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Der Puff im Nachbarhaus

Mitten in einer Siedlung wird in Bautzen ein Bordell betrieben. Die Behörden ermitteln, die Nachbarn sind sauer. Der Vermieter findet’s ganz normal.

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Von Christoph Scharf

In Altrattwitz war die Welt bis vor Kurzem in Ordnung. Akkurat geschnittene Rasenfläche, gepflegte Blumenbeete, gestutzte Hecken. Kinder fahren auf Bobbycars über die Sackgasse, in manchen Haustüren bleibt tagsüber der Schlüsselbund stecken. Kein Wunder – eigentlich kommt in der Bautzener Siedlung kein Ortsfremder entlang.

Bis zu zehn Kunden pro Tag

Doch seit zwei Monaten ist die Idylle gestört. Seitdem herrscht in einem hellblauen Einfamilienhaus reger Betrieb, wie die Nachbarn registrierten. „Dass täglich zehn Autos mit einzelnen Männern angefahren kommen, ist keine Seltenheit“, sagt ein Nachbar. Zunächst vermuteten die Leute nichts Schlimmes. Schließlich kennt man den Hausbesitzer seit Jahren. „Am Anfang dachten wir, das sind Handwerker, die was vorrichten.“ Doch die Besuche hörten nicht auf. Und andere Nachbarn wunderten sich, dass die Jalousien runter gingen, wenn Gäste kamen –und nach der Abfahrt wieder hoch.

Als ein Familienvater den Hausbesitzer auf den offenkundigen Bordellbetrieb ansprach, reagierte der gereizt: Er solle sich nicht so haben, das sei doch was ganz Normales. Doch das ist es in Bautzen eben nicht. Weil die Kreisstadt weniger als 50.000 Einwohner hat, ist die Prostitution im ganzen Stadtgebiet laut einer Verordnung des Freistaats verboten, teilt Matthias Almert vom Ordnungsamt mit. Bei ihm ging bereits eine Anzeige zum Bordell in Altrattwitz ein, die er an den Kreis weiterleitete.

Dort schaltete man die Polizei ein. Sie soll ermitteln, was hinter dem Puff steckt. Handelt es sich nur um eine einzelne Frau, die auf eigene Rechnung sexuelle Gefälligkeiten anbietet, bleibt es wohl bei einer Ordnungswidrigkeit samt Bußgeld. Steckt jedoch ein organisiertes Geschäft dahinter, bei dem die Prostituierten womöglich ausgebeutet werden, kommt auch eine Straftat in Betracht – wofür Gefängnis droht. Seit Wochen ist die Polizei dabei, die Hintergründe des Bordells in Altrattwitz zu ermitteln.

Laut Bautzens Polizeichef Frank Wobst gestaltet sich das allerdings nicht ganz einfach. „Weder Freier noch Prostituierte sagen gerne als Zeugen aus.“ An Hinweisen jedenfalls fehlt es nicht. Die Nachbarn haben bereits vor Wochen begonnen, die Autos samt Nummernschildern zu fotografieren, deren Fahrer offenkundig die eindeutigen Angebote nutzen. Beworben werden die mit Anzeigen in Bautzener Wochenblättern (siehe Foto). Ruft man dort an, lotst einen eine freundliche Frauenstimme bis nach Altrattwitz. „Ich bin täglich 8 bis 20 Uhr da, außer sonntags.“ Von der SZ auf die Vorwürfe angesprochen, reagiert der 42-jährige Hausbesitzer unwirsch. „Ich hab mein Haus an meine Freundin vermietet. Die betreibt noch mehr solche Häuser.“ Er selbst wohnt mittlerweile im Wohnwagen neben dem Puff – und hat die Kunden gebeten, wenigstens nicht auf den Nachbargrundstücken zu parken.