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Der Kasuar ist zurück

Der Riesenvogel steht wieder auf dem Kaendler-Brunnen. Doch ist der Streit um ihn damit wirklich beendet?

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© Claudia Hübschmann

Meißen. Sicher soll es künftig stehen – das Wahrzeichen, welches Meißen seit 14 Jahren vermisst. Dafür hat Steinmetz Hans-Peter Hain gesorgt. Aus rotem Meißener Granit gestaltete er einen festen Sitz für den Riesenvogel Kasuar.

Die Mitarbeiter der Firma Form und Abbild Effenberger aus Weinböhla haben den neuen Kasuar hergestellt. Vorsichtig hieven sie den 40 Kilogramm schweren Kunststoff-Vogel aus dem Auto.
Die Mitarbeiter der Firma Form und Abbild Effenberger aus Weinböhla haben den neuen Kasuar hergestellt. Vorsichtig hieven sie den 40 Kilogramm schweren Kunststoff-Vogel aus dem Auto. © Claudia Hübschmann
Kritischer Blick: Meissen-Chefplastiker Jörg Danielzcyk schaut Abformer Johannes Effenberger beim Aufstellen des Kasuars auf die Finger.
Kritischer Blick: Meissen-Chefplastiker Jörg Danielzcyk schaut Abformer Johannes Effenberger beim Aufstellen des Kasuars auf die Finger. © Claudia Hübschmann

Zahlreiche Schaulustige warten an diesem Nachmittag auf die Ankunft der Skulptur, die auf ein Model des berühmten Porzellan-Modelleurs Johann Joachim Kaendler von 1732 zurückgeht. Verwundert bleibt einer der Meißen-Besucher stehen und fragt in schwäbischem Dialekt: „Was ist das denn für ein Pelikan?“ Mit zwei Sätzen wird er über seinen Irrtum aufgeklärt.

40 Kilogramm schwerer Riesenvogel

Mitarbeiter des Bauhofs sind mittlerweile samt Radlader vor Ort eingetroffen. Doch letztlich braucht es Muskelkraft. Zwei Männer setzen den 40 Kilogramm schweren Riesenvogel auf den Kaendler-Brunnen am Eingang zur Altstadt. Im Gegensatz zu seinen geraubten und zerschlagenen Vorgängern ist die Skulptur dieses Mal aus superhartem Kunststoff, nicht aus zerbrechlichem Meissener Porzellan.

Hans Effenberger und sein Sohn Johannes zeichnen für die Figur verantwortlich. Ihr Unternehmen Form und Abbild aus Weinböhla hat sich auf Abgüsse, die Restaurierung von Skulpturen und Stuckarbeiten spezialisiert. „Es war schon großartig, einmal einen echten Kaendler in der Werkstatt stehen zu haben“, sagt der Firmenchef. Zwei Wochen werkelten sie an der Skulptur herum. Vom Original musste erst ein Abdruck in Silikon genommen werden. Dann wurde dieser ganz allmählich mit dem Kunststoff verkleidet, bis die Wandung etwa zwei Zentimeter dick war. Es folgte der Feinschliff, bevor die Lackierung das Äußere vollendete.

Diese Sorgfalt hat ihren Grund. Noch kein Kasuar hat es jemals mehr als 31 Jahre auf seinem Sockel überlebt. Der letzte brachte es gar nur auf ein Jahr, bevor ihm Grobiane bei einem missglückten Diebstahlsversuch den Kopf abschlugen. Dieser Anschlag sorgte schließlich dafür, dass die nächste Porzellan-Kopie des 2001 zerstörten Kasuars im November 2010 ins Rathaus umgesiedelt wurde. Seitdem hat er die sicheren Gemäuer nicht mehr verlassen. Der Beschluss sorgte für Kritik. Von einem feigen Rückzug der Kunst aus dem öffentlichen Raum war die Rede.

Gibt die Stadt Randalierern nach?

Lediglich ein falscher Riesenvogel zierte 2009 für wenige Stunden den Brunnen. Ein Aprilscherz in Form einer Gans aus Plaste. Die wurde schnell wieder entfernt.

So ganz will die Kritik aber auch beim jetzigen Kompromiss nicht verstummen. Über Jahre hinweg hat sich der Meißner Porzellan-Restaurator Ralf Roscher dafür eingesetzt, dass das Tier wieder zusammengesetzt und repariert wird. „Lächerliche 25 Bruchstücke, das hätte ich im Handumdrehen hergerichtet.“

Er werde auf keinen Fall zur Enthüllung des Kasuars durch Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) und Manufaktur-Chef Tillmann Blaschke am großen Festwochenende zur Wiedergeburt Sachsens kommen, ließ er vorher verlauten. Er hoffe, dass es Andere ihm gleichtuen. „Ich bin stocksauer, dass die Stadt den Randalierern nachgibt“, so der Porzellan-Restaurator. Sein Vorhaben hätte deutlich weniger gekostet als die Kunststoff-Variante.

Die Arbeit hätte er nicht einmal in Rechnung gestellt. Das hatte er der Stadt mehrmals angeboten. Alle Gespräche, auch mit der Manufaktur, dem Bürgermeister und verschiedenen Fraktionen im Stadtrat seien aber im Sande verlaufen. Dabei hätte er sich ebenfalls um die Pflege des restaurierten Wahrzeichens aus Weißem Gold gekümmert, für einen kleinen jährlichen Obolus. „Ich schäme mich für diese Aktion, diese Kapitulation vor Vandalismus und Kriminalität“, sagt er.

Einige Politiker stärkten ihm den Rücken. Unter den Befürwortern der Porzellan-Idee findet sich Ralf-Werner Orgus, Fraktionschef der CDU. Seit 15 Jahren liegt ihm der große Vogel schon am Herzen. „Ich hätte mir schon gewünscht das Tier aus den originalen Stücken wieder aufzustellen. Aber um des Friedens Willen befürworte ich auch die Kunststoff-Variante als Symbol des Kaendler-Parks“, sagt der 43-Jährige. Für diesen Frieden sollte auch Ralf Roscher seine persönlichen Befindlichkeiten zurückstellen, so seine Meinung. „Selbst wenn sich meine künstlerische Ader dagegen wehrt.“

Porzellan-Kasuar steht im Rathaus

Ulrich Baudis von der Partei Die Linke sieht in der Rückkehr des Kasuars eine Rückkehr zu dem, was dem Namen Kaendler gebührt. „Der Kasuar ist da ein guter Ansatz, aber wir sollten weiter denken“, so der Fraktionsvorsitzende der Linken im Stadtrat. Ihm schwebt eine künstlerische Ausgestaltung des Rondells um den Brunnen vor, mit Porzellanplatten zum Beispiel. Zur Materialfrage vertritt er eine pragmatische Haltung. „Da der Vogel zerstört wurde, ist es in jedem Falle zu begrüßen, dass er wieder an seinem angestammten Platz steht. Dabei macht er optisch den Eindruck, als wäre er aus Porzellan und ist außerdem nur schwer zerstörbar“, so Baudis.

Vom Meißner Mathe-Ass Norbert Herrmann kommt ein ausgefallener Vorschlag. Ihm liegt der Kaendler-Brunnen zu versteckt. Direkt in Sichtachse der Altstadtbrücke, da müsste seiner Meinung nach ein Blickfänger hin. „Ich denke an den Schneider, der mal auf dem Burgberg zur 300-Jahrfeier der Manufaktur aufgestellt war. Dann würden alle Autofahrer, die auf der Altstadtbrücke Richtung Stadt fahren, diesen sehen und Meißen noch mehr als Porzellanstadt wahrnehmen“, sagt der Mathematik-Doktor. Den Kunststoff-Kasuar bezeichnet er als „suboptimal“. Er wäre aber allemal besser als Nichts.

Stadt-Sprecher Jörg Böhme sieht die Sache gelassen: „Wer den Vogel aus Porzellan anschauen will, der kann das wenige Schritte entfernt im Rathaus tun.“ Und auch Chef-Plastiker der Porzellan-Manufaktur Jörg Danielczyk ist zufrieden mit dem neuen Kasuar im Stadtbild. „Ich bin von der Qualität der Arbeit überzeugt“, so der Porzellan-Künstler.