Von Marcus Herrmann
Nossen. Ob Martina Lantzsch sich die ersten beiden Rentenjahre mit ihrem Mann Christian so vorgestellt hatte? Im April 2015 beendete der heute 70-Jährige seine langjährige Tätigkeit als anerkannter Tierarzt in Nossen und Umgebung. Hier kennt jeder das Tiergesundheitszentrum. 1999 hatten Martina und Christian es als Tierklinik für Pferde und Kleintiere gegründet. Die neue Freizeit nutzte der gebürtige Wolkauer aber nicht etwa für Müßiggang, ausgedehnte Reisen oder sonstige Entspannung nach einem langen Arbeitsleben.
„Nein, ich habe mich lieber Hals über Kopf in ein Projekt gestürzt, dass mir sehr am Herzen liegt“, sagt der Unruheständler. Das Ergebnis seiner bereits vor vier Jahren begonnenen und mit dem Eintritt in die Rente auf tägliche Fleißarbeit gesteigerten Recherche- und Schreibarbeit liegt seit Kurzem in tausendfacher Auflage bei ihm zu Hause: ein zweibändiges, 952 Seiten starkes Werk mit dem Titel „Die Lommatzscher Pflege – gestern und heute“. In zehn Kapiteln erzählen darin nicht nur Lantzsch selbst, sondern 140 weitere Autoren über die vergangenen 500 Jahre einer Landschaft, über ihre Geschichte und ihre Menschen.
In seiner Fülle hat das Buch das Potenzial zum Standartwerk. Es ist angereichert mit Erinnerungen von Zeitzeugen, wissenschaftlichen Berichten arrivierter Autoren zu Landwirtschaftsbetrieben und Infrastruktur als auch vielen historischen und zeitgenössischen Bildern. „Ich wollte ein Buch herausbringen, dass nicht einzelne Persönlichkeiten und ihre Verdienste unterstreicht, sondern eine Vorstellung von den Betrieben und den Menschen, die für sie arbeiteten, zwischen gestern und heute vermittelt“, erklärt Christian Lantzsch seinen Ansatz.
Zusammen mit anderen Mitstreitern wie Helmut Beeger oder Frank Uhlemann habe er schon seit einigen Jahren ein größeres Buch über die Dörfer der Lommatzscher Pflege und die Geschichte ihrer Bewohner publizieren wollen. Doch ein Gemeinschaftswerk über 500 Jahre Lommatzscher Pflege kam aus unterschiedlichen Gründen nicht so zustande, wie Lantzsch es sich ausmalte.
Also verfolgte er, kaum in die Rente eingetreten, seine Vorstellungen alleine – immer verbunden mit dem Wunsch noch in eben diesem 500. Jubiläumsjahr ein Nachschlagewerk über die Hügellandschaft in Mittelsachsen vorweisen zu können.
Jeder Autor auf der eigenen Couch
„Dafür war ich auch bereit, jeden Tag der letzten zweieinhalb Jahre an dem Projekt zu arbeiten, Archive zu durchstöbern, viel unterwegs zu sein und in ständigem Austausch mit den anderen Autoren zu stehen“, so der Nossener. Und er ist auch bereit gewesen, viel Geld für die 1 000 zweibändigen Bücher auszugeben. Denn die Herausgabe im selbst gewählten Verlag kostete Lantzsch viel. Deutlich über 10 000 Euro auf jeden Fall, so berichtet er selbst.
Um die Kosten wieder rein zu holen, müsste er mehr 200 Exemplare verkaufen. Die beiden Bände zusammen kosten knapp 49 Euro. Um das Finanzielle geht es dem Herausgeber aber sicher nicht.
Die Bücher seien eine Herzensangelegenheit, so Lantzsch. Dafür hat er Unmengen Zeit investiert, Nachschlagewerke gewälzt, Quellen gesichtet und überprüft, Bilder und Artikel eingescannt.
„Und jeder der Autoren, die Beiträge verfasst haben, saß hier bei mir zu Hause auf der Couch. Ich wollte aus erster Hand wissen, was ich unbedingt übernehmen muss und wo die Schwerpunkte liegen“, erzählt Christian Lantzsch. Letztlich seien die umfangreichsten Kapitel die über die Landwirtschaft und den Ackerbau, aber auch die Geschichte und Gegenwart der Tierhaltung in der Lommatzscher Pflege geworden.
Dass sich dafür auch seine Frau Martina schnell begeistern konnte, zeigt ihre Unterstützung für das Projekt. „Sie hat mir vor allem organisatorisch geholfen. Gerade bei so langwierigen Aufgaben, wie dem Anlegen eines ordnungsgemäßen Literatur- und Bildverzeichnisses, hat sie einen wichtigen Teil beigetragen. Ohne sie wäre es in diesem Jahr nichts mehr geworden“, äußert sich Lantzsch lobend über seine gleichaltrige Gattin. Damit blieb dem Tierexperten ausreichend Zeit, auch selbst zu schreiben. An knapp der Hälfte aller Beiträge des Buches habe er mitgeschrieben.
Nach der intensiven Recherche glaubt er an eine gute Zukunft der Lommatzscher Pflege. „Die Region hat sich in den letzten Jahren wirtschaftlich erholt und viel Potenzial. Das erkennen auch immer mehr junge Leute“, sagt der Enthusiast, der auch jetzt nicht wirklich ruhiger tritt. Mitte Dezember beginnt er mit mehreren Buchvorstellungen/Lesungen in Nossen, Döbeln, Meißen, Lommatzsch und anderen Orten.
Termine zu Lesungen sowie Informationen zum Buch und Bestellungen unter: [email protected] oder Tel. 035241 68686 bzw. 0172 3404116