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Der Müllberg von Zschertnitz

Vor einem Hochhaus sammelt sich seit Monaten jede Menge Sperrmüll. Wie ist das Problem zu lösen?

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© Meinig

Von Nora Domschke

Die Ratten sind noch da. Seit Monaten tummeln sich die Tiere vor dem Hochhaus in der Michelangelostraße. Zwischen alten Möbeln, Tüten mit Kleidung und Essensresten fühlen sie sich auf dem Müllplatz und dem Weg an der Räcknitzhöhe offensichtlich wohl (die SZ berichtete). Zwar ist immer wieder ein Experte vor Ort, der die Ratten mithilfe von schwarzen Boxen fangen will, gebracht hat es bislang allerdings noch nicht viel. Zumindest berichten das die 20 Bewohner, die sich vor ihrem Hochhaus versammelt haben. Das Treiben der Ratten gehe munter weiter. Die Stimmung ist angespannt.

Die Anwohner sind sauer.
Die Anwohner sind sauer. © privat

Der Ärger ist groß – und die Verantwortlichen für den Zschertnitzer Müllberg sind längst ausgemacht. Die ausländischen Mieter im Haus würden ihre Möbel einfach vor dem Haus entsorgen, Müllbeutel neben die Tonnen schmeißen, nett gemeinte Hinweise auf die richtige Entsorgung ignorieren, die anderen Mieter beschimpfen, erzählen die Bewohner aufgeregt. „Ich wurde schon als Rassist bezeichnet“, sagt ein älterer Mann, die Umstehenden nicken zustimmend. Dabei sei hier niemand ausländerfeindlich. Schon zu DDR-Zeiten hätten immer Ausländer in Zschertnitz gewohnt, vor allem Studenten. „Da gab es solche Probleme nicht. Und wenn, dann genügte ein Tipp, wie das mit dem Müll bei uns gemacht wird“, berichtet eine Mieterin, die seit 30 Jahren in dem Hochhaus lebt. Nun habe sie Angst, einen der Fremden anzusprechen. Überprüfen lassen sich die Aussagen nicht.

Die Stadt bestätigt auf SZ-Anfrage, dass der Grundstückseigentümer, der Großvermieter Vonovia, eine Rattenbekämpfung beauftragt hat. Solange aber die Müllentsorgung nicht geklärt ist, sei eine erfolgreiche Bekämpfung problematisch, teilt das Gesundheitsamt mit. 2018 sind bisher 15 Beschwerden in Bezug auf Ratten gemeldet worden. Welche Standorte das konkret betrifft, könne aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht benannt werden.

Fest steht: Ein reines Zschertnitzer Problem sind die Müllberge nicht. Es tritt wohl am häufigsten dort auf, wo viele Menschen relativ anonym in großen Wohnhäusern leben. So wie in den Dresdner Plattenbaugebieten. Erst kürzlich schickte ein SZ-Leser ein Bild von einem Müllplatz in der Vetschauer Straße in Prohlis. Sein Appell richtet sich nicht an einzelne, sondern an alle Bewohner des Stadtteils. „Rufen Sie bitte die Prohliser auf, ihren Müll dort zu entsorgen, wo er hingehört.“ Offenbar ist es tatsächlich nicht so einfach, nachzuweisen, wer Möbel, Altkleider und leere Flaschen nicht auf einen der Wertstoffhöfe oder in entsprechende Container schafft. Vonovia-Sprecherin Bettina Benner teilt mit, dass eine Überwachung von Haus und Müllplatz mit Kameras aus datenschutzrechtlichen Gründen schwierig sei. Sie soll auch nicht umgesetzt werden. Dennoch nehme Vonovia das Thema sehr ernst. So sei eine Zusammenarbeit mit den Schulen geplant, um das Thema Müll dort spielerisch einzuführen. Das habe an anderen Standorten Wirkung gezeigt. „Wir haben alle ein gemeinsames Interesse, dass unsere Quartiere sauber und gepflegt sind.“

Die Zschertnitzer wollen das nicht so recht glauben. „Warum hängt denn der Hinweis für die richtige Entsorgung nur in arabischer Sprache im Haus aus“, fragt Stefan Launitz, seit 20 Jahren Mieter im Hochhaus. Viele der Bewohner würden andere Sprachen sprechen. Das Amt für Stadtgrün und Abfallwirtschaft teilt mit, dass der Vonovia – unabhängig vom konkreten Fall in Zschertnitz – ein entsprechender Flyer in 13 Sprachen, darunter Russisch, Vietnamesisch, aber auch Persisch und Tigrinya zur Verfügung gestellt wurde. In dem Faltblatt wird unter anderem erklärt, was in welche Tonne am Wohnhaus gehört, was in einem Wertstoffcontainer und was auf dem Wertstoffhof entsorgt werden muss. Damit arbeiten auch die verschiedenen Vereine und Verbände, die sich in Dresden um Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge kümmern. Wie der Caritasverband, der Asylbewerber in Prohlis betreut. Schon im Erstgespräch gebe es eine Beratung über Mülltrennung und -entsorgung, teilt Regionalkoordinatorin Annemarie Weigl mit. Größere Probleme werden bei einem Hausbesuch angesprochen. Gehen Hinweise von Anwohnern ein, werden auch dann die Familien unverzüglich aufgesucht und aufgefordert, den Müll ordnungsgemäß zu entsorgen. Ein flächendeckendes Problem sei das nicht, oft liege die Ursache auch darin, dass zu wenige Schlüssel für die Mülltonnen zur Verfügung gestellt werden. „Außerdem gibt es leider Personen, die den Belehrungen nicht Folge leisten“, schreibt dazu ein Stadtsprecher.

Für Zschertnitz ist der Ausländerrat Dresden zuständig. In dem Hochhaus an der Michelangelostraße leben nur Flüchtlinge, die ihre Wohnung selbst gemietet haben, also anerkannt sind. „Zuweisungen oder Belegungen durch die Stadt erfolgen nicht“, teilt Vonovia-Sprecherin Benner mit. Im Ausländerrat ist das Problem mit dem Müll bekannt, nicht nur in Zschertnitz, auch in einem anderen Stadtteil sei das Thema und man suche nach Lösungen. Grundsätzlich sei das aber Aufgabe des Vermieters. Dennoch wollen sich die Regionalkoordinatorinnen nun darum kümmern.