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Das ist Dresdens Zwinger-Forscher

Bauhistoriker Hartmut Olbrich erkundet die Struktur und den Untergrund der Dresdner Anlage, um sie besser erhalten zu können.

Von Peter Hilbert
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Im fast 300 Jahre alten Zwinger ist Bauhistoriker Hartmut Olbrich auf viele überraschende Details gestoßen.
Im fast 300 Jahre alten Zwinger ist Bauhistoriker Hartmut Olbrich auf viele überraschende Details gestoßen. ©  dpa

Schon fast 20 Jahre arbeitet Hartmut Olbrich im Zwinger. 1999 hat der Architekt, der in der Bauforschung promovierte, damit begonnen. Als Bauhistoriker arbeitet er für das Landesamt für Archäologie und den Staatsbetrieb Sächsisches Bau- und Immobilienmanagement (SIB), um Bauarbeiten vorzubereiten und zu begleiten. „Dabei geht es bei den Bauten und Anlagen unter anderem um das Alter, die Struktur, die Zugänglichkeit und wo man aufpassen muss“, erläutert der 57-jährige Experte einige Aspekte.

Für ihn stehen solche Fragen, welche Fundamente das Gebäude hat und wo Bauteile wie Fundamente, Fugen oder Anschlüsse verschiedener Bauphasen aufeinanderstoßen. „Das zu erforschen, um die Gebäude zu verstehen, ist bisher zu kurz gekommen“, resümiert Olbrich. Denn schriftliche Quellen seien unvollständig. Deshalb widmet sich der Bauhistoriker der Aufgabe, die Ursprünge der Gebäude stärker zu untersuchen, um ihre Struktur besser zu verstehen. „Dann kann ich Architekten und Planern erklären, wo sie bei den Planungen besonders aufpassen müssen“, sagt er. Die gute Zusammenarbeit mit den Fachleuten des SIB habe sich bei der Sanierung vieler Gebäude ausgezahlt.

Pöppelmanns Gärten entdeckt

Bereits in den ersten Jahren seiner Arbeit im Zwinger stieß Olbrich auf Überraschendes. Im Jahr 2000 mussten die in den 1920er-Jahren gebauten Hofbrunnen saniert werden, da die Becken undicht waren. Als der Untergrund dabei abgetragen wurde, sei nichts Besonderes erwartet worden. Schließlich wurde das Gelände neben den einstigen Stadtmauern in früheren Zeiten massiv abgetragen. Es kam jedoch anders. „Zwingerbaumeister Karl Schöppner hat entdeckt, dass da noch etwas ist“, verweist der Bauforscher auf den Anfang.

Bei genaueren Untersuchungen sei klar geworden, dass darunter die Reste von Barockgärten liegen. 80 Zentimeter unter der heutigen Oberfläche wurden geschwungene Bänder entdeckt – die Reste dieser Anlagen. Schnell sei klar geworden, dass sie nicht aus der Zeit nach der Vollendung des Zwingers 1719 stammen können. Anlass war die Hochzeit des Kurprinzen Friedrich August mit der habsburgischen Kaisertochter Maria Josepha im September des Jahres.

Teamarbeit bei Bauforschung

Damals war der Innenhof des Zwingers ein Turnier- und Festplatz, erklärt Olbrich. Lediglich in den warmen Sommermonaten wandelte er sich durch die Aufstellung der kurfürstlich-königlichen Orangerie in einen Orangengarten. Durch die archäologischen Befunde wurde nachgewiesen, dass durch Barockbaumeister Matthäus Daniel Pöppelmann zwischen 1709 und 1718 ein Parterregarten angelegt worden war. In dieser Zeit wurden im Zwingerhof Taxus- und Buchsbäume angepflanzt und ornamentale Beete angelegt.

Um solche und viele andere Details untersuchen zu können, wurden vor der Sanierung wichtiger Zwingerbauten Teams von Restauratoren, Archäologen und anderen Wissenschaftlern zusammengestellt erklärt Olbrich. Das geschah auch in den Jahren 2008 und 2009 vor den Arbeiten im Mathematisch-Physikalischen Salon. Bei den archäologischen Grabungen wurden rund 14 500 Teile des ehemaligen Grottensaals gefunden. „Dadurch können wir genau sagen, wie er ausgesehen hat“, sagt Olbrich. Auch bei den jetzigen Arbeiten in der Bogengalerie L und im Französischen Pavillon sind alte Bodenplatten, Fundamente und auch Marmorteile gefunden worden – wichtige Hinweise für den Bauforscher zur Struktur der Gebäude.

Baustellenfunde und fundierte Sensationen:

Das uralte Portal. Diese Reste des ehemaligen Reithauses wurden bei den Arbeiten am Zugang zum Französischen Pavillon gefunden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um Teile eines Portals. Als der Zwinger errichtet wurde, mussten alte Bauten weichen. Dazu gehörte das zwischen 1673 und 1678 gebaute Reithaus. Es wurde 1712 abgerissen.

© René Meinig

Die Reste des Grottensaals. Bei der Sanierung des Mathematisch-Physikalischen Salons wurden die Arkadenbögen zwischen den Pfeilern des einstigen Grottensaales wieder freigelegt. Zu sehen sind jetzt diese Zierteile aus Gips und Ornamente an den Pfeilern, die mit einem Flimmer aus bunten Glassplitterchen überzogen sind.

© René Meinig

Die Bodenplatten von 1713. Ein Blick in die Bogengalerie L. In dem Leitungskanal sind die zwischen 1710 und 1713 gebauten Sandstein-Bodenplatte zu sehen. August der Starke wollte, dass hier in der Galerie die Orangen- und Pomeranzenbäume sowie andere exotische Gewächse überwintern konnten. Da die frühere Holzbalkendecke undicht war, wurden nachträglich die Fundamente verstärkt und die Säulen gesetzt. Nur so konnte die dichte Steindecke mit Bögen und Kreuzgewölben gebaut werden.

© René Meinig

Der Pöppelmann-Garten. Unter Leitung von Hartmut Olbrich war der Zwingerhof hier vor dem Wallpavillon und auch an anderen Stellen archäologisch untersucht worden. Barockbaumeister Pöppelmann hatte den Zwingergarten zwischen 1709 und 1718 dreimal gestalten lassen. Das belegten die bei den Grabungen 2013 gefundenen übereinander liegenden Schichten. Erst in einer Tiefe von 1,50 Metern stießen die Archäologen auf festen Untergrund. Der Boden darüber war damals aufgetragen worden.

© André Wirsig

Der Trümmer-Fundort. Aufgegraben wurde kürzlich der Untergrund im Französischen Pavillon. Dort fanden die Bauforscher Teile, die nach den Bombenangriffen 1945 durch ein großes Loch vom Obergeschoss herabgefallen waren. Dazu zählen Teile des Marmorbodens aus dem ersten Stock sowie Stücke von Stuckornamenten der Decke.

© René Meinig

Die Treppe unter der Treppe. Frisch saniert präsentieren sich die Treppen des Wallpavillons. Bei den Arbeiten wurden die Bodenplatten teilweise entfernt und der Untergrund untersucht. Dabei haben die Bauforscher die Reste unterschiedlicher Treppen entdeckt, die hinauf auf den Wall führte. In der Frühzeit des Zwingers waren die Terrassen offen.

© René Meinig

Fünf Fakten für den weltberühmten Zwinger:

Das Ausflugsziel. Der Zwinger ist eine der größten Sehenswürdigkeiten Dresdens. Weit über 600 000 Besucher wurden dort 2017 allein in den Ausstellungen gezählt. Dazu gehören die Gemäldegalerie Alte Meister, der mathematisch-physikalische Salon und die Porzellansammlung.

Das Gesamtkunstwerk. Das Ensemble mit Pavillons, Galerien, dem Hof und barocken Anlagen zählt zu den bedeutendsten Baudenkmälern Europas. Die Balustraden sind 1,2 Kilometer lang. 450 freistehende Figuren und 150 Plastiken an den Bauwerken und 25 Brunnen zieren den Zwinger.

Die Orangenbäume. Der Leidenschaft von August dem Starken verdankte es der Zwinger, dass er zur Orangerie wurde. Dies bildeteden Ursprung des Bauwerks. Ende des 19. Jahrhundert war es damit aber vorbei. Seit 2017 stehen im Sommerhalbjahr wieder 76 Orangenbäumchen im Hof. Sie überwintern im Barockgarten Großsedlitz. Am 18. Mai 2019 kehren sie wieder zurück.

Die Öffnungszeiten: Das gesamte Jahr über ist er täglich ab 6 Uhr geöffnet. Im Sommer schließt die Anlage 22.30 Uhr, zwischen November und März 20 Uhr.

Die Experten: Sieben Restauratoren und Kunsthandwerker der Zwingerbauhütte kümmern sich liebevoll um das Ensemble. 1991 wurde sie nach über einem Vierteljahrhundert wieder eingerichtet. (SZ/phi)

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