Merken

Neue OP gegen Sodbrennen

Das Feuer hinterm Brustbein ist eine weitverbreitete Volkskrankheit. Viele kaufen sich Tabletten dagegen. Doch die sind auf Dauer gefährlich. In Sachsen gibt es nun eine neuen Schrittmacher.

Von Stephanie Wesely
 5 Min.
Teilen
Folgen
© Symbolfoto/dpa/Monique Wüstenhagen

Ulrike Gramens aus Geringswalde in Mittelsachsen hat zehn Jahre lang mit Kautabletten, Pulver und Emulsionen versucht, ihr Sodbrennen loszuwerden. „Es wurde kurz besser, doch der Schmerz kam umso heftiger zurück“, sagt die 47-Jährige. Sie ist kein Einzelfall. „Gut 80 Prozent der Sachsen leiden an diesem Feuer hinter dem Brustbein. Die Krankheit wird aber oft nicht ernstgenommen, sondern als harmlose Verdauungsstörung betrachtet“, sagt Professor Lutz Mirow, Chefarzt der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Chemnitz. Doch harmlos ist es nicht. Entzündungen, sogar Krebs könnten die Folgen sein. Für den Professor sollte deshalb jedes über mehrere Tage anhaltende Sodbrennen gründlich diagnostiziert werden. Er geht sogar noch weiter: „Selbst nach fettem Essen ist Sodbrennen nicht normal. Ein gesunder Magen muss das meistern können.“

Ulrike Gramens hatte besonders nachts Beschwerden. „Das Feuer war unerträglich.“ Als sogar schon Wasser Sodbrennen auslöste, ging sie zum Arzt. Er verordnete ihr sogenannte Protonenpumpenhemmer in hoher Dosierung. Omeprazol und Pantoprazol sind die am häufigsten verordneten Medikamente dieser Wirkstoffgruppe. Nach den Blutdrucksenkern stehen sie auf Platz zwei in der Verordnungshäufigkeit, denn Sodbrennen ist eine Volkskrankheit.

Aber die Medikamente sind nicht ungefährlich. „Ich habe das Medikament eingenommen, aber immer mal wieder damit aufgehört, weil ich mich mit 47 noch nicht daran gewöhnen wollte.“ Zumal die dauerhafte Senkung des Säurewertes im Magen dem „Ärzteblatt“ zufolge Nebenwirkungen hat: Der Körper nimmt Nährstoffe schlechter auf, durch Kalziummangel steigt das Risiko für Knochenbrüche und Osteoporose. Werden Bakterien durch die Säure nicht richtig abgetötet, kann es zu Darminfektionen kommen. Sogar ein höheres Krebsrisiko wird vermutet.

Der neue Schrittmacher ist etwas größer als ein Zwei-Euro-Stück.
Der neue Schrittmacher ist etwas größer als ein Zwei-Euro-Stück. © Uwe Mann

Die Medikamente halfen Ulrike Gramens nicht. Eine Magenspiegelung zeigte warum. „Neben einem geschwächten Schließmuskel am Speiseröhrenausgang hatte ich einen Zwerchfellbruch“, sagt sie. Eine sehr häufige Krankheitskombination, die sich durch Sodbrennen zeigt, wie Lutz Mirow erklärt: „Zwerchfellbrüche entstehen durch ungünstige Druckverhältnisse im Bauch, zum Beispiel bei Übergewicht oder Schwangerschaft, durch starken Husten oder Pressdruck. In seltenen Fällen sind sie auch angeboren.“ Beim Zwerchfellbruch rutschen Verdauungsorgane nach oben. Arbeitet dann auch der Speiseröhren-Schließmuskel wie bei Frau Gramens nicht mehr richtig, werden Magensäure oder Mageninhalt in die Speiseröhre zurückbefördert. Diese kann dadurch verätzt werden. Überschüssige Magensäure entsteht aber auch durch Stress, nach fettreichem Essen, Kaffee, Alkohol oder Rauchen.

Während man gegen Stress oder Unverträglichkeit bestimmter Nahrungsmittel mit Ernährungsumstellung und Entspannung – oder für befristete Zeit mit Medikamenten – etwas tun kann, um Sodbrennen zu lindern, hilft bei einer Schließmuskelschwäche oder einem Zwerchfellbruch nur die Operation. Die häufigste Methode hierbei ist die sogenannte Manschetten-OP. „Dabei wird minimalinvasiv, also mittels Schlüssellochtechnik, der obere Teil des Magens wie eine Manschette um die Speiseröhre gelegt und vernäht. Das verengt den Eingang in den Magen, sodass der Rückfluss der Magensäure verhindert wird“, erklärt der Viszeralchirurg. Viele Patienten hätten danach aber noch Schluckbeschwerden.

„Einen großen Hype gab es auch um die Magnetbandtechnik“, so Mirow. Dabei wird minimalinvasiv eine Art Kette um den Mageneingang gelegt, deren magnetische Perlen sich anziehen und so den Mageneingang verschließen. „Auch hier kommt es oft zu Schluckstörungen, zudem kann das Band einwachsen.“ Der Chefarzt bezeichnet diese Methode als Irrweg.

So sieht es jetzt bei Ulrike Gramens (Mitte) im Bauch aus. Professor Lutz Mirow, Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, und Dr. Kristin Tischendorf erklären der Patientin, wie die OP verlaufen ist.
So sieht es jetzt bei Ulrike Gramens (Mitte) im Bauch aus. Professor Lutz Mirow, Chefarzt für Allgemein- und Viszeralchirurgie, und Dr. Kristin Tischendorf erklären der Patientin, wie die OP verlaufen ist. © Uwe Mann

Teilweise zahlt die Krankenkasse

Größere Erfolgsaussichten bietet ein neuer Schrittmacher. Er ist mit zwei Elektroden verbunden, die minimalinvasiv an den Schließmuskel des Mageneingangs angeschlossen werden. Wie ein Herzschrittmacher wird er unter die Haut implantiert. Er lässt sich von außen programmieren und sendet in regelmäßigen Abständen Impulse an den Schließmuskel. Dieser wird dadurch gekräftigt. Es dauert etwa sechs Monate, bis der Muskel richtig auf den Schrittmacher reagiert. „Der Patient macht einen Lernprozess durch“, so der Professor.

Etwa 1500 solcher Stimulatoren wurden weltweit eingesetzt, in Chemnitz drei. Langzeiterfahrungen gebe es noch nicht. „Doch 54 Kliniken in Deutschland bieten diese OP-Methode an, nur ein Schrittmacher musste bis jetzt wieder entfernt werden, weil er nicht richtig platziert war“, sagt Dr. Kristin Tischendorf, Oberärztin der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum Chemnitz. Gemeinsam mit dem Chefarzt führt sie in Chemnitz die Operationen durch. Der Vorteil des Verfahrens sei, dass anatomische Strukturen geschont werden.

Ulrike Gramens war gleich begeistert und wollte die neue Methode nutzen. Sie hat nur Positives zu berichten. Die Hauttasche für den Schrittmacher spanne zwar noch etwas, doch Schmerzmittel habe sie zu keiner Zeit gebraucht. „Am wichtigsten ist: Das Sodbrennen ist weg. Endlich kann ich wieder beschwerdefrei schlafen“, sagt sie. „Weihnachten habe ich sogar ein Stück Stollen probiert und ein kleines Glas Glühwein getrunken – ohne Probleme.“

Die Medikamente gegen das Sodbrennen muss sie nun langsam ausschleichen. Nach drei Monaten wird der Schrittmacher ausgelesen und der Stimulationseffekt weiter optimiert. Zwölf Jahre kann er arbeiten, bis ein Batteriewechsel ansteht.

Bei medizinischer Notwendigkeit – zum Beispiel, wenn ein Speiseröhrenproblem vorliegt – übernehmen die Krankenkassen die Kosten für die Schrittmacher-Behandlung, sagen die Chemnitzer Ärzte. Der Patient werde dazu von seinem Gastroenterologen an eine Klinik überwiesen.