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Der Mann mit dem Airbus im Keller

Hobby-Pilot Ralf Schneider ist weltweit unterwegs. Dafür muss er nicht mal sein Haus in Belmsdorf verlassen.

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© Steffen Unger

Von Ingolf Reinsch

Belmsdorf. Der Flug von Barcelona nach Valencia beginnt im Keller eines Bischofswerdaer Einfamilienhauses. Der Airbus A 320 rollt zum Start – vorbei an parkenden Flugzeugen und riesigen Hangern. Noch die letzten Checks im Cockpit, dann gibt der Tower über Funk die Startbahn frei. Pilot Ralf Schneider schiebt den Leistungshebel für die Triebwerke langsam nach vorn. Diese heulen auf. Die Maschine gewinnt schnell an Geschwindigkeit. Ein paar Sekunden und schon hebt sie ihre „Nase“ in den blauen spanischen Himmel. Rollbahn, Flughafengebäude, umliegende Häuser und Straßen werden immer kleiner. Bald ist unter uns auch schon die Mittelmeerküste zu sehen – und die Maschine nimmt Kurs Richtung Südwest.

Es gibt Leute, denen ist beim Start schon schwindlig geworden, sagt Ralf Schneider. So verblüffend echt ist die Animation in seinem Flugsimulator. Ein solches Gerät mag man im Piloten-Ausbildungscenter eines großen Flughafens vermuten, nicht aber im Bischofswerdaer Ortsteil Belmsdorf. Drei miteinander verbundene Monitoreinheiten vor dem Cockpit zeigen in HD-Qualität das Panoramabild, wie es gewöhnlich nur Piloten in einem Flugzeug sehen können. Wer im Flugsimulator auf einem der vier Passagierplätze hinter der zweiköpfigen Crew sitzt, hat außer der Cockpit-Sicht durch ein Seitenfenster auch noch den Blick, wie man ihn als „gewöhnlicher“ Flugpassagier kennt.

Der Airbus gewinnt rasch an Höhe. Die Wolken haben wir auf unserem virtuellen Flug schon unter uns gelassen. Für die relativ kurze Strecke werden wir nicht höher als 8 000 Meter fliegen. Ralf Schneider und sein Begleiter Eberhard Robitzsch schalten jetzt den Autopiloten ein und konzentrieren sich darauf, den Flug zu überwachen. Beide Männer sind von viel Hightech umgeben.

Alle Armaturen, Knöpfe, Schalter, Lämpchen und andere Komponenten sind fast baugleich zum tatsächlichen Cockpit eines A 320. „Neben der Hardware reagieren auch die Flugzeugsysteme nahezu wie das Original, sodass alle Phasen des Fluges unter normalen, außergewöhnlichen und Notfallbedingungen trainiert werden können“, sagt Ralf Schneider. Auch das Wetter lässt sich programmieren. Wer mal eine Gewitterfront in luftiger Höhe erleben möchte – kein Problem für Taylor Air, wie der Bischofswerdaer in Anspielung auf seinen Namen (taylor ist im Englischen der Schneider) seine hauseigene Airline nennt.

Auch im wirklichen Leben Pilot

Diese ist für ihn Hobby, doch nicht nur das. Der Bischofswerdaer Unternehmer, der in Bautzen eine Firma für die Produktion von Laufrädern und den dazu passenden Onlineshop taylor-wheels.de besitzt, erschließt sich mit dem Flugsimulator ein weiteres Geschäftsfeld. Buchen bei Taylor Air kann jeder, der selbst einmal ein großes Verkehrsflugzeug steuern möchte – egal, ob Profi oder Laie. Nach einem kurzen Briefing lässt Ralf Schneider seinen Gast ans Steuer. Bis zu vier weitere Leute dürfen kostenlos mit ins Cockpit und auf einer restaurierten Original-Lufthansa-Bank hinter den beiden Pilotensitzen Platz nehmen. Eine Stunde im Flugsimulator kostet 119 Euro, ein zweistündiger Nonstop-Flug 219 Euro. Auch Gruppen bis zu 15 Mitgliedern können buchen. Geburtstags-, Weihnachts- und andere Feiern im Flugsimulator und in einem Nebenraum sind möglich und wurden dort selbstverständlich auch schon ausgerichtet.

Ralf Schneider begrüßt Fluggäste im passenden Outfit: weißes Hemd mit drei goldenen Streifen auf den Schultern, wie es Co-Piloten tragen. Dazu eine passende Krawatte. Dabei ist es gar nicht mal vordergründig der Traum vom Fliegen, der den 44-Jährigen reizt. Es ist vielmehr die Elektronik, mit der ein solcher „Silbervogel“ vollgestopft ist. Ralf Schneider lernte Elektronik-Facharbeiter. Die Technik und das Programmieren faszinierten ihn schon immer weit über seinen Beruf hinaus. Er fing mit der Fliegerei am Boden klein an – mit einem PC und drei Monitoren. 2012, beim Besuch eines Flugsimulators in Dresden, wurde ihm klar, dass man diese Technik auch privat kaufen kann. Der Bischofswerdaer investierte rund 100 000 Euro, stattete den eigentlich für die Sauna vorgesehenen Kellerraum seines Einfamilienhauses mit der Technik aus und meldete auch für den Flugsimulator das Gewerbe an. Seit vergangenem Jahr verbindet er Hobby und Beruf.

Ihm zur Seite steht Eberhard Robitzsch. Der Bautzener ist nicht nur im Flugsimulator, sondern auch im wirklichen Leben Flugkapitän. Er steuert einen Airbus 320, in dem bis zu 180 Passagiere Platz finden. Er war Fluglehrer bei der NVA, wechselte Ende der 1980er-Jahre zum Zivilflug. Eberhard Robitzsch war ein Jahr als Pilot in Afrika im Einsatz, überführte rund zehn Maschinen für den Umbau von Europa nach Florida und ist seit 20 Jahren bei Eurowings angestellt. Noch zwei Jahre wird der 62-Jährige zwischen Bautzen, seinem Wohnort und Düsseldorf, seiner Flugbasis, hin und herpendeln. Dann geht’s in den Ruhestand.

Angebot soll ausgebaut werden

Der Zufall brachte beide Männer zusammen. Die Frau von Eberhard Robitzsch ist die Arbeitskollegin eines Bischofswerdaers, der mit Ralf Schneider bekannt ist. Als er hörte, ein Bautzener fliege einen Airbus 320, fragte er vorsichtig an, ob man sich nicht einmal in Belmsdorf treffen könnte. Ralf Schneider hoffte, so ein paar Tipps aus der Praxis zu bekommen.

Aus der ersten Begegnung wurde eine Freundschaft, die auf Zukunft angelegt ist. In Wirklichkeit einen Airbus zu steuern, ist nicht der Ehrgeiz von Ralf Schneider. Aber er würde mit seinen Erfahrungen als Passagier die Maschine sicher landen können, sollte es im Cockpit einen Notfall geben, sagt Fachmann Eberhard Robitzsch.

Auf Dauer, sagt Ralf Schneider, soll der Flugsimulator nicht im Keller seines Hauses bleiben. Er plant, ihn nach Bautzen zu verlegen und sein Angebot dort auszubauen. Später, wenn Eberhard Robitzsch nicht mehr fliegt, könnte er sich mit ihm bei der Betreuung abwechseln. Eine Aussicht, die auch seinem Partner gefällt. Nach einem aktiven Fliegerleben auf null herunterzufahren, würde ihm wohl schwerfallen, sagt Eberhard Robitzsch. Über den Flugsimulator könnte er mit seinen Erfahrungen der Fliegerei noch verbunden bleiben. Sagt’s und vertieft sich wieder in sein Tablet auf dem virtuellen Flug nach Valencia.

Zur Website des Flugsimulators