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Egotrip oder Verzweiflungstat? - Prozess um Kindesentführung

Die Eltern trennen sich. Der Kampf um den Umgang mit dem Sohn mündet in der Entführung des Kindes nach Panama. In dem nun verhandelten Fall gibt es nur Verlierer.

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Der Angeklagte im Prozess um eine mutmaßliche Kindesentführung wartet im Amtsgericht auf den Beginn der Verhandlung.
Der Angeklagte im Prozess um eine mutmaßliche Kindesentführung wartet im Amtsgericht auf den Beginn der Verhandlung. © Uli Deck/dpa

Pforzheim. "Es war die Hölle", sagt die Mutter. "Ich wollte ihn beschützen", sagt der Vater - vor dem Amtsgericht Pforzheim entfaltet sich am Dienstag ein Drama rund um die Entführung eines Kindes nach Panama. Der 50-jährige Vater des Jungen ist angeklagt, den inzwischen Elfjährigen nach Panama gebracht zu haben. Eigentlich hätte er ihn nach einem Weihnachtsurlaub der Mutter übergeben müssen. Sie wartet vergeblich am vereinbarten Treffpunkt.

Den Vorwurf der Kindesentziehung räumt der Vater kurz nach Prozessbeginn ein. Er habe keine Wahl gehabt, sagt er. Seine Stimme bricht, wenn die Sprache auf den Sohn kommt. "Mir tut das alles so leid, vor allem für meinen Sohn", sagt er unter Tränen. "Das war nicht optimal, das weiß ich."

Die Mutter des Kindes ist beim Prozess als Nebenklägerin dabei. "Unser Leben wird nie mehr dasselbe sein", sagt sie vor Verhandlungsbeginn. "Niemand kann sich vorstellen, was wir durchgemacht haben." Es habe immer wieder Streit gegeben um den Umgang, ihr Ex-Partner sei ständig vor Gericht gezogen und werde das weiter tun. "Ich kenne ihn", sagt sie. Laut Anklage ist der Sohn durch die Ereignisse traumatisiert, hat Albträume, will den Namen seines Vaters nicht mal mehr hören. Er lebt seit der Festnahme des Vaters in Panama im Februar wieder bei seiner Mutter.

Panama-Reise für Freund und Gefährtin überraschend

Der in Nordrhein-Westfalen lebende Angeklagte nennt die Tat eine Verzweiflungstat. Nach der Trennung habe er sechs Jahre lang versucht, eine normale Beziehung zu seinem Kind aufrechtzuerhalten. Die Mutter aber sei mit ihm siebenmal umgezogen, "jedes Mal weiter weg". Die gemeinsame Zeit sei immer mehr beschnitten worden. Ein als Zeuge vernommener langjähriger Freund des Angeklagten verteidigt ihn engagiert. "Er war der beste Vater, den man sich vorstellen kann." Als er aber den Sohn nur noch alle vier Wochen habe sehen dürfen, sei er verstummt und habe nicht mehr viel darüber gesprochen.

Von einer nach Panama geplanten Reise waren der Freund ebenso wie die derzeitige Lebensgefährtin des 50-Jährigen überrascht gewesen, wie sie vor Gericht sagt. Sie hatten geglaubt, der Mann befinde sich mit seinem Sohn bei dessen Oma in Belgien, dem Heimatland des Vaters. "Das mit Panama hat er nie im Leben von langer Hand geplant", sagt die Freundin des Angeklagten.

Der 50-Jährige war von Belgien aus über Amsterdam nach Panama gereist, lebte dort in verschiedenen Hotels mit dem Kind. Mit internationalem Haftbefehl war er gesucht und schließlich festgenommen worden. Seit seiner Auslieferung nach Deutschland sitzt er in Untersuchungshaft.

Anwalt spricht vom größten Fehler seines Labens

Spekulationen, er sei Impfgegner gewesen und habe seinen Sohn deshalb entführt, bestätigen sich vor Gericht eher nicht. Ihr Freund sei "impfkritisch", sagt seine Freundin. "Aber kein Querdenker." Auch die Ex-Partnerin und Kindsmutter sieht das so. Er selbst ist nach eigener Aussage zweimal gegen Corona geimpft.

Auf die Fragen des Sachverständigen, was denn die Entführung bei dem Elfjährigen ausgelöst habe, weiß der Mann keine rechte Antwort. Es fällt ihm sichtlich schwer, Verantwortung zu übernehmen und die Perspektive des Kindes zu sehen. Sein Anwalt schaltet sich immer wieder ein, um dem Gericht zu vermitteln, dass sein Mandant den größten Fehler seines Lebens gemacht habe. "Das würde ich gerne von Ihnen hören", sagt der Richter zum Angeklagten.

Am Mittag steht die Vernehmung des Sohnes an. Die Öffentlichkeit wird auf Antrag der Mutter und mit Einverständnis aller Beteiligten ausgeschlossen. Vor der Unterbrechung der Verhandlung steht eine Erklärung des Angeklagten, die er wohl nach Rücksprache mit seinem Anwalt abgibt. "Ich hoffe, dass mir mein Sohn vergeben kann." Er weint. Kontakt zu seinem Sohn hat er nicht mehr. (Az.: 2 Ls 24 Js 6/22) (dpa)