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Der neue Kantor

Die Friedenskirche hat einen neuen musikalischen Leiter – der gleich mit dem Königsstück im Gotteshaus startet.

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© Matthias Schumann

Von Peter Redlich

Radebeul. „Jauchzet, frohlocket“ – die vom Chor und den himmlischen Trompeten in den Kirchenhimmel gesungenen und posaunten Klänge des Weihnachtsoratoriums sind der Höhepunkt des Kirchenjahres. Auch in der Friedenskirche von Radebeul. Am dritten Advent treffen sich die gut drei Dutzend Sänger im Pfarrhaus, um sich für Johann Sebastian Bachs einzigartiges und anspruchsvolles Musikstück einzusingen.

Peter Kubath während der Generalprobe für Bachs Weihnachtsoratorium.
Peter Kubath während der Generalprobe für Bachs Weihnachtsoratorium. © Matthias Schumann

Karlheinz Kaiser leitet das Einsingen. Groß, stimmgewaltig begleitet er die Radebeuler beim Lockern der Stimmbänder. Kaiser ist ihnen allen vertraut. Die zurückliegenden Jahrzehnte hat er als Kantor das musikalische Leben der Friedenskirchgemeinde und ihrer Chöre und Musiker zielstrebig und einfühlsam geführt. Doch Karlheinz Kaiser ist eigentlich im Ruhestand. Ein neuer Kantor ist für die Friedenskirche gewählt. Einstimmig fiel im Sommer die Wahl auf Peter Kubath. Er wird erstmalig das 2017er Weihnachtsoratorium im Gotteshaus am Ostende des Angers leiten.

Es ist kurz nach 13 Uhr. Drei Stunden später werden die Kirchenbänke voll besetzt sein. Wer in Radebeul gute Musik liebt, selbst im Chor singt, sein Kind dort hat oder einfach nur eine besonders schöne Einstimmung aufs Fest haben will, der gönnt sich das „Jauchzet, frohlocket“ an diesem Adventssonntag.

Die Sänger wechseln vom Pfarrhaus in die Kirche. Dort probt Peter Kubath bereits mit den Solisten und Musikern. Kurze Pause. Die Aufforderung, sich aufzustellen. Kaiser steht neben dem Neuen. Der eine so groß wie der andere samt Podest. Doch jetzt hat der Jüngere den Taktstock in der Hand. Wie fest, das will er heute zeigen – die Königsdisziplin steht an.

Kantor in der Kirche setzt einiges voraus. Peter Kubath hat Kirchenmusik in Halle studiert und mit Diplom abgeschlossen. Er spielt Klavier, Orgel, Cembalo. Und, der inzwischen 43-Jährige kommt aus einer berühmten Kirchengemeinde. 17 Jahre war die Brüdergemeine in Herrnhut seine musikalische Heimstatt. Deutschland- und europaweit durfte er dort agieren.

Den Jahresmusikplan der Kirche aufstellen und ausfüllen, Chöre anleiten, Veranstaltungen organisieren, Musik zu speziellen Anlässen komponieren, das sind die wesentlichen Aufgaben eines Kantors. Immer mindestens eine Sechs-Tage-Woche, sagt Kubath. Er hatte einen Tipp bekommen, dass die Friedenskirche die Kantorenstelle ausschreibt. Im vorigen Jahr war er schon hier, inkognito, hat geschaut, ob das passen könnte. Radebeul kannte der aus Lübben im Spreewald Stammende nur als Kind. „Ich war mal im Karl-May-Museum.“

„Ich hätte gern ein G und ein Cis. Bitte noch die Scheinwerfer anschalten.“ Klar und bestimmt leitet der schlanke Mann im dunkelgrauen Anzug, Schlips, schwarz-weißer Designerbrille und Musketierbärtchen die Generalprobe fürs Oratorium. Er lässt einzelne Abschnitte wiederholen, korrigiert die Streicher geringfügig, lobt für einen Einfall zur Interpretation, auf den er selbst nicht gekommen ist, aber gut findet.

Der Chor setzt ein. „Jauchzet, frohlocket“ – die Friedenskirche ist ausgefüllt von herrlicher Musik. Ein Lächeln huscht über Kubaths Gesicht. Er ist angespannt. Nach nicht mal einem halben Jahr werden sich an diesem Nachmittag nicht nur die Leute der Gemeinde, auch viele Radebeuler erstmals ein Bild von dem Neuen machen.

Die Arbeit des Kantors auch in normalen Wochen ist ambitioniert. Anfang September gleich die D-Dur-Messe von Dvorák, Ende September Carmina Burana, im November das Mozart-Requiem – und jetzt Bach. Einmal im Monat ist Familienkirche. 200 Mütter und Väter kommen da mit ihren Kindern. Eine Geschichte, musikalisch begleitet, wird dabei gespielt. Mit neuer Musik. Pfarrer Björn Fischer hat getextet, Peter Kubath komponiert. Partiturstudium, Krippen- und Singspiele vorbereiten. Sechs Chöre hat die Friedenskirchgemeinde, vom Grundschulkind bis hochbetagt.

Es ist halb vier am dritten Adventssonntag. Am Anger sind die Lichter auf dem Weihnachtsmarkt angezündet. Die Kirche ist geheizt. Die Sänger im Chor haben rote Bäckchen und sehnen das Heben des Taktstockes von Peter Kubath zum Weihnachtsoratorium herbei. Die Bankreihen füllen sich. Erwartung in den Gesichtern.

Dann ist es soweit. Das „Jauchzet, frohlocket“ erfüllt den Raum und ergreift die Herzen. Jeder gibt sein Bestes. Nach gut anderthalb Stunden bekommen die Musiker, der Chor und Peter Kubath lange Applaus. Der Neue ist angekommen in der Friedenskirche, in Radebeul.