Von Hans-Jörg SchmidtSZ-Korrespondent in Prag
Bislang konnten Tschechiens Grundschüler selbst entscheiden, welche Fremdsprache sie erlernen. In den an Deutschland und Österreich angrenzenden Kreisen entschieden sich die meisten für Deutsch. Doch mit der freien Wahl soll nach dem Willen der neuen tschechischen Regierung demnächst Schluss sein. Sie will verbindlich Englisch als erste Fremdsprache ab der 3. Klasse einführen.
Das Bildungsministerium begründet das Vorhaben damit, dass schon heute angeblich 96 Prozent der Schulen Englisch bevorzugten. Die Zahlen, die die Tageszeitung Lidove noviny veröffentlichte, sehen etwas anders aus. Danach lernen derzeit 618000 Schüler Englisch, aber immerhin 111000 Deutsch. Mit weitem Abstand folgen Russisch, Französisch, Spanisch und Italienisch. Bemerkenswert ist zudem, dass seit Jahren beklagt wird, dass es weder ausreichend noch ausreichend qualifizierte Englischlehrer gibt. Viele seien vom früher üblichen Russisch kurzerhand auf Englisch „umgepolt“ worden.
Reichlich Gegenargumente
Bei vielen Betroffenen findet das Vorhaben wenig Anklang. Eva Horackova, die Direktorin der Grundschule in As (Asch), sagt: „Wir leben traditionell und geografisch bedingt mit der deutschen Sprache, hören sie immerfort. Die Eltern fahren mit ihren Kindern zu den Nachbarn, nicht nur zum Einkauf, sondern auch zu Sportwettkämpfen oder Austauschbesuchen.“ Ähnlich äußert sich Fremdenführer Martin Polak aus Ceske Budejovice (Budweis): „Wir haben hier die Grenze zu Deutschland und Österreich, nicht zu Großbritannien.“
Katerina Vavrova, Direktorin einer Prager Grundschule, meint: „Englisch lässt sich sehr viel leichter auf der Basis von Deutsch erlernen. Umgekehrt funktioniert das nicht.“ Es wäre deshalb sinnvoll, Deutsch als erste Fremdsprache zu erlernen und dann erst Englisch.
Vorteile in der Karriere
Doch solche Argumente stoßen im Prager Bildungsministerium auf taube Ohren. In ihrem Kommentar ergänzt die Lidove noviny übrigens noch: „Die Mehrheit der Investoren bei uns kommt aus Deutschland. Derjenige, der mit ihnen in deren Muttersprache sprechen kann, ist klar im Vorteil.“
Etwas Positives lässt sich aber auch von der neuen „Sprachenpolitik“ Prags erwarten: So sollen die tschechischen Kinder als Wahlfach künftig auch Romani, die Sprache der Roma-Minderheit, erlernen können. Vielleicht trägt das dazu bei, das gestörte Verhältnis der Masse der Tschechen zu den Roma-Mitbürgern zu verbessern.