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Der neue Ritter von Eckersdorf

Lutz Hühne will ein altes ehemaliges Rittergut am Rand von Freital vor dem Verfall retten – eine Lebensaufgabe.

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© Andreas Weihs

Von Tobias Winzer

Freital. Wer zu Lutz Hühne will, braucht zwei Grundeigenschaften: etwas Ortskenntnis und eine schnelle Auffassungsgabe. Die erste Eigenschaft ist nötig, weil das ehemalige Rittergut Eckersdorf, dessen Chef Lutz Hühne ist, zwar in Freital, aber doch verborgen liegt. Kein Schild weist darauf hin, dass es bergauf auf der Rabenauer Straße fahrend kurz vor der Rollmopsschänke rechts ab geht und dann etwa 200 Meter einen holprigen Feldweg entlang. Die zweite Eigenschaft hängt mit dem Tagespensum von Hühne zusammen. Der 48-Jährige hat so viel zu tun, dass er seine Gedanken in schnellen Sätzen formuliert. Gar nicht so leicht, ihm zu folgen.

Hühnes Tag beginnt meist gegen 7 Uhr und endet oft erst gegen 20 Uhr. Der Mann, der Zootechniker gelernt, dann einen Meister in Tierwirtschaft gemacht hat und lange Jahre im Gut Pesterwitz arbeitete, hat das Rittergut vor sieben Jahren von dem Eigentümer, der Wurgwitzer Jungrinderaufzucht, gepachtet.

Seit dem vergangenen Jahr ist Hühne Eigentümer eines Teils des Hofes, dem ehemaligen Herrenhaus, und Eigentümer von einem Viertel des riesigen Grundstücks – insgesamt so groß wie 57 Fußballfelder. Der Rest des Guts ist noch gepachtet. „Das war ein ganz wichtiger Schritt für uns“, sagt er. „Das stellt den Betrieb für die Zukunft sicher.“ Langfristig gesehen wolle er das Rittergut komplett übernehmen.

Denn das Konzept, mit dem Hühne 2011 angetreten ist, scheint aufzugehen. Er betreibt das Gut als Pferdehof. Pferdebesitzer aus Dresden, Freital, Rabenau und anderen Städten mieten eine der 30 Boxen für 280 Euro im Monat und können ihre Tiere dort unterbringen. Hühne kümmert sich um die Pflege der Pferde und um das Futter. Tagsüber bekommen die Tiere Auslauf auf dem Land des Gutes. Bereits zweieinhalb Jahre nach dem Start waren die Boxen vergeben, sagt Hühne. „Und das, obwohl wir null Werbung machen. Das spricht sich per Mund-zu-Mund-Propaganda herum.“

Die Einnahmen wiederum kann das Ein-Mann-Unternehmen Hühne, das von einer Pauschalkraft und pferdeliebenden Ferienkindern unterstützt wird, verwenden, um das Rittergut Stück für Stück auf Vordermann zu bringen. „Es geht darum, das Alte zu ehren und zu bewahren.“

Denn bei dem denkmalgeschützten Gut handelt es sich um ein bedeutendes Zeugnis der Freitaler Historie. Im 17. Jahrhundert erstmals erwähnt, gehörte es ursprünglich zur Burgherrschaft Rabenau. Die Besitzer waren über viele Jahre Adlige und hörten auf so klangvolle Namen wie Heinrich von Rehnen, Johanna von Gersdorf oder Hans Wolfen von Schönberg. Es war das Zentrum des einst eigenständigen Ortes Eckersdorf. Erst 1913 wurde er nach Coßmannsdorf eingemeindet. Coßmannsdorf wiederum wurde 1933 nach Hainsberg eingemeindet, das sich 1964 Freital als Stadtteil anschloss.

„Der Zustand war katastrophal“

Das Rittergut verkam über die Jahre immer mehr. Bevor Hühne es übernahm, wurde es für die Landwirtschaft genutzt. In einigen Ställen standen Rinder.

„Der Zustand war katastrophal“, sagt Hühne. Containerweise Müll schaffte er aus den Gebäuden, die neben dem Herrenhaus das Gesindehaus, die Scheune und ein weiteres Lager umfassen. „Ich dachte ja auch, dass man in einem alten Rittergut wertvolle Dinge finden müsste, wie Urkunden oder Münzen. Aber das war leider nicht der Fall“, sagt Hühne und lacht. Manche Passanten erzählen ihm von einem unterirdischen Gang, der früher vom Rittergut zur Rabenauer Burg geführt haben soll. „Auch den habe ich aber noch nicht entdeckt.“

Hühne befasst sich lieber mit dem Hier und Jetzt – und mit der Zukunft des Guts. In den vergangenen Jahren war er vor allem damit beschäftigt, „praktische Sachen“ zu machen, wie er sagt. Neue Elektroleitungen mussten gelegt, eine Kläranlage gebaut und ein neues Lager errichtet werden. Von außen sehen die Gebäude zwar noch immer nicht besonders ansehnlich aus, aber sie sind vor dem weiteren Verfall geschützt und erfüllen ihren Zweck. „Das ist hier wie eine Zeitreise“, sagt Hühne, der die schrittweise Sanierung als „langen, steinigen Weg“ bezeichnet. „Dass hier über Jahre nichts gemacht worden ist, ist nicht einfach aufzuholen.“

Aber Hühne hat einen Plan. Im ersten Geschoss des Gesellenhauses ist nun gerade eine Wohngemeinschaft mit vier Zimmern fertig geworden. Sie soll demnächst vermietet werden. Im Herrenhaus, in dem derzeit noch zwei ofenbeheizte Wohnungen vermietet sind, sollen insgesamt fünf moderne Wohnungen entstehen.

Mit den Mieteinnahmen kann das Gut am Laufen gehalten werden. „Lieber gestern als heute“, so sagt es Hühne, wäre er mit den Wohnungen fertig. Der Gutsherr kann aber noch nicht sagen, wann sie bezogen werden können. „Es geht nur Stück für Stück.“

Lutz Hühne hat sich damit abgefunden, dass die Sanierung des Ritterguts wohl eine Lebensaufgabe für ihn wird – wenn es denn reicht. „Wenn wir hundert Jahre alt werden, dann könnten wir es vielleicht schaffen.“