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Der Kartoffelkäfer und die CIA

Wie ein Insekt zum Politikum wurde, zeigt eine neue Ausstellung auf Schloss Lauenstein. Dabei sind SZ-Leser gefragt.

Von Mandy Schaks
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Die Museumsleiterin von Schloss Lauenstein, Gabriele Gelbrich, kann eine neue Sonderausstellung zeigen. Die Schau soll Antwort geben auf Fragen: Wie wurde der Kartoffelkäfer zum Medium politischer Propaganda?
Die Museumsleiterin von Schloss Lauenstein, Gabriele Gelbrich, kann eine neue Sonderausstellung zeigen. Die Schau soll Antwort geben auf Fragen: Wie wurde der Kartoffelkäfer zum Medium politischer Propaganda? © Frank Baldauf

Gabriele Gelbrich hat ein Händchen für das Besondere. Die Leiterin von Schloss Lauenstein kommt auf Ideen, die müssen einem erst einmal einfallen – und macht damit immer wieder das Osterzgebirgsmuseum interessant. Mal sind es Schlitten und Skier aus vergangenen Zeiten, die sie ins Zentrum einer Sonderschau stellt, mal Würfelspiele, dann wieder Fischporträts und Puppentheater. Nun kommt das große Krabbeln – der Kartoffelkäfer rückt an, und dabei soll auch noch der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA seine Finger im Spiel gehabt haben.

Gabriele Gelbrich freut sich sichtlich, wenn sie davon erzählen kann und in erstaunte Gesichter blickt. „Verschwörungstheorien aller Art erleben derzeit scheinbar Hochkonjunktur“, sagt sie, „so etwas gab es aber früher schon.“ So musste auch der Kartoffelkäfer für politische Propaganda herhalten, wie der Medienwissenschaftler und Journalist Dr. Lutz Mükke erklärend zur neuen Ausstellung schreibt. Der Kartoffelkäfer „taugte für ,Verschwörungspraktiker‘ ganz vorzüglich zum Auf- und Ausbau von Feindbildern“. Wie das funktionierte, kann Gabriele Gelbrich wunderbar erzählen.

Kartoffeln schmecken nicht nur den Deutschen. Auch ein Käfer kam auf den Geschmack der Pflanze.
Kartoffeln schmecken nicht nur den Deutschen. Auch ein Käfer kam auf den Geschmack der Pflanze. © Frank Baldauf

„Die Kartoffelkäfer sind in Europa von Westen nach Osten eingezogen“, weiß sie. Ursprünglich in Nordamerika beheimatet, wurde der Käfer per Schiff eingeschleppt und 1877 in den Hafenanlagen von Liverpool und Rotterdam gesichtet. Der Blattkäfer – wegen seiner zehn schwarzen Streifen auf dem Rücken Leptinotarsa decemlineata genannt – krabbelte im selben Jahr auch schon am Rhein herum und wurde schnell auf den Kartoffeläckern zur Plage. „Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges vermehrten sich die Kartoffelkäfer sprunghaft“, erzählt Frau Gelbrich, vor allem in der sowjetischen Besatzungszone. Die Käfer fraßen Äcker regelrecht kahl. Die Versorgung der Bevölkerung mit einem der wichtigsten Grundnahrungsmittel stand auf der Kippe. Um 1950, also zu jungen DDR-Zeiten, sollen mehr als 20 Prozent der Anbaufläche von dem kleinen Vielfraß befallen gewesen sein. Da die ostdeutsche Regierung damals gegen die Invasion der Kartoffelkäfer nicht viel auszurichten vermochte, wurde die Propagandamaschinerie angekurbelt. „Die ostdeutsche Regierung schob das den Amis in die Schuhe“, so Frau Gelbrich. Angeblich hätten diese, gesteuert von der CIA, den Kartoffelkäfer aus Flugzeugen über der DDR abgeworfen.

Typisch für den Kartoffelkäfer ist seine Maserung. Auf den gelblichen Deckflügeln verlaufen je fünf schwarze Längsstreifen.
Typisch für den Kartoffelkäfer ist seine Maserung. Auf den gelblichen Deckflügeln verlaufen je fünf schwarze Längsstreifen. © Frank Baldauf

Die Ausstellung dokumentiert, wie ein kleiner Käfer auf die große politische Weltbühne geriet. Besucher erfahren aber auch, wie schon im Zweiten Weltkrieg ein Kampf gegen den Kartoffelkäfer geführt wurde und wie dann die DDR-Führung versuchte, der Lage Herr zu werden. Heute ist das in der Öffentlichkeit kaum noch ein Thema. Es gibt genug Kartoffeln. Damit sich über die Pflanzen nicht der Käfer hermacht, werden zum Beispiel Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Deshalb wissen junge Generationen kaum noch etwas über die Plage und den „Amikäfer“ als Propagandamittel im Kalten Krieg.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Briefe und Postkarten mit einer Warnung gestempelt: „Achtet auf den Kartoffelkäfer“.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Briefe und Postkarten mit einer Warnung gestempelt: „Achtet auf den Kartoffelkäfer“. © Frank Baldauf

Gabriele Gelbrich ist durch Dr. Dietrich Schroeer, einen US-Amerikaner mit deutschen Wurzeln, auf das Thema gestoßen. Er ist leidenschaftlicher Sammler und besitzt viele Briefe und Karten mit Kartoffelkäfer-Stempeln, die zu verschiedenen politischen Zeiten vor dem Vielfraß warnten. Ein Teil von Schroeers Sammlung wird nun im Osterzgebirgsmuseum gezeigt. Er wird auch im Januar nach Lauenstein kommen und dort einen Vortrag halten.

Gabriele Gelbrich hofft, mithilfe der Ausstellung sogar noch mehr über den Kartoffelkäfer herauszufinden. SZ-Leser können mithelfen, diese Schau zu ergänzen. Gesucht werden Geschichten, Erinnerungen an den Kartoffelkäfer, über frühere Sammelaktionen oder ähnliche Erlebnisse. „Wir freuen uns über Beiträge der SZ-Leser“, sagt Frau Gelbrich. Für diese Geschichten ist in der Sonderausstellung eine große Tafel aufgestellt, an der diese Beiträge veröffentlicht werden sollen.

Geschichten zum Kartoffelkäfer per E-Mail an [email protected] oder per Post an das Osterzgebirgsmuseum Schloss Lauenstein, 01778 Altenberg/ST Lauenstein.

Propagandaplakate suggerierten, amerikanische Flugzeuge werfen Kartoffelkäfer ab, um die Landwirtschaft zu sabotieren.
Propagandaplakate suggerierten, amerikanische Flugzeuge werfen Kartoffelkäfer ab, um die Landwirtschaft zu sabotieren. © Frank Baldauf