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Der Schenker

Senior Günther Reinhold macht gern fremden Menschen eine Freude. Ganz besonders in der Weihnachtszeit.

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© Claudia Hübschmann

Von Peter Anderson

Meißen. Ja, wo wohnt er denn nun, der frühere Elektromeister? Am Klingelschild der herrschaftlichen Villa auf der Dresdner Straße, fast am Ende der Stadt in Spaar ist sein Name nicht zu finden. Eine Drehung um 90 Grad wird nötig. Im Hinterhaus, vielleicht auch der früheren Remise, lebt Günther Reinhold – der Schenker oder Wichtel-Rentner von Meißen.

Die Kaffeezeit ist gerade vorüber. Schnell ist der 80-Jährige an der Tür. Auf dem karierten Hemd trägt er eine dunkle Strickjacke. Zwei muntere Augen blicken aus einem offenen Gesicht. So stellt man sich einen gemütlichen und doch fitten Opa vor. Über eine schmale Treppe geht es hinauf in die Küche, die gleichzeitig durch einen großen Schreibtisch als Arbeitszimmer kenntlich wird.

Auf dem großen Computerbildschirm hat Günther Reinhold soeben die Internetseite der Volkssolidarität Elbtalkreis Meißen aufgerufen. Mit dem Wohlfahrtsverband fing alles an. Durch Zufall hörte der Senior davon, dass in Weinböhla ein Spielzeuggeschäft seine Pforten schloss. Da begann es, in ihm zu arbeiten. Wäre der Ausverkauf nicht eine prima Gelegenheit, in der Weihnachtszeit ein paar Kindergartenkindern in der Gemeinde eine Freude zu machen? Kaum ausgedacht, schon umgesetzt. Günther Reinhold griff zum Telefonhörer und versetzte der Leiterin Volkssolidaritätskita Weinbergwichtel erst einmal einen Schock. Er wolle für 250 Euro Spielzeug einkaufen und dieses an die Kita übergeben, sagte er. Warum? Einfach so.

Der 80-Jährige kann sich ein schelmisches Lächeln nicht verkneifen. Ein bisschen sieht er in diesem Moment aus wie ein kleiner Lausbub, der sich über einen erfolgreichen Schelmenstreich freut. Mit zwei Bollerwagen seien die Weinböhlaer Weinbergwichtel zum Spielzeugladen gezogen und hätten sich ausgesucht, wonach ihnen der Sinn stand.

Vielleicht macht schenken süchtig? Ostern gab es jedenfalls gleich noch einmal 180 Euro für die Weinbergwichtel. „Ich habe eine gute Rente und lebe sparsam“, sagt Günther Reinhold. Er rauche nicht und trinke nicht. Kinder und Enkel bekämen etwas, doch trotzdem blieben immer ein paar Euro übrig. So auch in diesem Jahr. Erneut sollte es 2016 ein Kindergarten der Volkssolidarität sein, beschloss der Handwerker. Die Frauen seien so nett und möglicherweise erinnert ihn der Verband ja auch daran, dass in der DDR nicht alles schlecht und verdammenswürdig war.

Nach den Weinbergwichteln kamen also dieses Jahr die Plossenkäfer zum Zuge. „Ich musste die freundlichen Frauen dort ein bisschen drängen, nicht zu bescheiden zu sein“, sagt der Senior. Schließlich hätten sie sich für zwei Puppenwagen entschieden, die mittlerweile voll im Einsatz sind. „Bei einem Puppenwagen – da hätte es doch nur Streit gegeben“, sagt er und zwinkert mit seinen lebhaften Augen.

Schenken scheint ein Thema zu sein, das sich offenbar nicht nur auf materieller Ebene durch das Leben des früheren Elektromeisters zieht. Mit dem Computer zeigt er sich besser vertraut als manch jugendlicher Freak. „Ich hatte schon in der DDR einen der ersten Rechner, die es damals gab“, sagt er. Von der Seite Volkssolidarität ist Günther Reinhold am Bildschirm mittlerweile zu einer virtuellen Karte gewechselt, die die Standorte von Geocaches – also Verstecken für eine digitale Schnitzeljagd – in Meißen und Umgebung zeigt. Die grün eingefärbten Punkte hat er selbst versteckt, um den Suchern eine Freude zu machen, sie zu überraschen und an interessante Orte zu führen. Ein nächster Klick, jetzt werden Smileys sichtbar. Das sind die Geocaches, die Reinhold selbst gefunden hat. Was für ein Geschenk.