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Der Professor und die Hardcore-Pegidianer

Politikwissenschaftler Werner Patzelt hat erneut die Pegida-Demonstranten befragen lassen. Übrig ist der harte Kern, der deutlich rechts steht.

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© Robert Michael

Von Heinrich Maria Löbbers

Im Grunde genommen, meint Werner Patzelt, habe das Land bei Pegida Glück gehabt. Nämlich damit, „dass es eine so schwache und unansehnliche Führungsfigur“ gab. „Stellen Sie sich vor, das wäre nicht Herr Bachmann gewesen, sondern so jemand wie die AfD-Chefin Frauke Petry.“ So aber sei die Protestbewegung mittlerweile am Ende, sagt der Dresdner Politikwissenschaftler, der bisweilen als Pegida-Versteher gescholten wird. Der Vulkan, der da vor einigen Monaten ausbrach, werde wohl bald verlöschen. „Bachmann hat die politische Power von Pegida ins Nirwana geführt“, sagt Patzelt. Etwa dadurch, dass er Leute aufs Podium geholt habe, „die weder intellektuell noch rhetorisch die Fähigkeiten haben, um sie halbwegs ernst zu nehmen..“

Von einst über 20 000 sind es nun immer wieder montags noch circa 3  000. Der harte Kern, ausgegrenzt und nicht für Argumente zugänglich. Der Ton sei rüder und polemischer geworden. „Übrig geblieben sind die Hardcore-Pegidianer, die Neugierigen sind nicht mehr da“, so Patzelt. Die Demonstrationen hätten mittlerweile eher Familientreffencharakter; wie im Bierzelt gehe es darum, sich kollektiv zu empören.

Zum zweiten Mal hat Patzelt seine Politikstudenten für eine Pegida-Studie auf die Straße geschickt. Sie haben im April 568 und im Mai 1124 Demonstranten angesprochen. Davon waren 271 beziehungsweise 434 zum Interview bereit, weniger als die Hälfte. Trotzdem sei dies eine repräsentative Stichprobe, betont der Professor.

Drei Viertel der Demonstranten sind männlich, im Durchschnitt sind sie 50 Jahre alt, meist verheiratet, konfessionslos, gut ausgebildet, aber mit oft unterdurchschnittlichem Verdienst. Die meisten stufen sich politisch „in der Mitte“ ein, 28 Prozent als „eher rechts“, 4,2 Prozent „ganz rechts“. Wobei zu fragen wäre, was ein Pegidianer unter „rechts“ versteht. Immerhin fänden es 56,7 Prozent gut, wenn an den Demos keine Rechtsradikalen teilnähmen. Zehn Prozent jedoch fänden das nicht gut. Über die Hälfte der Befragten würde AfD wählen, mit 8,7 Prozent ist die NPD die zweitbeliebteste Partei, 31,9 Prozent indes sind Nichtwähler, im Januar waren es noch 22,4 Prozent. Ein klares Zeichen, dass sich viele von der Politik, ebenso wie von den Medien, nicht vertreten fühlen. Patzelt nennt das die „Repräsentationslücke“.

Der größte Teil hat Probleme mit Ausländern, ist aber nicht unbedingt demokratiefeindlich oder rassistisch, sondern hat Probleme mit der realexistierenden Demokratie und mit der Zahl der Ausländer im Land. Ein Drittel ist sogar eher aufgeschlossen gegenüber Flüchtlingen, sorgt sich aber um die Politik, fast jeder Fünfte indes ist rechtsradikal und sogar gewaltbereit.

Deutlich unterscheidet Patzelt zwischen „Straßenpegida“ und „Facebook-Pegida“. „Im Internet zeigt sich vor allem der hässliche Pegidianer, den viele Gegner für das Ganze halten, was zu falschen Einschätzungen des Phänomens führt.“

Der Professor attestiert „erhebliche Kommunikationsstörungen“ zwischen Pegida und dem Rest der Gesellschaft und fragt skeptisch: „Ist das zum Besten der Demokratie?“ Die Enttäuschten und Ausgegrenzten seien anfällig für Rechtspopulisten. Viele kämen nicht zurecht mit den Veränderungen des Landes hin zu einer Einwanderungsgesellschaft. Auf deren Ängste und Sorgen müsse die Politik in einem offenen Diskurs eingehen, auch wenn Pegida nun am Ende sei. Patzelt: „Wenn ein Symptom verschwindet, ist die Krankheit noch lange nicht beseitigt.“

Die ganze Studie unter sz-link.de/pegidastudie