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Der Vogelflüsterer

Tim Hausmann aus Förstgen ist zwölf. Die Hühnerrasse, die er züchtet, gibt es noch gar nicht. Gibt‘s nicht? Gibt‘s wohl!

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© André Schulze

Von Thomas Staudt

Förstgen. Kaum von der Schule zurück, ist er auch schon umgezogen und auf dem Weg in den Stall. Die Hühner müssen raus auf die Wiese. Und Tim Hausmann auch. Was den Zwölfjährigen aus Förstgen treibt, ist nur zu einem kleinen Teil Pflichtbewusstsein, zum weitaus größeren schiere Leidenschaft. Seine „Serama“ stammen aus Malaysia und zählen zur kleinsten Zwerghuhnrasse der Welt. Doch die europäischen Züchterverbände erkennen die taubengroßen Hühnervögel als eigenständige Rasse nicht an. Zu Ausstellungen werden sie nicht zugelassen. Zu viele Farben, sagt Frank Hahn, Vorsitzender des Kleintierzüchtervereins Mücka-Hohendubrau, in dem Tim seit kurzem Mitglied ist. Zu viele Farben? Die farblichen Rassemerkmale seien nicht eindeutig genug ausgeprägt, erklärt Frank Hahn. Bis es soweit ist, dürfte mindestens ein Züchterleben vergehen, schätzt er.

Tim ist das egal. Er liebt seine Serama trotzdem über alles. Und seine mischrassigen Legehennen, seine vier New Hampshire-Hühner, die zwanzig Tauben und die vier Wachteln, die er seit dem letzten Sommer in seinem Zimmer großziehen darf. Für ihn können es gar nicht genug Vögel sein. Am liebsten würde er die Wiese hinterm Stall kaufen und einen riesigen Hühnerstall darauf bauen, erzählt er. Noch reicht das Geld dafür nicht. Der Erlös aus dem wöchentlichen Verkauf der rund 80 Eier, geht für Legehennenfutter und Paprika, Gurken und Äpfel für Fridolin, Minnie und die anderen Seramas drauf. Aber wer weiß, eines Tages… Tims Ziehvater Thomas ist Jäger, seine Mutter Sandra stellvertretende Filialleiterin eines Supermarkts. Sie kann die Leidenschaft ihres Sohnes nachvollziehen. „Wir kennen es eigentlich nicht anders.“ Bis vor zwei Jahren lebten Mutter und Sohn auf dem Hof von Sandra Hausmanns Eltern in Trebus. „Immer, wenn die Oma gesagt hat ‚Ich geh’ Eier abnehmen‘, bin ich hinterhergegangen“, erinnert sich Tim. Jetzt, da er eigene Tiere habe, übernehme er selbst Verantwortung, meint seine Mutter. „Er braucht eigentlich nichts, außer seinen Hühnern.“ Die Schule leidet nicht unter seinem Hobby, das genügt ihr. Was er einmal nicht werden will, weiß Tim genau. „Ich bin keiner fürs Büro.“ Alles andere ist offen. Landwirt vielleicht oder eine Arbeit in einer Legebatterie. Oder Tierdompteur. Kommt Zeit, kommt Rat.