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Der schlechteste Rapper Deutschlands

Er könnte nach Berlin oder Leipzig gehen, um Karriere zu machen. Doch Gossenboss mit Zett bleibt in Dresden. Warum?

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© Christian Juppe

Von Marcel Laskus

Weder so grimmig wie Ex-Gangster-Rapper Sido noch so putzig wie der zahme Cro sieht dieser Typ aus. Dabei versteckt auch er sich hinter einer Maske. Die aber wirkt – anders als bei den zwei Herrschaften aus Berlin und Stuttgart – eher stümperhaft als kommerziell verwertbar. Gossenboss mit Zett, so der Künstlername des Dresdners, will anders sein als das Hip-Hop-Establishment und gehört doch irgendwie dazu.

Er zählt zu den bekanntesten Rappern einer Stadt, die nicht viel mit Rap am Hut hat. Seine Videos sahen auf Youtube Hunderttausende. Und als er beim Pieschener Stadtfest auftrat, kam das halbe Viertel. In seinen Texten aber betont er stets, dass er der schlechteste Rapper Deutschlands sei. „Es kann nicht jeder der Beste sein. Ich hebe mich ab, lasse die Luft raus“, sagt der 29-Jährige, der gern mit dem Image des Dilettanten kokettiert. Seine Anonymität ist ihm heilig, die Maske Teil von ihm, zumindest vor der Kamera und auf der Bühne. Im Internet will er nicht ohne Kopfschmuck auftauchen, der aus roter Haube, Basecap und einem mit Filzstift gekritzelten Augenpaar besteht. „Ich bin ein Phantom.“

Er rappte mit Straftätern

Begonnen hat alles mit einer Schnapsidee bei einem Festivalbesuch vor sieben Jahren, wo er Name und Maske ins Leben rief. Beides traf auf die für ihn schönste Art der Belohnung: Gelächter. Seitdem gehört beides zum Rapper. Anfangs sei es Schwachsinn gewesen, mittlerweile stecke auch eine „gewisse Satire“ darin, sagt er. Auf den ersten Blick hat der Mensch hinter der Maske wenig gemein mit den geläufigen Klischees, die das Bild des Hip-Hops in den letzten Jahren prägten. Weniger Kraftausdrücke hat Gossenboss im Repertoire, stattdessen Club Mate und gelegentlich eine Spraydose. Er wirkt eher wie ein unausgeschlafener Student als wie ein testosterongeladener Boss. Studiert aber hat er nie, gearbeitet dafür schon hier und dort: In Vier-Sterne-Hotels am Gardasee bespaßte er als Animateur Kinder; bei Solar Watt stand er am Fließband, um Solarpanels zu bauen.

Sein Alter Ego öffnete ihm schon so manch andere Tür: Zusammen mit psychisch kranken Straftätern schrieb und rappte er Texte, um Abwechslung in ihren Alltag zu bringen. Auch für die Diakonie und ein Riesaer Jugendhaus war er schon als Gossenboss im Dienst. Wenn er über die sozialen Projekte spricht, an denen er mitwirkte, schwingt ein gewisser Stolz mit. In diesem Bereich zu arbeiten, das könne er sich durchaus langfristig vorstellen. Heute sind zwei Spätverkäufe in Pieschen und der Neustadt sein finanzielles Fundament. Dort arbeitet er als Festangestellter, verkauft die halbe Nacht Snacks und Getränke. Das Geld, das er dort verdient, reicht für Essen und die Miete. Sein Freundeskreis ist auch oft dort, die meisten sind Kunden oder Kollegen.

Nur beiläufig lässt Gossenboss anklingen, dass er vielleicht nicht auf ganzer Linie mit seinem unorthodoxen Lebenslauf zufrieden ist. „Vielleicht wäre das mit Abi alles einfacher“, sagt er dann, winkt aber im nächsten Moment ab, um hinterherzuschieben, dass er auf keinen Fall einen Chef haben wolle. Immerhin spült ihm die Musik ein kleines Zubrot in die Kasse: Mit dem Geld aus Platten- und T-Shirt-Verkäufen gönnt er sich die spaßigen Dinge des Lebens, wie Feiern und Trinken – ein wichtiger Bonus für den Hedonisten.

Ginge es noch höher auf der Karriereleiter? Besser nicht. „Ich bin nicht auf Kommerz ausgerichtet“, sagt er und hält gern den Ball flach, wenn es um Ambitionen geht. Alles andere wäre ja auch paradox, schließlich wettert er in seinen Texten gegen Hip-Hop-Plattitüden und jene Rapper, denen es vordergründig um den Erfolg geht, die „sich vorm Mietwagen fotografieren lassen“ und darüber „rappen, dass sie zurück sind.“

Seine schärfste Waffe

Die Ironie ist die schärfste Waffe von Gossenboss, der stumpfe Humor hält ihm den Rücken frei. Ein Moralapostel will er aber nicht sein, deshalb solle man seine Musik nicht überbewerten. Als ihn die Dresdner Antifa einmal bat, seine Anhänger zur Gegendemo am 13. Februar aufzurufen, lehnte er ab. „Ich will mich nicht politisch instrumentalisieren lassen, weder von links noch von rechts.“ Bei „Rock gegen Rechts“ tritt er dennoch auf, Pegida findet er blöd. In seinen Liedern gibt der Rapper heißen Themen lieber keine große Bühne, weil er nicht daran interessiert ist, mit politischem Halbwissen auf die Nase zu fallen.

Eine klare Meinung hat der Rapper dennoch zu vielen Themen, gerade wenn sie sein Umfeld betreffen. Dresden liegt ihm am Herzen, sein Viertel Pieschen besonders. Zehn Jahre wohnt er hier, auf der Straße grüßen ihn die Leute mit „Gosse“. Ausschweifend kann er sich darüber beklagen, wie sich die Stadt in den letzten 20 Jahren verändert hat. Als der Freiraum Elbtal in seiner Nachbarschaft weggerissen wurde, sei das ein Fehler gewesen. Auch in der Neustadt gebe es für ihn zu viele Baustellen und zu wenig Platz für Kreativität. Wegziehen kommt für Gossenboss aber nicht infrage. Berlin und Leipzig hätten zwar ihren Reiz, doch hier sei es schöner. In seinem wohl bekanntesten Lied stellte er schon vor Jahren klar: „Ich kenn den Hochglanz, doch entschied mich für dreckig.“