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Der Traum von der großen Bühne

Judith Kellner spielte schon oft beim Bautzener Frühling. Doch nie war sie so aufgeregt wie in diesem Jahr.

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Von Marleen Hollenbach

Bautzen. Ihr Ziel ist zum Greifen nah. Nur noch ein paar Stunden muss sich Judith Kellner gedulden. Dann wird die junge Frau mit der beeindruckenden Lockenmähne ihr Saxofon zur Hand nehmen. Sie wird sich voll auf die Musik konzentrieren und mit ihrer Energie sicherlich viele Zuschauer mitreißen. Eigentlich könnte die 21-jährige Bautzenerin gelassen an die Sache herangehen. Immerhin hat sie Routine. Beinahe jedes Jahr war sie beim Bautzener Frühling mit dabei. Sie stand mit ihrer Schülerband auf der Bühne, später im Duett mit anderen Musikern. Und doch, so sagt sie, ist der Auftritt am Sonntag etwas ganz Besonderes.

Rückblick: Vor knapp einem halben Jahr, als die Bautzener noch über den Wenzelsmarkt bummelten, als sie sich in dicke Jacken hüllten und der Sommer noch weit entfernt schien, da traf Judith Kellner an ihrem Studienort in Leipzig einen Musiker, der sie auf Anhieb begeisterte: Tim Griesbach, 26 Jahre alt. „Mir war klar, dass ich mit ihm ein Projekt starten will“, erklärt sie. Die beiden Saxofonspieler verabredeten sich in der Mensa der Hochschule für Musik und merkten gleich, dass sie musikalisch auf einer Wellenlänge schwimmen.

Judith Kellner zögerte nicht lang. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche, rief in Bautzen beim Kulturamt an. „Ich schlug vor, mit einer Band beim Bautzener Frühling aufzutreten“, sagt sie. Kulturamtschef Andreas Hennig war einverstanden. Und dass, obwohl die Musikerin ihm nur von dem Projekt erzählen, aber noch nichts vorspielen konnte. „Ich bin froh, dass er mir so viel Vertrauen schenkt“, sagt sie.

Endlich auf der großen Bühne

So kommt es, dass die neu gegründete Band „FonkRaiders“ am Sonntag zum allerersten Mal überhaupt auftritt. Und dann gleich noch an der prominentesten Stelle, die das Bautzener Stadtfest zu bieten hat. Das war Judith Kellner besonders wichtig. Jahrelang hatte sie auf der kleinen Bühne am Fleischmarkt gespielt – und etwas neidisch hinüber zur Bühne am Hauptmarkt geschielt. In diesem Jahr aber gehört ihr die große Bühne. Ihr, dem Saxofonspieler Tim Griesbach und dem Rest der Mannschaft.

Immerhin elf Mitglieder zählt die Band „FonkRaiders“. Vor allem Freunde und Bekannte der Bautzenerin sind mit dabei. Weil die Musiker aus Leipzig, aus Dresden und sogar aus Berlin kommen, war es nicht leicht, eine gemeinsame Probe für alle zu organisieren. „Ich war aber erstaunt, wie gut es dann doch geklappt hat“, erklärt Judith Kellner. Drei Tage lang mieteten sich die Bandmitglieder einen Raum und übten gemeinsam. Alle seien gut vorbereitet gewesen, erklärt die Musikerin, die nächtelang über den Noten saß. „Wir spielen, worauf wir Bock haben – eine Mischung aus Punk und Soul“, erklärt die Bautzenerin.

Die Zuschauer dürfen sich auf Songs von Tina Turner, Eric Clapton und James Brown aber auch auf eigene Kreationen freuen. Aber passt die Musik auch zum Bautzener Publikum? „Wir lassen uns überraschen“, antwortet Judith Kellner gelassen. Doch ihre Aufregung spürt man deutlich, als sie sagt: „Man kann das schwer einschätzen. Aber ich hoffe sehr, dass das Publikum genauso viel Spaß hat wie wir.“

Leidenschaft gilt dem Saxofon

Spaß am Musizieren hat Judith Kellner schon lange. Mit zwölf Jahren hielt sie erstmals ein Saxofon in der Hand. Dabei war eigentlich ein anderes Hobby für sie vorgesehen. Ihr Vater, Hagen Kellner, leitet das Artistenstudio in Bautzen. Auch Judith versuchte es mit der Akrobatik. Doch ihre große Liebe galt dem Saxofon. In der Bautzener Musikschule entlockte sie dem Instrument die ersten Töne, lernte, damit umzugehen – und erwies sich als großes Talent. In der Schülerband „Way of Life“ sammelte sie erste Bühnenerfahrung.

Nach ihrem Abitur am Bautzener Schillergymnasium zog es die junge Frau nach Leipzig. Seit einem Jahr studiert sie dort an der Hochschule für Musik und Theater (HMT). „Ich bin froh, dass ich dort aufgenommen wurde“, sagt sie, berichtet von Dozenten, die schon in New York gespielt haben und von den Kommilitonen, die ihre Liebe zur Musik teilen. Unterricht, Übungsstunden, Bandproben – für einen Abstecher nach Bautzen bleibt da nur wenig Zeit. „Ich bin gern bei meiner Familie, aber die Besuche sind tatsächlich seltener geworden“, sagt sie.

Nicht einmal den Bautzener Frühling wird die Musikerin richtig genießen können. Erst am Sonntag reist sie gemeinsam mit den anderen Bandmitgliedern an. Dafür haben sie sich einen Bus gemietet. Nach dem Auftritt geht es sofort wieder zurück nach Leipzig. Bei dem Fest gehen für die Bautzenerin also nicht nur Wünsche in Erfüllung. Es ist auch ein Vorgeschmack auf das Leben als Musikerin, das sie erwartet. Denn eines steht für sie fest: Wenn sie mit dem Studium fertig ist, dann wird sie das Saxofon nicht einfach in die Ecke stellen. Ihr größter Traum ist es, später hauptberuflich mit einer eigenen Band unterwegs zu sein, Konzerte zu spielen und damit Geld zu verdienen.

Doch jetzt geht es erst einmal um den Auftritt am Sonntagabend. Sogar einen Fotografen hat Judith Kellner schon bestellt. Denn ein Bandfoto mit allen Mitgliedern gibt es noch nicht. Dabei ist das wichtig für die Zukunft. „Nur mit Werbematerial haben wir die Chance, auch in anderen Städten gebucht zu werden“, sagt sie. Der erste Auftritt der FonkRaiders soll schließlich noch lange nicht der letzte sein.