft eine Rückkehr zu Verhältnissen, wie sie vor der Entdeckung der Antibiotika herrschten, als Kinder oft an einer einfachen Lungenentzündung starben und Ärzte gegen Meningitis machtlos waren.“

Schon jetzt sterben nach Schätzungen jährlich in der Europäischen Union 25 000 Menschen an schweren Infektionen mit resistenten Bakterien, die in einer Gesundheitseinrichtung erworben wurden. Der Kreislauf kann nur durch einen sparsamen Einsatz durchbrochen werden. Der betrifft aber vor allem die niedergelassenen Ärzte, die in Deutschland 80 Prozent aller Antibiotika verschreiben.