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Der tägliche Autoklau

In der jährlichen Statistik der Versicherer bleibt Görlitz ein Spitzenreiter. Doch Sachsen wird für Diebe unattraktiver.

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© dpa

Von Ralph Schermann

Es ist bedenklich, mit dem Auto nach Frankfurt/Oder zu fahren. Denn statistisch gesehen ist diese Stadt die deutsche Hochburg der Autodiebe. Nach dem Internetportal preisvergleich.de ist sie das ununterbrochen seit 2011. Görlitzer sollten sich jedoch mit Häme zurückhalten – sie landen bereits auf dem zweiten Platz, gemeinsam mit Berlin, Dresden und Potsdam.

In Frankfurt/Oder wurden 2013 hochgerechnet auf die vergleichbare Basis von 100 000 zugelassenen Autos 907 gestohlen. Aus den 183 in der Stadt Görlitz entwendeten Fahrzeugen wird so die Vergleichszahl 720. Da liegt sogar Berlin mit 534 noch statistisch gesehen darunter, auch wenn dort tatsächlich 6 659 Pkws verschwanden. Insgesamt wurden 2013 in Deutschland 37 427 Fahrzeuge zur Beute von Dieben. Zu beachten ist allerdings, dass in die Zahlen von preisvergleich.de auch die nicht erfolgreich verlaufenen Versuche von Autodiebstählen eingerechnet sind.

Autobesitzer können einerseits aufatmen, weil deutschlandweit gegenüber 2012 nur wenige Autos mehr gestohlen wurden. Im Vergleich zu 2001 hat sich die Zahl gestohlener Autos sogar halbiert. Auch die Diebstahlhäufigkeit pro tausend kaskoversicherter Autos hat sich seitdem mehr als halbiert und liegt aktuell bei 0,5, teilte der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit. Andererseits stiegen die ausgezahlten Versicherungssummen auf insgesamt 264 Millionen Euro an – ein Hinweis darauf, dass vor allem hochwertige Fahrzeuge wegkommen.

Sachsen landet bei den Versicherern mit 1 641 Fällen auf dem fünften Platz. Rund ein Fünftel davon schlägt im Gebiet der Polizeidirektion Görlitz zu Buche. Bundesweit führen VW, Audi, BMW und Mercedes die Hitliste an, in Görlitz sieht das ähnlich aus. Selten gestohlen wurden 2013 hingegen Peugeot, Mercedes, Citroën, Opel, Mitsubishi und Seat.

Keinen Unterschied gibt es bei der Aufklärungsquote: Sie ist trotz zunehmender Erfolge überall gering. Dass kaum gestohlene Wagen wiedergefunden werden, liegt am kurzen Weg über die Grenze. Der Schwerpunkt Frankfurt/Oder bestätigt aber auch eine Tendenz, die Kriminaloberrat Daniel Mende von der Polizeidirektion Görlitz schon lange bemerkte: „Diebe weichen mehr auf Brandenburg aus, weil in Ostsachsen Fahndungserfolge zunehmen.“ Tatsächlich wurden hier 2013 durch Fahndungsgruppen 148 gestohlene Autos sichergestellt, die Ludwigsdorfer Bundespolizei nahm 70 Autodiebe fest. Eine Einschätzung des Bundeskriminalamtes unterstrich: „Angrenzende osteuropäische Staaten sind sowohl wichtige Absatzmärkte als auch Transitstaaten im internationalen illegalen Kraftfahrzeughandel.“ Die Wege der Diebe sind bekannt. Es gibt drei Varianten, erzählt Kriminalist Mende. Zum einen werden gefragte neue Nobelkarossen weit ins östliche Ausland geschafft. Dorthin fahren Diebe auch höherwertige Modelle zum Ausschlachten, vor allem in Schrauberhallen Litauens. Und es gibt den Hopser über die Neiße, überwiegend mit älteren Autos zur Ersatzteilgewinnung.

Für die Landespolizei unterstreicht die jüngste Statistik der Versicherer bekannte Strukturen und die Richtigkeit des Ausbaus der Ermittlungsgruppen auf beiden Seiten der Neiße. Conny Stiehl, Präsident der Polizeidirektion Görlitz, sieht keine Veranlassung, drumherumzureden: „Bei Aktivitäten gegen Autodiebstahl besteht Handlungsbedarf.“