Von Jens Fritzsche
Liegau-Augustusbad. Plötzlich war er wieder da. Nach Jahrzehnten im Schweigen der Vergessenheit. Dabei war er mal einer der bekanntesten Künstler einer mal sehr populären Kunstform: der Scherenschnittkünstler Curt Voigt aus Liegau-Augustusbad. Doch nach seinem Tod im Januar 1961 verschwand er mehr und mehr im Schweigen der Vergangenheit. Bis zum April. Da war er wie erwähnt plötzlich wieder da!
Klaus Menzel vom Liegauer Heimatverein hatte während der Ortschaftsratssitzung vorgeschlagen, den neu gestalteten Eingangsbereich zum Hof der Liegauer Kita mit nachempfundenen Scherenschnitten aus Metall zu versehen. Mit Scherenschnitten des bekannten Liegauer Künstlers Curt Voigt. Das ließ aufhorchen, denn viele im Raum hörten diesen Namen zum ersten Mal. Doch Curt Voigt war tatsächlich einer der größten Meister seines Fachs gewesen und Scherenschnitte aus seiner Liegauer Werkstatt liegen nicht nur im Depot von Schloss Klippenstein in Radeberg, sondern auch die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden besitzen etliche davon.
Wer also war dieser Curt Voigt? Eine Frage, die sich dann von Liegau aus den Weg bis nach Radeberg bahnte, wo man durch die Diskussion im Ortsteil natürlich auch auf diesen sozusagen unbekannten Star aufmerksam geworden war. Und der Schleier der Vergangenheit begann sich zumindest ein wenig, zu lüften.
Seit 1930 lebte der Künstler in Liegau; am Waldeck wohnte er mit seiner Frau. Da war Curt Voigt schon ein ziemlich Bekannter in der Dresdner Kunstszene – wo er aufgewachsen war. Radebergs einstiger Museumschef Rudolf Limpach schrieb nach Voigts Tod am 25. Januar 1961 in der Zeitschrift „Radeberger Kulturleben“ davon, dass es dabei eher ein Zufall gewesen war, der Voigt bekannt gemacht hatte. Denn eigentlich verdiente er damals, in den Jahren nach 1910 als Tapetenmusterzeichner sein Geld. Aber nicht nur Malen und Zeichnen waren seine Leidenschaft gewesen, sondern auch der Scherenschnitt hatte es dem 1889 geborenen Curt Voigt angetan. Einem Bekannten, so wusste Museumschef Limpach in seinem Nachruf zu berichten, einem Bekannten hatte Curt Voigt dann einen dieser Scherenschnitte geschenkt. Und dieser Bekannte hatte das Ganze wiederum einem anderen seiner Bekannten gezeigt: dem Gründer und Leiter des Dresdner Kunstgewerbemuseums Oskar Seyffert nämlich. Der war letztlich so begeistert gewesen, dass er Curt Voigt überredete, eine Ausstellung auf den Weg zu bringen. Und Curt Voigt ließ sich überreden.
Mit den Jahren waren dann eine Menge Motive entstanden. Zunächst vor allem Landschaften, Burgen, Städte. Auch aus dem Radeberger Land bannte Curt Voigt einiges aufs Schwarzweiße. Aber immer wieder tauchen unter Voigts Scherenschnitten auch Märchen-Motive auf, die er in seinem kleinen Arbeitszimmer unterm Dach seines Liegauer Hauses schuf. Nicht ohne Humor näherte er sich dem Thema dabei, was ihn nicht nur bei den Kindern, sondern auch den „Großen“ beliebt machte.
Unerwartet, schreibt Rudolf Limpach in seinem Nachruf dann, habe Voigt der Tod ereilt an jenem 25. Januar 1961. Eigentlich hatte er gerade aufbrechen wollen, um auf einer Wanderung neue Motive zu suchen. „Wir verloren in ihm einen guten Freund“, trauert Limpach.
Und dass der Liegauer Künstler heute so gut wie vergessen ist, das hat er wahrlich nicht verdient – was in jedem Fall bei einem Blick auf seine Werke deutlich wird. Auf zahlreichen Internet-Börsen übrigens sind Voigts Scherenschnitte noch heute gefragte Objekte. Und wer weiß, vielleicht kann sich Liegau ja letztlich doch noch für die Idee von Klaus Menzel begeistern, Märchen-Scherenschnitte an den im Moment noch sehr nackten Betonquadern links und rechts der Treppe zum Innenhof an der Kita zu installieren? Es wäre ein echter Hingucker und eine wunderbare Erinnerung an einen wunderbaren Künstler.
Die Diskussion ist zunächst auf 2017 verschoben worden. Vielleicht fasst man ja das Jahr 2019 ins Auge? Dann feiert Radeberg 800. Jubiläum – und Curt Voigt hätte 130. Geburtstag …