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Blitzer unter Beschuss

"Hat der mich gerade erwischt?" Das haben sich wohl die meisten Autofahrer schon mal gefragt, wenn es blitzt. Aber mancher übertreibt es mit der Wut deutlich.

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Ein Tempomessgerät steht an der Hamburger Reeperbahn. Blitzer-Anlagen leben in Deutschland mitunter gefährlich. Immer wieder gibt es Berichte über Angriffe auf die Messanlagen.
Ein Tempomessgerät steht an der Hamburger Reeperbahn. Blitzer-Anlagen leben in Deutschland mitunter gefährlich. Immer wieder gibt es Berichte über Angriffe auf die Messanlagen. © Daniel Reinhardt/dpa

Berlin. Sie kommen mit Spraydosen, schwerem Werkzeug oder sogar Schusswaffen: Blitzeranlagen werden in Deutschland oft beschädigt. Immer wieder gibt es Berichte über Vandalismus bei den Messanlagen zur Geschwindigkeitsüberwachung.

Beispielsweise in Bielefeld in Nordrhein-Westfalen: Dort sorgte die Tempo-50-Beschränkung an einer Baustellenausfahrt für Lastwagen offenbar für einigen Ärger bei Autofahrern und anderen. Erst wurden nur Schilder übermalt oder abmontiert. Die Folge: Zahlreiche Radarfotos mussten für ungültig erklärt werden, weil das Tempolimit für die Fahrer nicht zu erkennen war.

Anfang Februar ging es dem teilstationären Blitzer "Bernhard" dann an den Kragen. Vermutlich mit einer Spitzhacke wurde auf die rund 230 000 Euro teure Anlage eingeschlagen. "Da hat jemand mit großer Wucht mit etwas Spitzem drauf eingeschlagen", sagt ein Sprecher der Stadt der Deutschen Presse-Agentur. Vier Panzerglasscheiben zum Schutz der beiden Kameras splitterten. "Die Anlagen sind sehr stabil, aber mit brachialer Gewalt kriegt man alles kaputt. Die Technik wurde aber nicht beschädigt", sagt er.

Trotzdem ein teurer Wutausbruch: Auf rund 29 000 Euro beziffere man den Schaden aktuell, sagt der Sprecher der Stadt. Dabei sei der Blitzer in der Stadt eigentlich nicht umstritten gewesen. Im Gegenteil, es habe sogar zeitweise einen kleinen Hype um ihn gegeben. Aber natürlich fänden nicht alle "Bernhard" toll. Schon 2019 ging ein Täter mit einem Baseballschläger auf die Anlage los. Er wurde jedoch geschnappt und musste eine Strafe zahlen.

Keiner kennt die Zahl angegriffener Blitzanlagen

Anders nach dem Vorfall im Februar. Zwar ging die Alarmanlage von "Bernhard" los, doch als jemand bei ihm ankam, hatte sich der Täter längst davon gemacht. Das Verfahren wurde eingestellt. Man könne die Anlagen nicht rund um die Uhr schützen, sagt der Stadtsprecher.

Wie viele Attacken auf Blitzer es pro Jahr in Deutschland gibt, wird nach Angaben des Bundeskriminalamtes nicht erhoben. Die Fälle fließen unter Sachbeschädigung in die Statistik ein. Diese können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft werden, erklärt die Staatsanwaltschaft Bielefeld.

Die Täter müssen dabei nicht immer verärgerte Autofahrer sein, die geblitzt wurden. "Vielleicht denken sie auch, dass der Blitzer, der in ihrer Straße steht, besonders falsch ist, dass sie das selbst besser entscheiden können", erklärt Sherine Franckenstein vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. Die Motivationen können ganz unterschiedlich sein. "Das kann impulsiv oder gezielt passieren. Das kann ein Freitagabend-Event sein, dass man Spaß daran hat, Sachen zu zerstören", erklärt die Psychologin.

Besonders bei Impulshandlungen etwas aus akuter Wut darüber, geblitzt worden zu sein, dürften sich die Täter oft nicht genug Gedanken über die Konsequenzen machen: "Das ist nicht zu Ende gedacht. Man bedenkt nicht, dass einen jemand dabei filmen oder entdecken könnte. Oder glaubt, dass man die Blitzer-Aufnahme mit der Zerstörung zurückholen kann, dass die noch nicht gespeichert ist." Bei einer solchen Handlung sei momentan kein Schuldbewusstsein vorhanden. "In diesem Zustand werden sie davon ausgehen, das Recht zu haben, die Blitzeranlage zu zerstören", sagt Franckenstein.

Es wird auch mal scharf geschossen

Im vergangenen Dezember drosch ein wohl verärgerter Autofahrer in Saarbrücken auf einen Blitzeranhänger ein und versuchte, ihn zu zerstören. Der unbekannte Mann sei von Zeugen gestört worden, als er mit dem Hammer auf den Anhänger einschlug, teilte die Polizei damals mit. Er flüchtete daraufhin gemeinsam mit einer Frau in einem in der Nähe abgestellten Auto.

Dabei wird nicht immer mit schwerem Werkzeug vorgegangen. Es kann sogar mal geschossen werden. So geschehen etwa im Februar in Groß Reken im Münsterland. Die stationäre Anlage "Starenkasten" wies mehrere Einschusslöcher auf und wurde stark beschädigt. Es entstand ein Schaden von rund 10.000 Euro. Ähnliches passierte nur ein paar Tage später in Friedrichshafen in Baden-Württemberg. Dort betrug der Schaden rund 1.000 Euro. Angriffe auf Blitzer kämen immer mal wieder vor, meist aber mit Spraydosen, sagt ein Sprecher der Polizei.

An der A1 am Dreieck Vulkaneifel etwa wurde eine Blitzeranlage im Oktober vergangenen Jahres angesteckt. Im Bereich der Polizei Trier sind zudem zwei Blitzeranhänger im Einsatz, die in der Vergangenheit wiederholt angezündet worden waren, hieß es damals. Mit Böllern wurde eine Anlage Anfang des Jahres in Leipzig attackiert.

"Bernhard" in Bielefeld ist noch nicht wieder eingesetzt. Momentan gebe es bei einem Ersatzteil Lieferprobleme, sagt der Sprecher der Stadt. Erst wenn dieses geliefert sei, könne er seinen Dienst wieder antreten. (David Langenbein, dpa)