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Der „schwarze Peter“ wird 75

Er galt als einer der begnadetsten Fußball der ehemaligen DDR: Peter Ducke. Und er war einer der eigensinnigsten. Konflikten ging er nie aus dem Weg, wofür ihn die Fans liebten, die Verantwortlichen fürchteten.

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© dpa

Jena. Sie nannten ihn Sturkopf und Rebell, Individualist und Selbstdarsteller - für die meisten aber war er nur der „Schwarze Peter“: Peter Ducke, der Ballstreichler, der schwarzhaarige Wunderstürmer vom FC Carl Zeiss Jena, der seinen Club zu vielen Titeln führte. Ein ums andere Mal geriet er auch mit der Stasi aneinander. Die Fußball-Anhänger in der DDR - auch Frauen - liebten ihn dafür. Am Freitag wird Ducke 75 Jahre alt.

Von den Fans wurde er gefeiert, von Gegnern und Mitspielern gleichermaßen gefürchtet: Weil er so elegant und wendig war - vor allem aber unberechenbar. Dreimal wurde er mit Jena Meister und Pokalsieger. Mit der DDR gewann er Bronze bei den Olympischen Spielen 1972. Als einziger Ostdeutscher schaffte er es in die Top Ten der Fußballer des 20. Jahrhunderts.

„Es war alles schön“, sagt er heute, „ich kann nicht sagen, was am schönsten war.“ An den schlimmsten Moment seiner Karriere erinnert er sich sehr wohl: das Tor von Jürgen Sparwasser gegen die BRD. Das Tor, ist er überzeugt, hätte ihm gehört. Doch Ducke saß mit Meniskusriss nur auf der Bank. Und sah zu, wie der andere den Ruhm einheimste. „Ich habe nächtelang geheult.“ Der größte Triumph der DDR - für Ducke war es die schlimmste Niederlage.

Die Trainer gaben es irgendwann auf, ihn zu erziehen: Der Ducke mache sowieso, was er will. „Ich wollte immer künstlerisch tätig sein“, erklärt er. Ob Kullerball, mit der Hacke oder in den Winkel - jedes Tor war spektakulär. Ohne Einzelne, die glänzten, ist eine Mannschaft nie mehr als Mittelmaß - davon ist Ducke heute noch überzeugt. Auch wenn die Allüren des Individualisten im sozialistischen Kollektiv der Stasi nicht passten.

Ducke zuckt mit den Schultern. Damals juckte es ihn nicht. Heute kann er darüber lachen. Er musste mehrfach zum Rapport. Einmal erwirkten gar Mitspieler eine Sperre: Er war mal wieder zu eigensinnig. Ducke gelobte stets Besserung. Dann machte er weiter wie zuvor.

Respekt hatte er vor niemandem. Einzig vor Bruder Roland. „Ihm wollte ich immer nacheifern“, sagt Peter Ducke. Ihm war er damals auch nach Jena zum Club gefolgt. Das Fußballspiel hatten sie nach der Flucht der Familie aus Schlesien gemeinsam gelernt, auf einem Schlackeplatz in Schönebeck direkt vor dem Elternhaus.

Es wäre nicht lange gut gegangen, hätte Ducke nicht einen wichtigen Fürsprecher gehabt: Georg Buschner. „Er hat mir alle Freiheiten gegeben.“ Ohne die schützende Hand des langjährigen Trainers des FC Carl Zeiss und der DDR-Nationalmannschaft wäre wohl auch der Künstler irgendwann von der Sportbühne verschwunden.

Flucht kam für ihn nie in Frage. „Es wäre leicht gewesen“, sagt Ducke. „Aber bloß wegen der paar Mark?“ Von Werder Bremen stand mal ein Mercedes vorm Hotel, mit 80 000 Mark im Handschuhfach. Auch Barcelona und Marseille sollen Interesse gehabt haben. Von manchem Angebot erfuhr Ducke erst aus der Stasi-Akte nach der Wende. „Ich hatte in Jena doch alles.“ Ein Häuschen, Familie - und den Club seines Herzens. Ducke spielte zeit seiner Karriere nur für den einen.

Ducke ist ruhiger geworden. Er lebt in einem alten Bauernhaus im beschaulichen Großschwabhausen bei Apolda. Fußball spielt er noch ab und an, gibt Feriencamps für die Jüngsten. „Die staunen immer, dass der Alte das noch kann.“ Den Geburtstag wird er entspannt begehen: auf Ibiza mit seiner Frau. Ein Gläschen Wein, das soll es an Feier gewesen sein. An Gratulanten hat er nur eine Botschaft: „Ruft mich nicht an.“ Eigensinnig wie eh und je. (dpa)