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Der Schlaganfall verliert seinen Schrecken

Wie Logopäden dafür sorgen, dass immer weniger Schlaganfälle tödlich enden. Und warum eine spezielle Ausbildung am Helios Klinikum Pirna dabei eine wichtige Rolle spielt.

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Chefärztin Dr. med. Carolin Höhlig ist hier bei einer Untersuchung des Schluckvorgangs eines Patienten zu sehen.
Chefärztin Dr. med. Carolin Höhlig ist hier bei einer Untersuchung des Schluckvorgangs eines Patienten zu sehen. © Helios Klinikum Pirna/Kristin Wollbrandt

Natürlich, die Diagnose Schlaganfall ist noch immer dramatisch. Aber sie ist mittlerweile wesentlich seltener tödlich, und auch bleibende Schäden lassen sich längst immer häufiger sehr gut verhindern. 

Noch bis Ende der 1990-er Jahre sah das anders aus, weiß Dr. Carolin Höhlig. Die Chefärztin für Geriatrie und Frührehabilitation des Helios Klinikums Pirna befasst sich seit nun schon über drei Jahrzehnten mit dem Thema Schlaganfall. Begonnen hatte sie als Fachärztin in Aue, wo sie circa zwanzig Jahre lang arbeitete, bevor sie nach Pirna kam. „Und vor allem in den vergangenen gut 15 Jahren hat sich zum Glück sehr viel bewegt in Sachen Therapie für Schlaganfallpatienten“, klingt sie durchaus zufrieden.

Denn zunächst war Schlaganfall eine Erkrankung ohne wirklichen Therapieansatz, denkt Dr. Höhlig zurück. Heißt, es war im Prinzip klar, dass die Patienten mit Lähmungen oder auch sprachlichen und geistigen Einschränkungen nach einem erlittenen Schlaganfall leben mussten. Man hatte sich scheinbar damit abgefunden, dass der ärztlichen Kunst an dieser Stelle Grenzen gesetzt waren, „und man legte die Patienten quasi einfach nur ins Bett“, denkt die Pirnaer Chefärztin zurück. Hinzu kam eine Todesfallrate von fast 60 Prozent. „Aber natürlich wollte sich niemand wirklich mit diesem Zustand zufriedengeben!“ Noch dazu, weil die Fallzahlen immer mehr stiegen.

Auch zunehmend bessere technische Möglichkeiten sowie Erfahrungen aus anderen Krankheitsbildern sorgten für Bewegung, „man kann fast von Revolution sprechen“, ist die Pirnaer Chefärztin begeistert: Wird rechtzeitig reagiert, kann ein Patient schon nach gut einer Stunde Behandlung mit einer Infusion „fast frei von Symptomen sein“! Die Gerinnsel in den Blutgefäßen, die den Schlaganfall auslösen, werden durch ein Medikament aufgelöst.

Patienten, die mit Schlaganfall in das Helios Klinikum Pirna kommen, werden auf einer spezialisierten Station überwacht, dann können sie in vielen Fällen ohne oder mit wenig Handicaps in Rehakliniken verlegt, in der Klinik für Geriatrie und Frührehabilitation weiterbehandelt oder nach Hause entlassen werden. Etwa 600 Fälle pro Jahr werden so bei Helios in Pirna erfolgreich behandelt. Tendenz steigend. „Aber wichtig ist, dass die Patienten mit einem Schlaganfall so schnell wie möglich zu einem Arzt kommen!“

Innerhalb von maximal viereinhalb Stunden muss die Therapie begonnen werden. Aber auch innerhalb von 24 Stunden kann noch sehr viel getan werden. „Dramatisch ist, dass viele Patienten sagen, mir ist schwindlig, ich gehe ins Bett, morgen wird es wieder besser sein ...“, weiß Dr. Carolin Höhlig. Dann wird es schwer für die Mediziner, erfolgreich zu behandeln. Auch, wenn es bei einigen Patienten möglich sei, die Gerinnsel auch noch nach viereinhalb Stunden aus den Gefäßen zu ziehen. Um keine wertvolle Zeit zu verlieren, ist das Helios Klinikum Pirna auch Teil des SOS-Netzwerks – Schlaganfall-Ostsachsen-Netz, so der vollständige Begriff. Ein Verbund aus ostsächsischen Kliniken, die dafür sorgen, dass Patienten auch aus abgelegenen Regionen schnell Hilfe von Spezialisten aus dem Universitätsklinikum Dresden via Telemedizin bekommen. Wenn kein Facharzt vor Ort ist, können sich die Kliniken per Video-Anruf vernetzen und Diagnosen auch aus der Ferne stellen. „Das hat schon sehr vielen Patienten geholfen“, freut sich die Pirnaer Chefärztin.

Und auch die hohe Sterblichkeit der Schlaganfälle noch vor Jahren konnte mittlerweile drastisch gesenkt werden. Mit Hilfe der Logopädie. „Denn jetzt kennen wir die Ursache“, beschreibt Dr. Höhlig. Lungenentzündung. Diese wiederum wird ausgelöst durch Essensreste oder Speichel, die durch eine Schluckstörung statt in die Speise in die Luftröhre und so in die Lunge gelangen. „Denn mindestens die Hälfte der Schlaganfallpatienten leidet an Schluckstörungen“, kennt die Pirnaer Chefärztin die Ergebnisse der Studien.

Hier spielen nun die Logopäden die Hauptrolle: „Mithilfe von Logopäden lernen die Betroffenen nicht nur wieder zu sprechen, sondern auch wieder zu schlucken, was in der Öffentlichkeit mitunter kaum eine Rolle spielte“, macht Dr. Carolin Höhlig deutlich. Um festzustellen, ob Patienten nach einem Schlaganfall noch richtig schlucken können, kommt ein flexibles Endoskop zum Einsatz. Das wird durch die Nase eingeführt – so können die Logopäden dann sehen, „ob zum Beispiel Speisereste auf dem Kehlkopf liegen bleiben, die dann in die Lunge gelangen können“, beschreibt Dr. Höhlig.

Die Logopäden sind damit also ein bedeutendes Glied nicht nur in der Therapie von Sprach- und Sprechstörungen, sondern auch in der Diagnose-Kette. Und weil das so ist, kommt auch der Ausbildung am Schluck-Endoskop eine wichtige Rolle zu, „unsere Klinik ist deshalb Ausbildungskrankenhaus für Logopäden, damit sie in der Lage sind, die flexible Schluckendoskopie selbstständig auszuführen“. Bei schwerwiegenden Schluckstörungen mit der Notwendigkeit einer Trachealkanüle werden dann umgehend HNO-Spezialisten hinzugezogen, die gemeinsam mit den Logopäden die Schlucktherapie besprechen. Zudem wird für diese Patienten auch das Essen angepasst, besonders schwere Fälle werden in eine sogenannte neurologische Frührehabilitation überwiesen.

„Die Logopäden sind bei uns in Pirna also ein wirklich wichtiger Teil der erfolgreichen Behandlung von Schlaganfall-Patienten“, unterstreicht Dr. Carolin Höhlig. Und natürlich sorgen auch die Erfahrungen aus dem Helios Klinikum Pirna dafür, dass die Diagnose Schlaganfall immer weniger häufig eine tödliche Diagnose oder mit bleibenden Schäden verbunden ist. (Jens Fritzsche)