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Der Michael Jackson des Mittelalters

Frauenlob, der Dichterfürst, starb vor 700 Jahren. Ein Event in Mainz – und in Meißen?

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Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, ist im Codex Manesse als Dichterfürst auf dem Thron abgebildet. Er dirigiert die Musiker und Sänger. Entstanden ist das Blatt um 1330.
Heinrich von Meißen, genannt Frauenlob, ist im Codex Manesse als Dichterfürst auf dem Thron abgebildet. Er dirigiert die Musiker und Sänger. Entstanden ist das Blatt um 1330. © Repro SZ

Von Kathrin König

Mainz/Meißen. Zugegeben, der Geburtstag dieses berühmten Dichters liegt schon eine ganze Weile zurück, aber in Mainz am Rhein ist Heinrich von Meißen derzeit topaktuell. Zum 700. Todestag des Dichters, der auch „Frauenlob“ genannt wird, widmet ihm Mainz ein ganzes Gedenkjahr mit Festprogramm.

 Der Lyriker und Komponist gilt als einer der bedeutendsten Dichter mittelhochdeutscher Sprache und ist der einzige Nicht-Geistliche, der nach seinem Tod am 29. November 1318 im Kreuzgang des Mainzer Doms beigesetzt wurde. 

Das dortige Dom- und Diözesanmuseum hat Vorträge und Lesungen im Programm, Konzerte und eine Ausstellung mit Gemälden und Skulpturen rund um den Künstler. Ein eigenes Kapitel zeigt die Trivialisierung des Dichters und Minnesängers vor allem im 19. und 20. Jahrhundert.

 Dabei sind auch Einkochgläser, Waschextrakte, Bohnerwachs und eine Wäschewringe zu sehen, die alle den Namen Frauenlob tragen.

Und in Heinrichs Geburtsstadt Meißen? Zum Todestag am 29. November hatte das Hahnemannzentrum zu einem Vortrag eingeladen. Von einem Festprogramm wie am Rhein an der Elbe keine Spur? „Tja, in Meißen werden geschichtlichen Persönlichkeiten viel zu wenig in die Betrachtung der Stadt einbezogen. Er interessiert einfach zu wenige Leute in Meißen und für eine Auseinandersetzung mit ihm fehlt es an kultureller Tiefe“, bedauert Dr. Helge Landmann, der Vorsitzende der Hahnemanngesellschaft.

Heinrich Frauenlobs Werke sind in allen großen Liederhandschriften des 14. und 15. Jahrhunderts vertreten. Schon zu Lebzeiten war er berühmt für seine weltlichen Minnegesänge und Lieder zur Verehrung der Marienfigur. Viele Zeitgenossen versuchten, ihn zu imitieren. 

Mit seiner volkssprachlichen Dichtung ordnen ihn Germanisten zu den wichtigsten Lyrikern des Mittelalters. Ihm werden unter anderen 316 Spruchstrophen, mindestens sieben Minnelieder und die drei großen Prunkgedichte „Minneleich“, „Marienleich“ und „Kreuzleich“ zugeschrieben. Die beiden letztgenannten sind in Meißen 2009 im Dom und 2017 im Heilig-Kreuz-Kloster wieder uraufgeführt worden.

„Frauenlob wollte bei den Aufführungen alle Sinne ansprechen. Zu seinen Stücken mit Text und Musik wurde getanzt, sicherlich auch kostümiert. Dazu gab es sphärische Gerüche. Manche Musikstücke gleichen fast Oratorien. Damit hat er Maßstäbe gesetzt, weit über dem, was man von Alltagskünstlern damals kannte“, schwärmt Helge Landmann.

Der Mainzer Germanistik-Professor Stephan Jolie hält den Lyriker jedenfalls für „massiv unterschätzt“. Und: „Frauenlob hätte der deutsche Dante werden können“, sagte Jolie der katholischen Nachrichtenagentur KNA. Ähnlich wie der italienische Dichter Dante Alighieri (1265-1321) habe der Sachse die eigene Volkssprache literaturfähig machen wollen. Doch habe Frauenlob „nicht das historische Glück gehabt“, meint der Professor.

„Ja, bei uns in Meißen, aber auch im Wissenschaftsbereich ist Frauenlob fast vergessen“, urteilt auch Helge Landmann. Er sei zwar kein Germanist, habe sich aber mit Frauenlobs Lyrik beschäftigt. „Er war unheimlich modern und hat sich mit den universal gültigen Prinzipien der Liebe auseinandergesetzt. Im Grunde war er eine Art Michael Jackson des Mittelalters“, sagt Landmann.

Eine Kabinett-Ausstellung des Bischöflichen Dom- und Diözesanmuseum Mainz läuft unter dem Titel „Es lebt des Sängers Bild. Heinrich von Meissen, genannt Frauenlob 1318 - 2018“ noch bis zum 31. März 2019. Über die Darstellung des Dichters in der bildenden Kunst ist eine Broschüre erschienen. Weitere Informationen unter der Internetadresse www.dommuseum-mainz.de