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„Der Wolf kann in einigen Jahren gejagt werden“

Umweltminister Frank Kupfer zur Ausbreitung der Tiere, zu Ängsten in der Bevölkerung und aktuellen Streitfällen.

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Herr Minister, mit dem Wolf kam der Streit nach Sachsen. Was macht Ihnen mehr Sorgen, dass die Wolfsdebatten immer aggressiver werden oder dass wirklich mal ein Tier zubeißt?

CDU-Mitglied Frank Kupfer (51) ist seit 2008 Minister für Umwelt und Landwirtschaft.
CDU-Mitglied Frank Kupfer (51) ist seit 2008 Minister für Umwelt und Landwirtschaft. © dpa

Natürlich hoffe ich, dass es zu keinem ernsten Vorfall mit dem Wolf kommt. Gerade aus dem Grund betreiben wir ja unser aufwendiges Wolfs-Monitoring, um bei auffälligem Verhalten eines Tieres sofort eingreifen zu können. So gesehen sind es die hitzigen Debatten und die oft nicht nachvollziehbaren Behauptungen und Vorwürfe, die mir zurzeit mehr Sorgen bereiten.

Ein kurzes Beispiel?

Nehmen wir nur die Frage, wie der Wolf nach Sachsen kam. Die Tiere wanderten natürlich von selbst in unsere Region ein. Trotzdem gibt es immer wieder Vorhaltungen, wir hätten sie angesiedelt. Vermutet wird, sie wären quasi im Kofferraum eines Autos aus Weißrussland oder der Ukraine hergebracht worden. Das gehört selbstverständlich alles ins Reich der Fabeln.

Vorschläge, wie man mit den eingewanderten Tieren umgehen sollte, gibt es viele. Jüngst wurde sogar gefordert, alle Wölfe einzufangen und sie weit weg in andere Reviere zu verbringen?

Und dann? Damit wird doch keiner verhindern können, dass später neue Wölfe bei uns einwandern. Solche Vorschläge bringen also nichts. Außerdem ist eine solche Maßnahme schlichtweg verboten.

Andere Wolfsgegner wollen die Tiere gezielt vergrämen, damit sie dauerhaft Reviere außerhalb von Sachsen suchen.

Auch das ist nicht erlaubt, wenn sich die Tiere ihrem Wesen nach normal verhalten. Nur bei dem untypischen Verhalten eines Wolfs käme ein solches Vorgehen infrage.

Was wäre ein untypisches Verhalten?

Wenn sich ein Tier zum Beispiel häufig direkt in Wohngebieten aufhält, sich dort womöglich auch Nahrung besorgt und sich nicht vergrämen lässt.

Trotz des Schutzstatus für den Wolf darf in bestimmten Fällen auf ihn geschossen werden. Erklären Sie doch mal ganz genau, wann dies erlaubt ist.

Man kann den Wolf durchaus der Natur entnehmen, also einfangen oder schießen. Der sächsische Wolfs-Management-Plan regelt, wann dies erlaubt ist. Zum Beispiel, wenn ein einzelner Wolf die vorgeschriebenen Schutzmaßnahmen wie das Flatterband auf Tierweiden wiederholt überwunden hat oder keinerlei Respekt mehr vor dort eingesetzten Herdenschutzhunden hat. Natürlich auch dann, wenn er sich Menschen aggressiv nähert. Entscheiden dürfen über eine Entnahme allerdings allein die Landratsämter.

Wie oft musste man in Sachsen schon zu diesem letzten Mittel greifen?

Mir ist nur ein Fall bekannt, bei dem über eine solche Maßnahme nachgedacht wurde. Damals hatte sich ein Wolf direkt aus einem Dorf ein Huhn geholt.

Und der wurde danach vergrämt oder sogar erschossen?

Weder noch. Das Tier tauchte später nirgendwo mehr auf. Wir schätzen, dass es krank war – daher auch das ungewöhnliche Verhalten – und dann kurz nach dem Vorfall im Wald gestorben ist. Ein Eingreifen war jedenfalls nicht notwendig.

Der Wolf breitet sich inzwischen in Deutschland aus wie auch viele andere Tierarten. Warum ist aber nur er noch immer so streng geschützt?

Der Wolf ist nicht allein durch deutsches, sondern auch durch europäisches Recht geschützt. Der Grund ist nachvollziehbar: Nach wie vor sind die Populationen so klein, dass Wölfe weiterhin vom Aussterben bedroht sind. Ein natürlicher Erhaltungszustand ist laut Definition erst gegeben, wenn in einem Wolfsgebiet mindestens 250 erwachsene und reproduktionsfähige Tiere leben. Außerdem stehen auch andere Tiere unter strengem Schutz, zum Beispiel der Luchs. Aber der steht eben nicht in Grimms Märchenbuch.

250 erwachsene Wölfe sind also mindestens für das Überleben einer Population notwendig. Wo liegen wir dabei zurzeit in Sachsen?

Im deutsch-westpolnischen Wolfsgebiet, offiziell als „mitteleuropäische Tieflandpopulation“ bezeichnet, gibt es aktuell 52 Rudel. Das heißt, wir haben damit erst 104 erwachsene Wölfe. Und nur die zählen, nicht deren Nachkommen.

Damit gilt die hier lebende Population immer noch als vom Aussterben bedroht. Es steht nicht fest, ob sie überlebt. Außerdem gilt die Mindestzahl von 250 erwachsenen Tieren nur, wenn eine einzelne Wolfs-Population Kontakt und Austausch mit anderen Wolfs-Populationen hat. Ansonsten liegt die erforderliche Mindestzahl sogar bei 1 000 Tieren. Allerdings gehen wir davon aus, dass die in Deutschland und Polen lebenden Tiere Kontakte zu anderen Wolfsgebieten haben.

Wenn sich der Bestand an Wölfen weiter so gut entwickelt, kommt dann irgendwann nicht der Zeitpunkt, dass man auch Wölfe wieder jagen muss?

Natürlich wird es einen Zeitpunkt geben, ab dem auch Wölfe wieder gejagt werden können. Davon bin ich fest überzeugt. Allerdings wird das noch einige Jahre dauern.

Die heftigen Debatten um den Wolf bleiben uns bis dahin sicher erhalten. Was kann man tun, um dabei Hysterie und unberechtigte Ängste zurückzudrängen?

Genau das, was wir schon seit Jahren tun. Wir informieren immer so gut wie möglich und versuchen damit, den Menschen die Ängste zu nehmen. Auf der anderen Seite wollen wir gegenüber allen Bürgern auch klarstellen, dass wir bei dem Thema handlungsfähig sind. Wenn eins der von uns beobachteten Tiere über die Stränge schlägt, wird auch eingegriffen. Und das rigoros. Ich akzeptiere, dass es Respekt und Angst vor dem Wolf gibt, das muss man ernst nehmen. Doch unbegründeten Ängsten wollen wir entgegentreten.

Dass man vor Wölfen keine Angst haben muss, ist leicht gesagt. Warum sind Sie sich dabei so sicher?

Weil der Wolf ein Wildtier ist. Und wie jedes Wildtier hat er eine ganz natürliche Scheu vor Menschen. Ein Wolf geht uns am liebsten immer aus dem Weg, meidet nach Möglichkeit jeden Kontakt mit Menschen.

Tot aufgefundene Rehe oder schlimmer noch tote Weidetiere sorgen dennoch sofort für Spekulationen und für Unruhe in der betroffenen Gegend.

Ich will niemandem zu nahe treten. Aber oft sind solche Vorfälle für einige willkommener Anlass, um Stimmung gegen den Wolf zu machen. Es werden Klischees bedient, um danach fordern zu können, den Wolf brauchen wir nicht, der Wolf muss weg. Es ist traurig, wie die Tiere für solche Argumentationen missbraucht werden.

Was die Tierhalter angeht, sage ich hier klipp und klar: Wenn zuvor alle erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen waren, bin ich bei Schäden immer auf ihrer Seite. Im Zweifelsfall wird jeder Betroffene die ihm zustehende Entschädigung erhalten.

Auch der Pferdebesitzer, dessen Tiere kürzlich bei Meißen von einem Wolf in einen für sie tödlichen Verkehrsunfall gehetzt worden sein sollen?

Bei diesem bedauerlichen Fall gibt es bisher keinen einzigen Beweis, dass dafür ein Wolf verantwortlich war. Ein Gutachten, das dies angeblich beweisen soll, liegt uns bis heute nicht vor. Gleichzeitig hört man über den Autor Dinge, die ich hier nicht wiederholen will. Bevor hier keine seriöse Bewertung vorliegt, kann ich als Umweltminister dazu nichts sagen.

Das Gespräch führte Gunnar Saft.