Von Nancy Riegel
Bad Schandau. Von Wildschweinen kann man kulinarisch noch etwas lernen. Findet jedenfalls Martin Naumann, der neue Küchenchef vom Parkhotel in Bad Schandau. Und er meint es ernst. In der Küche steht ein Zehn-Kilo-Sack Eicheln, solche, die auch die Schweine gerne naschen. Gesammelt wurden sie von Kita-Kindern, der Koch macht daraus ein Eichelpüree. Warum Zutaten einfliegen lassen, wenn man sie selbst auflesen kann, denkt er sich.
Der 38-Jährige besitzt eigentlich schon seit 2005 ein Grundstück in Hohnstein. Doch erst in diesem Jahr ist er dazu gekommen, auch tatsächlich dort zu leben. Gearbeitet hat Martin Naumann nämlich schon in Bayern und NRW, auch in Leipzig und Dresden hat er schon den Kochlöffel geschwungen. Seit Juli leitet er jetzt die Geschicke in der Küche vom Parkhotel. „Er war sehr hartnäckig bei seiner Bewerbung“, sagt Geschäftsführer Ralf Thiele. Schließlich hat er mit seinen Ideen überzeugt. Und mit dem Titel „Grüner Koch Deutschlands“, den er seit diesem Jahr innehat und nicht grundlosen tragen möchte. Martin Naumann will versuchen, die Gäste hauptsächlich mit regionalen und biologischen Zutaten zu bekochen.
Die Vorliebe dafür entdeckte er bei seiner Ausbildung, die er bei einem Sternekoch absolvierte. Hatte dort ein Brokkoli nur eine unschöne Stelle, wurde er gleich in den Müll geworden. Statt regionalem Fleisch landeten fast ausschließlich Tiere auf dem Teller, die mindestens eintausend Kilometer von Deutschland entfernt geschlachtet wurden. „Dieses Verschwenderische muss doch nicht sein“, dachte er sich.
Deshalb zog es ihn irgendwann in die Sächsische Schweiz. Nicht nur die Landschaft überzeugte ihn, sondern auch die vielen Zutaten, die man sich im Vorbeigehen mitnehmen kann. „Die Region ist nicht gerade als Kräuterparadies bekannt. Zu Unrecht“, findet der hochgewachsene Koch. Seine Freizeit verbringt er fast ausschließlich in der Natur. Wandern im Gebirge, Angeln an der Elbe, und eben Kräuter sammeln. Die archiviert er fein säuberlich in Alben – „wie in der Schule“, gibt er zu und muss lachen. Mit dabei ist auch immer seine Freundin, die als Diätassistentin im Parkhotel arbeitet. Bei dem Paar geht es früh bis abends nur ums Thema Essen, wie Martin Naumann verrät.
Dabei ist sein privates Lieblingsgericht ganz unspektakulär: Grießbrei mit Melone. Die Melone teilt sich seinen 14 000 Quadratmeter großen Garten in Hohnstein mit zig anderen Obst-, Gemüse- und Kräutersorten. Dazwischen stehen Kamerunschafe und zwei Esel. Auch ein Jack Russell Terrier gehört mit zur Familie. „Der hat eine genauso große Klappe wie ich“, gibt Martin Naumann verschmitzt zu.
Zurück zum Urschleim
Im Parkhotel setzt er natürlich kulinarisch eine Stufe drauf. Schweinebäckchen mit Kümmel nennt er da als Beispiel. Im Restaurant versucht er, traditionelle Gerichte neu zu interpretieren. Zur Bratwurst gibt es Sauerkraut mit einer Prise Kamille, dazu Kartoffelwaffeln statt Bratkartoffeln. Auch in den kommenden vier Wochen will er die Gäste mit solchen Kreationen überzeugen. Das Parkhotel ist eines 24 Restaurants, die ihren Gästen während der Kulinarischen Wochen mindestens drei regionaltypische Gerichte servieren, deren meiste Zutaten von Produzenten und Händlern aus der Region stammen.
Aus der Region stammt auch eine Eigenkreation von Martin Naumann: eine Wildschweinbratwurst mit 16 heimischen Kräutern – natürlich selbst gesammelt – und vier Pfeffersorten. Seine Kräuter bringt er dem Dürrröhrsdorfer Fleischer vorbei, mit dem er die Wurst entwickelt und verfeinert. „Dass ein Koch sein eigenes Produkt entwickelt und den ganzen Weg bis zum Verkauf begleitet, ist schon etwas Besonderes“, findet auch Geschäftsführer Ralf Thiele. Noch in diesem Jahr soll die Wurst in den Verkauf gehen. Schon jetzt kann man sie im Parkhotel probieren.
Ab kommendem Jahr will Martin Naumann seine Begeisterung für Kräuter dann auch an Touristen und Einheimische vermitteln. Mit einer Kräuterwanderung durchs Elbsandsteingebirge und anschließender Kochstunde, in der die Zutaten verarbeitet werden. „Ursprünglich waren wir doch alle mal Jäger und Sammler. Und wo leben wir es aus? Wir jagen nach Schnäppchen im Supermarkt und sammeln dort das Essen aus den Regalen.“ Die Sächsische Schweiz hat so viele gute Zutaten zu bieten. Zeit wird’s, dass das auch die Menschen mal mitbekommen, sagt der Koch, der prinzipiell alles mal probiert. Nur Haferschleim, den packt er sich nicht freiwillig auf den Teller.