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„Der Wolf entscheidet Wahlen“

Vor dem Treffen des Regionalbauernverbands sprach die SZ mit dessen Chef, Henryk Schultz, über Sorgen und Nöte.

Von Gunnar Klehm
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Henryk Schultz ist nicht nur Chef in der Milchviehanlage in Reinhardtsdorf, sondern auch vom Regionalbauernverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Dessen Mitglieder kommen am Dienstag zusammen und diskutieren die aktuellen Probleme.
Henryk Schultz ist nicht nur Chef in der Milchviehanlage in Reinhardtsdorf, sondern auch vom Regionalbauernverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Dessen Mitglieder kommen am Dienstag zusammen und diskutieren die aktuellen Probleme. © Dirk Zschiedrich

Herr Schultz, wie sehr hat die Dürre die hiesigen Bauern getroffen?

Dass es erhebliche Ernteeinbußen gab, ist Fakt. Staatliche Dürrehilfen musste meines Wissens nach aber kein Betrieb beantragen. Dazu muss man wissen, dass nur ein Antrag gestellt werden kann, wenn der sogenannte Naturalertrag der Ernte um mehr als 30 Prozent gemindert ist und der Betrieb dadurch Existenznöte hat. Wenn Letzteres nirgends der Fall ist, kann man als Verbandschef natürlich froh sein.

Gerade beim Grünfutter waren dieses Jahr statt der üblichen vier Schnitte meist nicht mal zwei möglich. Wie war das auszugleichen?

Das Futter ist tatsächlich das größte Problem. Bei uns in Reinhardtsdorf reicht die Gras-Silage gerade so bis Ende Mai. Dann muss aber mal wieder was gewachsen sein. Als Verband werden wir aber noch mal abfragen, wer große Reserven hat und wer große Nöte. Mit ein bisschen Solidarität sollten alle über den Winter kommen.

Geholfen haben sicher auch erhöhte Preise für Getreide, oder?

Auf jeden Fall. So waren etwa Mindererträge bei Weizen, Raps oder Gerste nicht so folgenschwer, also nicht existenzbedrohend. Gott sei Dank!

Gab es bei den Einbußen Unterschiede zwischen den angebauten Pflanzen?

Das eher nicht. Auffallend war nur, dass es bei uns tatsächlich Unterschiede zwischen den Gebieten links und rechts der Elbe gab.

Dann war der Fluss eine Wetterscheide?

Wissenschaftlich untersucht ist das nicht. Aber aus unserer Sicht hat es rechtselbisch mehr Probleme mit Trockenheit gegeben.

Wenn es um Viehhaltung geht, wurde dieses Jahr immer wieder über Wolfsrisse diskutiert. Wie dramatisch ist der wirtschaftliche Verlust?

Der wirtschaftliche Schaden ist sicherlich nicht dramatisch. Der psychologische und politische Schaden umso größer. Kein Tierhalter will, dass seine Tiere vom Wolf verletzt oder getötet werden. Da hängt neben der vielen Arbeit ganz viel Herzblut dran. Und sie wollen auch keine Almosen für irgendwelche Schutzzäune, sondern die Gewissheit, dass sich jemand um ihre Interessen kümmert. Deshalb glaube ich sogar, dass der Wolf, beziehungsweise der Umgang mit ihm, Wahlen entscheidet. Seit er auch in Polen unter Naturschutz steht, breitet er sich flächendeckend aus. Wenn es so sein soll, dann bitte. Aber sobald er ein Nutztier verletzt oder reißt, hört der Spaß für uns auf. Da ist jedes Schaf eins zu viel. Die derzeitige verklärte Herangehensweise an das Thema Wolf ist jedenfalls im ländlichen Raum nicht mehrheitsfähig. Das sollte jeder Politiker wissen.

Fordern Sie die Abschaffung der Unterschutzstellung?

Der Wolf ist schon vor Jahren ins Sächsische Jagdrecht aufgenommen worden. Sobald also die Gefahr besteht, dass es Übergriffe auf Nutztiere gibt, dürfen Vergrämungsabschüsse kein Tabuthema sein. Der Wolf ist lernfähig. Und er wird dadurch lernen, dass es Grenzen gibt. Das ist doch irre, wenn mir Pferdehalter bei Neustadt sagen, dass sie ihre Tiere nachts reinholen, weil sich Wölfe nicht einmal mehr durch lautes Klatschen verjagen lassen und Menschen bis auf zehn zwanzig Meter an sich heranlassen.

Eine Entnahme ist bei auffälligen Wölfen heute schon möglich …

Ja. Wenn sie von Räude geplagt im Dorf spazieren gehen. Aber diese Wölfe meine ich nicht. Mir geht es um die, die genau das machen, was ihrem natürlichen Instinkt entspricht. Das Jagen. Das sollen sie gerne machen, aber nicht mit unseren Tieren.

Der Regionalbauernverband Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist ein eingetragener Verein und wurde 1993 auf der Grundlage des Zusammenschlusses der Kreis-Bauernverbände Pirna, Sebnitz, Dippoldiswalde und Freital gegründet.

Die Mitglieder bewirtschaften 53 000 Hektar, was etwa 70 Prozent der gesamten bewirtschafteten Fläche im Landkreis umfasst.

Henryk Schultz ist seit 2012 ehrenamtlicher Vorsitzender des Verbands. Hauptberuflich ist er Geschäftsführer der Agrargenossenschaft Oberes Elbtal Reinhardtsdorf. (SZ/gk)

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Gibt es überhaupt einen Landwirtschaftsbetrieb, der ohne Fördermittel auskommt?

Sie meinen unabhängig vom Thema Wolf?

Ja, ich meine jegliche Zuschüsse …

Mit der Agrarreform 1993 wurden in der EU sogenannte Direktzahlungen eingeführt. Die belaufen sich gegenwärtig in Deutschland auf etwa 180 Euro je Hektar Grundprämie plus 90 Euro pro Hektar sogenanntes Greening, das sind Pseudo-Umweltauflagen wie Stilllegung von Ackerflächen oder Anbau von Zwischenfrüchten. Die bekommt jeder. Doch was anfangs als Preisausgleich zur Einkommenssicherung gedacht war, ist heute an immer mehr Auflagen gebunden. So muss mit fast allen Fördermitteln der Mehraufwand abgedeckt werden. Ein Bürokratiemonster ist entstanden. Die Landwirte würden liebend gern auf dieses Geld verzichten, wenn es für ihre Produkte angemessene Preise gäbe. Wenn Milchbauern beispielsweise für den Liter nicht 35 Cent und weniger bekämen wie jetzt, sondern 40, dann bräuchten wir diese Einkommenssicherung nicht. Und es würde keinem Verbraucher wirklich auffallen. Wie lange es diese Direktzahlungen in der Höhe noch gibt, ist ja auch fraglich.

Wer stellt das infrage?

Die Brüsseler Bürokraten. Unterstützt von vornehmlich Bündnis 90/ Die Grünen nahestehenden Ideologen auch in Sachsen. So soll es beispielsweise eine Kappungsgrenze für größere Betriebe geben. Diskutiert wird ein Wert von 100 000 Euro. Da ist dann ein Betrieb bis 350 Hektar Fläche ein politisch guter. Darüber hinaus ein böser Betrieb. Wir kämpfen als Bauernverband gegen diesen politisch motivierten Unsinn. Weil genau wie in der Tierhaltung nicht entscheidend ist, wie viele Tiere oder Hektar sich in einem Betrieb versammeln, sondern wie es dem einzelnen Tier oder Hektar geht und wie ordentlich die Landwirte sich um jedes einzelne Tier und jeden Hektar fruchtbares Land kümmern.

Was wird zum Verbandstag am 18. Dezember noch Thema sein?

Es wird einen Beitrag zur Datensicherung geben. Nicht zu verwechseln mit dem unsäglichen Thema Datenschutz. Außerdem müssen wir über die Ausbildung sprechen. Aktuell gibt es keine Förderung mehr für eine überbetriebliche Ausbildung von Fachpraktikern. Die brauchen und wollen wir aber, deshalb müssen wir uns jetzt gemeinsam etwas einfallen lassen.