Von Peter Anderson
Die gespannte Atmosphäre entlädt sich bereits in der ersten halben Stunde in Unmutsäußerungen. Einigen der geschätzt mehr als 200 Besucher einer Diskussionsveranstaltung am Montagabend im Meißner Ratssaal passt es nicht, dass der Chef der Meißner Zweigstelle des Landesstraßenbauamtes (Lasuv) Holger Wohsmann seinen Vortrag mit Hintergründen zur Arbeit seines Amtes beginnt. Die wütenden Anwohner interessiert vor allem eins: Wie kommen die Pläne für den Ausbau der Plossenstraße voran?

Einwände werden noch gehört
Wohsmann stellt eingangs klar, dass die abendliche Runde nicht mit der noch folgenden offiziellen Erörterung verwechselt werden darf. Es gehe vielmehr um einen Austausch von Ideen. Erst bei der Erörterung kämen schriftliche Einwände zur Sprache und würden abgewogen. Aktuell befinde sich das Projekt im sogenannten Planfeststellungsverfahren. An dessen Ende könnte die Landesdirektion Sachsen Baurecht erteilen.
Bundesstraßen allein schaffen es nicht
Wegen der hohen Verkehrsdichte in der Region werden dem Chef der Meißner Lasuv-Filiale zufolge neben B 101 und B 6 auch mehrere Staatsstraßen benötigt, um speziell den Autobahnverkehr schnell weiterzuleiten. Die Elbtalstraße S 84 übernimmt diese Aufgabe zwischen Meißen und Dresden, in Richtung Wilsdruff die S 177. Auf sie könne nicht verzichtet werden. Deshalb sei vorgesehen, die Trasse in den nächsten Jahrzehnten von Ullendorf in Richtung Wilsdruff auszubauen.
Bau des Plossens unumgänglich
Das Pflaster des Plossenaufstiegs stamme vermutlich noch aus den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, so Wohsmann. Die dünne Asphalt-Deckschicht ist zerfahren. An den Stützmauern sind deutlich größere Risse erkennbar. Schrägstehende Granitsteine zeigen, wie sich die Böschung bewegt. Die Entwässerung funktioniert nur noch teilweise. Aus all diesen Gründen heraus ist die Sanierung der Strecke aus Sicht des Lasuv unvermeidbar.
Nur ein Bagger hat Platz
Stark kritisiert, wird vor allem von Anwohnern, dass die Straße während der Bauzeit von rund zwei Jahren komplett gesperrt werden soll. Der Meißner Straßenbauamtschef verwies am Montag auf Erfahrungen beim Bau der Hohnsteiner Straße in der Sächsischen Schweiz und zeigte Bilder. Ähnlich wie dort lasse der Hang in Meißen es einfach nicht zu, Autos an einem Bagger vorbeizuleiten. Dazu fehle der Platz. „Es ist falsch zu glauben, dass sich eine Vollsperrung vermeiden lässt, wenn wir es irgendwie einfacher oder billiger machen“, so Wohsmann. Abgespeckte Varianten änderten nichts an dieser Maßnahme. Gleichzeitig sagt der Straßenspezialist zu, eventuell in zwei Schichten zu bauen. Dadurch müssten die Anwohner früh und abends mit Baulärm leben. Geprüft werden solle zudem, ob tatsächlich für die ganzen zwei Jahre komplett gesperrt sein müsse oder sich nicht Teilstrecken schneller freigeben ließen. Direkt betroffenen Anwohnern wie etwa SPD-Lokalpolitikerin Gundula Sell stellte Wohsmann in Aussicht, vorgezogen zu planen, wie ihre Grundstücke in der Bauphase erreichbar sein werden.
Ausbau führt nicht zu mehr Verkehr
Einer der am heftigsten umstrittenen Punkte, war die Frage, ob der Ausbau der S 177 letztlich zu mehr Verkehr führen würde. „Wir holen uns damit die Lkw direkt in die Innenstadt und zerstören Meißen als Mutter aller sächsischen Städte“, so Vincenz-Richter-Wirt Gottfried Herrlich. Eine aktuelle Verkehrsschätzung des Lasuv für 2030 widerspricht dieser Prognose. Demnach wird für die Strecke ein leicht zurückgehender Verkehr erwartet. Dies hängt nach Angaben von Holger Wohsmann damit zusammen, dass die neue Elbtalstraße künftig viel abfangen dürfte. Für Wirtschaft und Bevölkerung in der Region werde zudem nicht mit einem so starken Wachstum gerechnet. Die für die Autobahnen prognostizierte kräftige Zunahme speziell des Güterverkehrs gehe an Meißen weitgehend vorbei. Bürger wiesen dies zurück und machten auf die häufigen Stauprobleme durch viele Unfälle auf der A 4 aufmerksam. Laut AfD-Politiker Heiko Knorr ist die Strecke über Wilsdruff etwas kürzer als über die B 101. Dies könnte Lkw-Fahrer dazu verleiten, den Plossen nach einem Ausbau stärker zu nutzen. Die bündnisgrüne Lokalpolitikerin Walfriede Hartmann verwies darauf, dass hier die Politik gefragt ist. Das Straßenbauamt sei nicht für die Verkehrsströme verantwortlich. Jetzt räche sich, dass Meißen nicht über ein klares Verkehrskonzept verfüge, um über Tonnage-Begrenzungen die Lkw aus der Innenstadt zu halten.
Tunnel käme zu spät
In den vergangenen Monaten wurde vermehrt darüber diskutiert, ob nicht ein zweiter Tunnel von der Bockwener Delle in Richtung B 6 den Verkehr um die Stadt herumleiten könnte. Straßenbauamtschef Wohsmann hält das für unrealistisch, da ein solcher Bau nicht zeitig genug fertig wäre, um während der dringend nötigen Plossensanierung eine Alternative zu bieten bzw. diese überflüssig zu machen.
Umleitungen werden präzisiert
Bedarf für weiteren Austausch und neue Ideen besteht bei den vier Umleitungsstrecken, welche die 3 000 Plossenbewohner über zwei Jahre nutzen sollen. Der Siebeneichener Schlossberg kann nur schmal ausgebaut werden, um Naturschutzauflagen zu erfüllen. Auch die Strecken über Semmelsberg und Polenz, über den Goldgrund sowie über die Hirschbergstraße und den Lerchaweg sind aus Sicht des Lasuv eigentlich nicht für so viel Verkehr geeignet. Wohsmann sagte zu, hier weiter Alternativen zu suchen, und hofft auf neue Ideen.