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Der Teufel in mir

Wie sich der in Dresden geborene „GZSZ“-Star Eric Stehfest jahrelang an die Droge Crystal Meth verlor.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Freital. Was für ein knuffiger Fratz. Es war sein allererstes Interview. Auf einer Jugendseite der Sächsischen Zeitung wurde der damals 14-jährige Schüler Eric Stehfest aus Freital im Jahr 2004 gefragt: „Möchtest du später wirklich einmal Schauspieler werden?“ Seine Antwort: „Na ja, nachdem ich die Berufsschule gepackt habe, möchte ich gern auf die Schauspielschule in Leipzig. Ja, und später dann berühmt werden.“

Und siehe da: Sein Handwerkszeug lernte Eric Stehfest später tatsächlich an der Leipziger Schauspielschule. 13 Jahre nach seinem SZ-Interview gehört er zu den bekanntesten Gesichtern von Deutschlands erfolgreichster und langlebigster TV-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“. Im vergangenen Jahr wurde er in der RTL-Tanzshow „Let’s Dance“ zum Publikumsliebling. Mit seiner Frau und seinem einjährigen Sohn wohnt er glücklich in Berlin. Was für eine wunderbare Geschichte! Wenn sie denn so komplett wäre.

Als Eric Stehfest die Zeitungsseite von damals sieht, lacht er lauthals los. „Unglaublich“, ruft er und erinnert sich tatsächlich an jene Frage zu seiner Zukunft und seine fast prophetische Antwort. Nicht vorausgesehen hat er damals aber, dass er seine Jugendjahre an die Droge Crystal Meth verlieren würde, dass er seine Freundin im Rausch zum Abtreiben drängen würde, dass er sich in brutalen Straßenkämpfen die Nase brechen würde, dass er wegen Körperverletzung und Raub verurteilt werden würde und dass er all diesen Irrsinn fast nicht überlebt hätte.

Er schaut jetzt wieder ernst, hat diesen alles durchbohrenden Blick, der dir sagt: „Ich weiß, was du über mich denkst. Ich bin dir weit voraus.“ Eric Stehfest sitzt im Besprechungsraum einer Medienagentur in der Dresdner Friedrichstadt. Es gibt noch ein paar Details zu klären, bevor er am 8. Juni im Alten Schlachthof aus seinem gerade erschienenen Buch „9 Tage wach“ vorlesen wird. 900 Leute können dabei sein, wenn er „zurück nach Haus kommt“, wie er selbst sagt. Er hat viel von einer sehr langen Reise zu erzählen, und zwar keine Geschichten von Strand und Bergen.

„Fehler bewusst gemacht“

Damals, als 14-jähriger knuffiger Schüler in Freital, habe er schon zwei Jahre lang „ordentlich gekifft“. „Drogen machen nicht Halt vor dem Alter“, sagt er. Er habe damals schnell erwachsen sein und seine alleinerziehende Mutter beschützen wollen. Um zu beweisen, dass er kein Kind mehr ist, will er in die verbotenen Klubs. Trotz dicker Jacke und kurz geschorenen Haaren kommt er erst rein, nachdem er Crystal Meth genommen hat, ein aufputschendes Methamphetamin, eine der gefährlichsten Drogen überhaupt. „Crystal ist eine typische Einstiegsdroge in dem Raum hier“, sagt er, was nicht heißen soll, dass er anderswo der nette Junge von nebenan geblieben wäre. „Wäre ich woanders aufgewachsen, hätte ich nur mit anderen Drogen angefangen.“ Eric Stehfest taugt nicht zum typischen Vorbild, zum Geläuterten, der mit großen Worten bereut, was er getan hat. „Ich bin nirgendwo reingerutscht, wie es immer so schnell heißt“, sagt er. „Ich habe jeden meiner Fehler bewusst gemacht und habe mich auch bewusst dazu entschieden, Drogen zu nehmen.“

Immer wieder habe ihm seine Mutter gesagt: „Du lebst dein Leben wie in einem Film. Du musst den Weg auf die Bühne finden und dort Geschichten erzählen.“ Doch ihr Eric war immer zuerst Autor seiner eigenen Geschichte. Ein junger Mann, der das Leben spüren wollte, so intensiv wie irgendwie möglich. An der Schauspielschule in Leipzig führt er ein Doppelleben. Tagsüber brilliert er auf der Probebühne, nachts dröhnt er sich in Klubs zu. „Ich war vom Wahnsinn durchtrieben. Auf der Bühne kann das natürlich attraktiv sein.“ Doch mehr und mehr zieht er sich in seine Wohnung zurück. Er verliert seine Freunde, lässt seine Meerschweinchen verhungern. Er magert ab, isst nur noch Joghurt. Die Drogen machen ihn zum Nebendarsteller in seinem eigenen Leben. Der Plot ist so übertrieben, wie ihn sich nicht mal ein „GZSZ“-Drehbuchautor einfallen lassen würde. „Zum Schluss hatte ich meine eigene Crystal-Küche in Tschechien.“

Irgendwann ist Eric neun Tage am Stück wach. „Ich habe Stimmen gehört, wirres Zeug geschrieben.“ Er habe sich wie im Krieg an der Front gefühlt. Eindeutige Symptome einer drogeninduzierten Schizophrenie. Er nimmt Schlaftabletten, will nur noch, dass es aufhört, schreibt einen Abschiedsbrief an sich selbst. Er erwacht wieder. Ein Wendepunkt. Im Jahr 2011, als er seine Sucht schon lange nicht mehr verbergen kann, drängt ihn die Hochschule zu einer Drogentherapie, einem knallharten kalten Entzug. Acht Monate verbringt Stehfest in einer geschlossenen Station im Erzgebirge.

Danach geht er nach Berlin ans Theater, stürzt nachts in der Techno-Szene ab, verliert seine Freundin und wird noch einmal rückfällig. „Ich bin zu meinem Dealer gefahren und beschloss, noch einmal alles zu nehmen und dann nichts mehr.“ Klingt ziemlich wahnsinnig. Ist ziemlich wahnsinnig. „Aber ich musste das so machen.“ Es funktionierte. Bis heute. Man ist fast erleichtert, als er endlich zu Protokoll gibt: „Man sollte alles Crystal Meth auf einen Haufen werfen und anzünden. Das kommt direkt aus der Hölle.“

Vor vier Jahren stieg Eric Stehfest bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ ein. Erst spielte er eine Nebenrolle, seit einiger Zeit ist er Hauptcharakter. Montags wird geprobt, dienstags bis freitags gedreht. „Der Job hat mir eine sichere Säule gegeben.“ Er dreht und produziert jetzt auch selbst Filme. „Trieb“ ist der erste, der nicht kostenlos auf You Tube veröffentlicht wurde.

Sein Buch „9 Tage wach“ ist jetzt schon ein Bestseller. „Das Buch hat den Anspruch, Schulstoff zu werden“, sagt er. Er wolle jetzt ein Medium sein, aber niemals ein Vorbild. „Gut bin ich nie. Ich bin mal richtig schlecht und manchmal weniger schlecht.“ Die vergangenen Jahre wird er nicht mehr ablegen können. Sein Körper erinnert ihn daran. Von zwölf durch die Drogen abgestorbenen Zähnen sind fünf schon ausgefallen und durch Implantate ersetzt worden. Gern würde er bald mit seiner Familie raus aufs Land ziehen. „Die Stadt ist etwas für Suchende“, sagt er, „aber ich bin angekommen.“