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Der schlagfertige Hoffnungsträger

Das deutsche Profiboxen hat nur noch wenige Weltmeister. Noch sind die erfahrenen Athleten aktiv. Die Verjüngung hat aber begonnen. Einer marschiert voran.

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© dpa

Von Franko Koitzsch

Hamburg. Das Profiboxen in Deutschland ist in die Jahre gekommen und steht vor einem tiefgreifenden Umbruch. Die alten Recken wie Wladimir Klitschko, Arthur Abraham, Jürgen Brähmer oder Felix Sturm läuten den Karriere-Ausklang ein. Noch hat zwar keiner angekündigt, demnächst aus dem Ring steigen zu wollen.

Doch der Schritt ist absehbar. Klitschko ist 40 Jahre alt, Brähmer 38, Sturm 37, Abraham 36. Hinzu kommt: Alle vier sind ihre einstigen Titel als Weltmeister los, Sturm muss sich zudem mit Dopingvorwürfen auseinandersetzen. „Wir sind in einem Übergang. Die Älteren haben ihren Höhepunkt überschritten. Wir setzen auf die Jugend“, sagt Promoter Kalle Sauerland.

Der Chef des größten deutschen Boxstalls hat fünf Athleten aus dem Amateurlager unter Vertrag genommen: den früheren Vize-Europameister und WM-Dritten Araik Marutjan alias Rayko Löwe aus Schwerin (24 Jahre/Mittelgewicht), Denis Radovan (24/Köln/Supermittelgewicht), Leon Bunn (24/Frankfurt/Halbschwergewicht), den Ex-EM-Dritten Emir Ahmatovic (29/Wetzlar/Cruisergewicht) und den Schweriner Albon Pervizaj (21/Schwergewicht). Hinzu kommt der 31 Jahre alte Schwergewichtler Michael Wallisch, der vom Magdeburger SES-Stall zu Sauerland wechselt.

„Der Anführer der jungen Truppe ist Weltmeister Tyron Zeuge“, sagt Sauerland. Der 24-jährige Zeuge, Schützling von Brähmer und Conny Mittermeier in Schwerin, hat sich vor acht Wochen den WBA-Titel im Supermittelgewicht gesichert. Zum jungen Team gehören auch Vincent Feigenbutz (21) und IBF-Jugend-Champion Leon Bauer (18).

Tummelten sich früher unzählige Weltmeister im deutschen Berufsboxen, so sind diese heute handverlesen. Einzige Titelträger neben Zeuge sind derzeit im Männerbereich Jack Culcay bei der WBA im Halbmittelgewicht und mit Abstrichen Marco Huck, der den Gürtel des weniger bedeutenden Verbandes IBO im Cruisergewicht trägt.

„Eine große Zukunft ist derzeit nicht erkennbar“, klagt Jean-Marcel Nartz, einst Technischer Leiter bei Sauerland und im untergegangenen Hamburger Universum-Stall. „Um den Nachwuchs kümmert sich leider keiner richtig. Die Talente werden nicht gefördert, weil das Geld nach dem Ausstieg der Fernsehsender ARD und ZDF nicht mehr da ist.“

Nartz erinnert sich mit Wehmut an die große Zeit mit Henry Maske, Axel Schulz, Sven Ottke, Graciano Rocchigiani, Dariusz Michalczewski und anderen. Er hat eine weitere Ursache für den Abwärtstrend ausgemacht: „Nach der Wende haben wir unglaublich von der hervorragenden Nachwuchsarbeit in der DDR profitiert. Diesen Standard gibt es in Deutschland nicht mehr.“

Optimistisch hingegen ist Thomas Pütz. Der Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB) betont: „Ich sehe überhaupt nicht schwarz. Wo eine Tür zugeht, gehen zwei andere auf.“ Pütz nennt Veränderungen: „Es gibt mehr kleine Veranstaltungen, die nicht im Fernsehen zu sehen sind. Wir hatten im Bereich des BDB 2016 ein Plus von 20 Prozent im Vergleich zu 2015.“

Durch Internet-Plattformen und Facebook hat sich zudem das Sehverhalten verändert. „Heute muss man nicht mehr nachts fürs Boxen aufstehen. Das sieht man sich gemütlich am nächsten Tag an“, meint der Präsident. Aber auch er mahnt: „Es muss mehr an der Basis passieren, damit der Nachwuchs sich entwickeln kann.“ (dpa)