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Des Künstlers unrühmlicher Tod

Auf dem Urnenhain wird jetzt das geheimnisumwitterte Grab eines Paares saniert. Doch eine Leiche fehlt.

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© Tobias Wolf

Von Tobias Wolf

Vorsichtig zieht Bärbel Hempel die Inschrift nach. Die Bildhauerin und Steinmetzin ist Spezialistin für verwitterte Gräber. „Felix Pfeifer und seine Johanna“ steht auf dem kunstvollen Grabstein. Doch die Inschrift trügt. Nur Johanna liegt drin. Der Stein erinnert an ein längst vergessenes Kapitel sächsischer Kunstgeschichte. An einen Bildhauer, der von seinem eigenen Kunstwerk erschlagen wurde.

Dem verstorbenen Kollegen zu Ehren restauriert Bildhauerin Hempel nicht nur die verblasste Inschrift des Steins. Auch die Oberfläche, die jahrelang von Moos bedeckt war, ist inzwischen wieder gereinigt. Mit einer speziellen Kieselsäure soll der Stein später noch gehärtet werden, damit er wieder ein paar Jahrzehnte hält. „Das Material ist noch recht gut erhalten“, sagt die 32-Jährige. „Am Ende wird auch die Reliefinschrift wieder ordentlich zu erkennen sein.“

Vom Schicksal des Kollegen Pfeifer hat die junge Frau erst erfahren, als Hobby-Historiker Christoph Pötzsch die Sanierung des Grabs in Auftrag gab. Pötzsch zufolge habe Felix Pfeifer auch Spuren in Dresden hinterlassen, obwohl der Name des 1871 geborenen Leipzigers heute kaum noch bekannt ist. 1906 heiratete er in Dresden und schuf in den kommenden Jahren mehrere Kunstwerke, bevor er 1914 in Leipzig zum Professor ernannt wurde.

Von Pfeifer erhalten ist heute noch die Bronzeplastik „Genesung“, die im Rosengarten am Elbufer steht. Unter dem Titel „Beglückende Schönheit“ hatte Pfeifer sie 1927 für einen Leipziger Brunnen und 1936 noch einmal für die Reichsgartenschau modelliert, bevor sie ihren Platz am Königsufer erhielt.

Wohl selten ist ein Künstler auf eine derart tragische Weise ums Leben gekommen, wie Felix Pfeifer. Wie eine Zeitung am 11. März 1945 vermeldete, war der bekannte Bildhauer am Sechsten des Monats in seinem Atelier von der Skulpturengruppe „Glaube, Liebe und Hoffnung“ erschlagen worden, die er speziell für ein Grab gestaltet hatte. Als der 74-Jährige an den letzten Feinheiten des Kunstwerks arbeitete, brach der Sockel der zweieinhalb Meter hohen Tonfigur und sie stürzte auf den Künstler herab. Im Leipziger Krematorium wurde Pfeifer verbrannt und die Asche auf seinem eigenen Grundstück in Großdeuben bei Leipzig verstreut.

Der Grabstein sollte zunächst nur an ihn erinnern. 1963 wurde er auf den Tolkewitzer Urnenhain versetzt, zwei Jahre bevor Pfeifers Witwe Johanna verstarb.