Merken

Der Öko-Jung-Bauer

Vor drei Jahren gründete Ignaz Wessela in Crostwitz einen Landwirtschaftsbetrieb. Mit unglaublich viel Energie. Und Ernüchterung.

Teilen
Folgen
© René Plaul

Von Manuela Paul

Crostwitz. Ignaz Wessela sitzt im Wohnzimmer am antiken Holztisch, auf dem ein bunter Blumenstrauß steht. Möbel aus Großmutters Zeiten dominieren den Raum. Dem 23-Jährigen gefällt’s. Der hochgewachsene, schlanke Sorbe mit rötlich schimmernden Haaren und Kinnbart, der seit diesem Jahr auch als Hochzeitsbitter unterwegs ist, tickt anders als viele Gleichaltrige. Landwirt sei schließlich auch kein Beruf wie jeder andere, sagt er. Bio-Landwirt erst recht nicht. Für ihn ist es die Erfüllung. Damit will er später mal eine eigene große Familie ernähren. „Ich bin absoluter Familienmensch.“

In seinem jungen Ökolandbaubetrieb mit bislang 55 Hektar Land und modernem Fahrzeugpark steckt unglaublich viel Arbeit, Energie und Herzblut. Aber auch einige Enttäuschungen. Zum Beispiel wollte er, als er 18 Jahre war, sofort Land pachten. Das ging gründlich schief. Die Leute trauten ihm nicht zu, dass er die Pacht auch erwirtschaften kann, erzählt er.

Der Weg in die Selbstständigkeit war steinig. Und er hat ihn geerdet. Die Naivität, mit der er startete, ist längst verflogen. Inzwischen weiß der Crostwitzer Jungbauer: „Landwirtschaft ist ein total langwieriges Geschäft.“ Im ersten Jahr produzierte er nur Kosten. Denn Geld gibt’s erst nach der Ernte. Trotzdem würde er sich immer wieder für einen eigenen Bio-Hof entscheiden. So überzeugt ist er von seiner Idee. So fest glaubt er an sie. Und er hat recht. Inzwischen stellen sich die Erfolge ein.

Die Erfolge seiner Arbeit kann jeder sehen. Sein Körnermais beispielsweise steht wahnsinnig gut im Saft. Er sieht sogar einen Tick kräftiger aus, als der aus konventionellem Anbau, der unmittelbar daneben auf dem Nachbarfeld wächst. Und nein! Von den Pflanzenschutzmitteln gelangt nichts hinüber auf seinen Acker. Zum einen sei eine Unkrautschneise dazwischen. Zum anderen funktioniere die moderne Spritztechnik präzise und zielgenau, erklärt Ignaz Wessela. Statt Chemie kommen bei ihm Technik und eine ausgewogene Fruchtfolge zum Einsatz. Dem Unkraut rückt er mit dem sogenannten Striegel zu Leibe. Einem Gerät im Wert eines Kleinwagens, das wie ein Rechen Unkräuter aus der Erde kratzt.

Dass Bio nicht unbedingt reich macht, weiß der Jungbauer. Man brauche jede Menge Einsatz, einen langen Atem, müsse bürokratische Hürden nehmen und alles dann auch kontrollieren lassen. Aber gesunde Lebensmittel und nachhaltiges Wirtschaften seien die Anstrengungen allemal wert. Deshalb nimmt der Crostwitzer all die Herausforderungen auch in Kauf. Denn er liebt es, Qualität zu verkaufen. Für Lebensmittel sei das zudem besonders wichtig. Beim Internationalen Folklorefestival gab es auf seinem Hof Plinsen aus seinem Bio-Dinkelmehl. Dazu holte er sich einen Winzer, der ökologische Spitzenweine anbot. Und sein Vater schlachtete ein selbst aufgezogenes Schwein. „Bei solchen Aktionen bleibt zwar nicht so viel hängen, wie bei anderen. Aber es macht unglaublich Freude.“

Die Leidenschaft für Landwirtschaft übernahm der Jungbauer vom Vater – ebenfalls ein Bio-Bauer mit ein paar Hektar Land, zehn Schweinen und ein paar Mutterkühen. Tiere hat der 23-Jährige in seinem Betrieb noch nicht. Das kommt später. Zunächst will er seinen Betrieb erweitern. Neue Flächen pachten. Zu groß darf ein Landwirtschaftsbetrieb nicht sein. Da verzettele man sich leicht. Zu klein aber auch nicht. Denn da fehle das Geld, um zu investieren. „So etwa 200 Hektar sind eine gesunde Größe“, erklärt er.

Momentan bewirtschaftet der Jungbauer auch Land von der Gemeinde Nebelschütz. Die Kommune bekommt von ihm nicht nur die Pacht, sondern auch aufgewerteten Boden. „Denn ein Bio-Bauer arbeite mit der Natur, nicht gegen sie.“ Chemie ist deshalb tabu. Dafür wird der Boden ständig mit organischer Masse aufgewertet und belebt, erklärt der 23-Jährige. Schließlich sei die Gesundheit des Bodens das Kapital des Landwirtes.

Ignatz Wessela investiert auch in professionelle, moderne Technik. Unter anderem, um unabhängig zu sein. Sein Schlepper zum Beispiel ist besonders leicht, um Bodendruck zu vermindern. Herkömmliche wiegen durchschnittlich zwei- bis dreimal so viel. „Einige Hochwasserprobleme rühren auch daher, weil der Boden unglaublich verdichtet und damit kaum aufnahmefähig für Wasser ist.“

Und der Crostwitzer steckte viel Geld in eine gute Ausbildung. Zunächst begann er ein ganzjähriges Studium in Nordrhein-Westfalen. „Das war ein finanzielles Desaster“, erinnert sich der 23-Jährige. Denn, während er auf der Schulbank saß, konnte der selbstständige Bauer nichts erwirtschaften, und Bafög bekam er auch nicht. Nach dem abgeschlossenen Wirtschafterjahr wechselte er an eine ökologische Meisterschule in Bayern. „Die war immer im Winter.“ Im Sommer hatte er Gelegenheit, so viel zu arbeiten, dass er sich die Schule im Winter leisten konnte.

In seiner Meisterschule erzielte er in der Prüfung zum Ausbilder die besten Ergebnisse. Darauf ist der Landwirtschaftsmeister stolz. Kein Wunder. Er möchte später auch Lehrlinge ausbilden. Schließlich will der Familienmensch seinen noch nicht geborenen Kindern mal einen florierenden Betrieb übergeben.