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Der Tüftler und sein Modell

Eigentlich wollte Veit Rothaupt Musiker werden. Es kam anders – sehr zur Freude der Glashütte Uhrmacherschule.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Glashütte. Auf den ersten Blick sieht das Räderwerk wie ein ungewöhnliches Spielzeug aus. Doch wer genauer hinschaut und es in Gang setzt, merkt: Hier war ein Tüftler am Werk. Geschaffen wurde dieses Modell vom 28-jährigen Uhrmacherlehrling Veit Rothaupt. Es diente ihm als Vorbild für den Bau einer Regulatoranzeige im Miniformat. Dabei handelt es sich genau genommen um räumlich voneinander getrennte Anzeigen von Stunde, Minute und Sekunde.

Der Regulator von Veit Rothaupt.
Der Regulator von Veit Rothaupt. © Karmpath

Die Regulatoranzeige hat der junge Mann beim Nachwuchswettbewerb der Uhrenfirma Lange eingereicht. Dass er ihn nicht gewann, sondern nach einem Franzosen Zweiter wurde, ärgert ihn nicht. „Die Konkurrenz war sehr stark“, sagt der junge Mann. Das bestätigt auch die Firma Lange. In anderen Jahren hätte Veit Rothaupt den ersten Platz geholt, hieß es. So wurde er der Zweite. Dafür gab es 2 000 Euro und eine Einladung zur Uhrenmesse Genf, erzählt Veit Rothaupt, der das Uhrmacherhandwerk an der staatlichen Uhrmacherschule lernt, einer Außenstelle des Berufsschulzentrums Freital-Dippoldiswalde.

Über Umwege zum Beruf

Für ihn ist der Preis nicht nur ein schöner Lohn für sechs Monate harte Arbeit, sondern auch eine Bestätigung, dass er offenbar den richtigen Weg eingeschlagen hat. Denn eigentlich wollte er Musiker werden. „Ich habe in Stuttgart Kontrabass studiert“, erzählt er mit bedächtiger Stimme. Und das habe ihm auch sehr viel Spaß gemacht.

„Kurz vor dem Abschluss habe ich gesundheitliche Probleme bekommen.“ Bei ihm machte sich eine Hautallergie bemerkbar, die ihm beim Spielen beeinträchtigt hat. Mit dieser hätte er kein guter Musiker werden können. Das entmutigte ihn nicht. „Ich habe mein Studium mit einem Bachelor abgeschlossen.“ Noch im letzten Semester schaute sich der junge Mann, der im schwäbischen Göppingen aufgewachsen ist, nach einer Lehre um. „Ich wollte kein zweites Studium beginnen.“

Dass seine Wahl auf das Uhrmacherhandwerk fiel, hat familiäre Gründe. Denn schon als Kind konnte er in Uhrwerke schauen, konnte Zahnräder, Stifte und Federn in die Hand nehmen und über das harmonische Zusammenspiel der kleinen Rädchen staunen. Ermöglicht hatte es ihm sein Großvater, der Uhrmacher war. Und offenbar ist da einiges hängengeblieben. Als Veit Rothaupt den Entschluss fasste, Uhrmacher zu werden, war für ihn klar, wo das geschehen soll. „Im Mekka der deutschen Uhrenindustrie, in Glashütte.“

Eigentlich wollte er als Lehrling bei einer Firma anfangen. Doch er hatte den Anmeldeschluss verpasst. Deshalb bewarb er sich bei der Berufsschule um eine überbetriebliche Ausbildung. Er wurde genommen, begann hier 2015 seine Lehre. Die wollte er nicht nur möglichst gut abschneiden. Er nahm sich auch vor, sich am Nachwuchswettbewerb von Lange zu beteiligen. Im März bot sich die Chance. Die Uhrmacherschule wurde eingeladen, einen Bewerber zu benennen. Und Marion Vogler, die als Fachlehrerin diese Außenstelle des BSZ Freital-Dippoldiswalde leitet, schlug ihn vor. Sie habe gespürt, dass dieser Lehrling in der Lage sein wird, diesen Wettbewerb zu gewinnen, sagt sie.

Veit Rothaupt nahm dieses Angebot an und wurde auch von Lange als Kandidat bestätigt. Im Mai wurde er zu einem einwöchigen Treffen eingeladen, bei dem er seine sieben Mitbewerber traf. Am letzten Tag dieser Vorbereitungswoche verkündete Konstruktionsleiter Anthony de Haas die Wettbewerbsaufgabe, einen Regulator zu konstruieren.

Veit Rothaupt hatte sofort eine Idee, die er mithilfe des Zahnputzbechers skizzierte und die ihm bis zum Ende als Vorlage dienen sollte – und die er letztlich verwirklichen konnte. Bis dahin war es ein langer Weg. Veit Rothaupt begann zu konstruieren. Dann saß er zwei Monate Tag und Nacht über den Zeichnungen. Anschließend baute er Modelle, erst aus Holz, später aus Kunststoff. Die Teile entstanden im 3-D-Drucker. Als klar war, dass er 145 Teile braucht, baute er sich die Werkzeuge, um die Teile herzustellen.

Einige entstanden in seiner Werkstatt, die sich der Lehrling in seiner Wohnung in Oberhäslich eingerichtet hat, andere in der Uhrmacherschule. Deren Leiterin und die anderen Berufschullehrer gaben ihm jede erdenkliche Hilfe. Veit Rothaupt wurde nicht nur vom Unterricht freigestellt, er konnte auch nachmittags, abends und an den Wochenenden in den Werkstätten der Uhrmacherschule arbeiten. Das ging aber nur, wenn ein Lehrer im Haus war. Zu jeder Zeit war aber auch klar. Es sollte seine Leistung sein, die er im November abgeben wollte. Deshalb ließ er sich keine Entscheidungen abnehmen.

Sein größtes Erlebnis war, als das Räderwerk im November auch im Gehäuse so funktionierte, wie er es sich im Mai vorgestellt hatte. Eingereicht hat er es in einer Holzkiste, die er ebenfalls konstruierte, und die von Kollegen am BSZ in Freital gebaut wurde. Parallel zur Uhr wurde auch eine Präsentation fertig, die den Werdegang bis zur Fertigstellung dokumentiert und die ihm als Grundlage für Vorträge dient. Nach dem guten Abschneiden beim Wettbewerb konzentriert sich der 28-Jährige auf den Abschluss seiner Lehre. Obwohl er in den letzten Monaten viel gelernt hat, gibt es einiges, was er nachzuholen hat.

Was nach der Lehre kommt, kann er nicht sagen. Gern würde er bei einer Firma arbeiten, bei der er konstruieren und montieren kann. „Ich würde gern in Glashütte bleiben.“ Die Chancen stehen nicht schlecht. Seine Frau ist nicht abgeneigt, von Bamberg nach Sachsen zu ziehen. Diese hat er übrigens während des Wettbewerbs geheiratet. Um die Hochzeit zu organisieren, hat er eine zweiwöchige Pause eingelegt. „Die habe ich mir gegönnt.“