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Der letzte Plakatmaler geht

Er ist einer der Letzten seiner Zunft: Klaus Rotter hat in Görlitz für viele Kinofilme gezeichnet. Gelernt hat er das in Zittau.

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© Pawel Sosnowski

Von Susanne Sodan

Görlitz/Zittau. Das Gesicht von Schauspieler Daniel Craig besteht aus nur drei Farben, Grün, Schwarz und Weiß. „Für Krimis habe ich immer gerne Grün- und Blautöne genommen“, erzählt Klaus Rotter. Kühle Töne, die für Spannung sorgen. Bei Actionfilmen arbeitete er dagegen gerne bunt. Und bei Liebesfilmen mit möglichst natürlichen Farben. „Eine Herausforderung war es immer, wenn ein Schauspieler, den ich malen wollte, sehr bekannt ist.“ Dann muss das kleinste Detail stimmen. Zumal Klaus Rotter immer sehr großformatig gearbeitet hat: 3,07 Meter hoch und 4,65 Meter breit ist der Rahmen über dem Eingang zum Filmpalast Görlitz. Dort hingen regelmäßig Klaus Rotters Werke. Er ist einer der letzten Kinowerbemaler Deutschlands. „Er ist ein Unikat“, sagt Kinoleiter Stefan Kretschmer. Jetzt aber ist Klaus Rotter mit 68 Jahren in Ruhestand gegangen.

„Ich glaube, der Zoo-Palast in Berlin hat noch einen Plakatmaler“, erzählt er. Ansonsten ist ihm niemand seines Standes mehr bekannt. Sein Handwerk lernte Rotter Anfang der 70er Jahre in den Robur-Werken in Zittau. In der Werbeabteilung machte er seine Ausbildung zum Schrift- und Grafikmaler. 1975 hörte die damalige Kinoplakatmalerin von Görlitz auf, Klaus Rotter bewarb sich und wurde ihr Nachfolger. „Damals war ich sogar hauptamtlich als Kinowerbemaler angestellt“, erzählt er. „Es war damals natürlich mehr zu tun, weil Görlitz noch mehr Kinos hatte.“ Das Capitol auf der Berliner Straße gab es noch, auch das Apollo. „Manchmal habe ich auch Bühnendekos gemacht, die Schaukästen mussten gestaltet werden.“ Während der DDR malte er im Schnitt ein Plakat pro Woche, nach der politischen Wende etwa eines alle vier Wochen.

Was damals wie heute gleich war: Dafür braucht es Platz. Für die großen Leinwände, Leiter und Farbregal. Früher war Rotters Werkstatt dort, wo heute Saal 4 ist, später zog er innerhalb des Kinos in einen anderen Werkstattraum. Jedes Plakat bestand immer aus drei Teilen, so wie auch der Rahmen über dem Kinoeingang aus drei Teilen besteht. Mit Zeichenkohle skizzierte Klaus Rotter die Motive zunächst, mit bestimmten Wasserfarben wurde gemalt. Diese Farben zu bekommen, sei zu DDR-Zeiten nicht immer ganz leicht gewesen. „Die hat mir Farben-Franke auf der Weberstraße besorgt“, erzählt Rotter. Vorgaben für die Motive bekam er – ebenfalls damals wie heute – nie. „Ich habe den Film genannt bekommen und den Tag, an dem das Plakat fertig sein musste, alles andere lag bei mir.“ Inspiration holte der Plakatmaler sich von allem, was ihm in die Hände fiel: aus Zeitschriften mit Szenenfotos, aus Zeitungen mit Artikeln über den neuen Film, um den es gerade ging, früher auch aus Programmheften, später aus den Trailern, also den Videoclips mit Ausschnitten aus den Filmen, die vor Kinostart im Fernsehen oder auf der Video-Plattform Youtube zu sehen sind, um den Film zu bewerben. Vorab sehen durfte Klaus Rotter die Filme nicht. „Ich glaube, ich habe es trotzdem immer ganz gut getroffen.“

Obwohl er nie Vorgaben hatte, einmal musste er eines seiner Plakate trotzdem zuhängen. Zu einem Jubiläum des Görlitzer Abkommens über die Oder-Neiße-Grenze hatte sich DDR-Politiker Willi Stoph angesagt. „Er wurde auf einer bestimmten Route durch Görlitz gefahren.“ Diese Route führte auch am Kino vorbei – wo gerade ein Filmplakat mit einer Frau mit nacktem Oberkörper in einer Badewanne zu sehen war. „Ich weiß gar nicht mehr, wie der Film hieß“, erzählt Klaus Rotter. Woran er sich dagegen gut und mit einem Lachen erinnern kann, ist, dass gegen 6 Uhr morgens die SED-Kreisleitung bei ihm anrief. „Ich musste das Plakat dann zuhängen. Der linke Rahmenteil wurde mit der polnischen Flagge verdeckt, der mittlere mit der roten Flagge, der rechte mit der DDR-Fahne.“

Eine Besonderheit sei es auf jeden Fall gewesen, noch einen Plakatmaler zu haben, sagt Stefan Kretschmer. Aber die Zeiten haben sich einfach geändert. Heute kommen die Motive für die Plakate von den Filmverleihen selbst. Und auch bei Klaus Rotter hat sich manches verändert. Er hatte ohnehin länger, über die Rentengrenze hinaus, als Plakatmaler gearbeitet, vor Kurzem musste er sich außerdem an der Wirbelsäule operieren lassen. „Ich würde die Leiter jetzt nicht mehr raufkommen“, sagt er.

Malen wird er trotzdem weiter, Rotter lebt mit seiner Frau in einem Haus in der Nähe des Tierparks, dort hat er auch sein Zeichenzimmer mit Staffelei. Landschaften, Stillleben und Porträts entstehen dort, meistens Auftragswerke. „Es sind Ölbilder und Aquarelle“. Die Wasserfarben braucht er dafür nicht, er hat sie verschenkt. Vor einigen Wochen wurde das Görlitzer Kino frisch saniert und umgebaut. „Die Farben habe ich den Malern gegeben, zum Abtönen.“