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Immer wieder Kündigungsstreit mit Parship

Karmen Schulz hat Vertragsärger statt einen neuen Partner. Sie hofft nun auf eine Musterklage der Verbraucherzentrale.

Von Angelina Sortino
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Online auf der Suche nach der Liebe? Die Verbraucherzentrale Hamburg empfiehlt, bei Dienstleistern wie Parship erst mal eine kurze Vertragslaufzeit zu wählen. (Symbolbild)
Online auf der Suche nach der Liebe? Die Verbraucherzentrale Hamburg empfiehlt, bei Dienstleistern wie Parship erst mal eine kurze Vertragslaufzeit zu wählen. (Symbolbild) © 123rf

Während der Pandemie einen Partner zu finden, ist nicht leicht. Deshalb entscheidet sich Karmen Schulz dazu, es online bei der Partnervermittlung Parship zu versuchen. Die 56-Jährige ist eine von vielen. 37.000 Menschen melden sich laut der Plattform jede Woche an.

Zu Beginn einer Mitgliedschaft müssen Suchende einen langen Fragenkatalog beantworten. Die teils sehr intimen Antworten werden laut Parship dafür verwendet, um den Mitgliedern passende Partnervorschläge machen zu können.

Schulz ist voller Hoffnung und schließt eine Jahresmitgliedschaft ab. Dafür zahlt sie auch gern mehr. Eine Mitgliedschaft kostet zwischen 45,90 Euro und 79,90 Euro im Monat. Je länger die Vertragslaufzeit, desto niedriger der Preis. „Ich dachte, wenn ich so einen neuen Partner finden kann, dann ist es mir das wert.“

Anfangs gefallen ihr sowohl die Plattform als auch die ihr vorgeschlagenen Männer gut. „Ich hatte über 30 Nachrichten an einem Tag“, erinnert sich Schulz. Doch mit der Zeit brechen die Anfragen ein, und auch die Profile, die ihr von der Partnervermittlung vorgeschlagen werden, entsprechen nicht mehr ihren Vorstellungen. „Diese Männer waren oft schon seit Monaten nicht mehr online.“ So entschließt sich Karmen Schulz im Dezember dazu, ihre Mitgliedschaft zu kündigen. „Ich habe einfach gemerkt, dass Online-Dating nicht das Richtige für mich ist“, sagt sie.

Verbraucherzentrale plant Musterfeststellungsklage

Doch die Kündigung will Parship nicht akzeptieren, denn Schulz hat einen Jahresvertrag bei der Plattform abgeschlossen. „Laufzeitabhängige Verträge sind gängige Praxis – auch Fitnessstudios, Stromanbieter oder Zeitungen bieten ihren Kunden und Abonnenten vergleichbare Vertragsmodalitäten an“, erklärt Unternehmenssprecherin Jana Bogatz auf Anfrage der SZ.

Sowohl die Verbraucherzentrale als auch Rechtsanwalt Andreas Huettl sind sich jedoch einig, dass man die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio nicht mit der in einer Partnervermittlung vergleichen kann. „Es gibt nämlich eine gesetzliche Regelung im Paragraf 627 BGB, die besagt, dass man einen Vertrag, der durch ein besonderes Vertrauensverhältnis geprägt ist, jederzeit kündigen kann“, so Henning Fischer, Referent der Verbraucherzentrale. Dass bei einer nicht internetbasierten Partnervermittlung ein solches besteht, sei bereits höchstrichterlich entschieden worden. „Wir sind der Meinung, dass dieses Vertrauensverhältnis gegenüber Online-Partnervermittlungen wie Parship genau so besteht“, so Fischer. Deshalb plant die Verbraucherzentrale eine Musterfeststellungsklage und sucht dafür derzeit nach Betroffenen.

Ein zweites Mal fristlos gekündigt

Parship widerspricht Fischer: „Nach eigenen Angaben bezieht sich die Verbraucherzentrale mit ihrer Forderung auf eine alte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1987. Hiernach stellen klassische Heiratsvermittlungen einen ‚Dienst höherer Art‘ dar.“ Laut Unternehmenssprecherin Jana Bogatz sei das nicht mit den Dienstleistungen von Parship vergleichbar. „Diese Rechtsprechung aus den 1980er-Jahren findet nach unserer Auffassung im Rahmen von digitalen Dienstleistungen keine Anwendung mehr.“

Schulz wendet sich nach ihrer abgelehnten Kündigung an die Verbraucherzentrale und bekommt den Tipp, einfach noch mal zu fristlos zu kündigen. Daraufhin schlägt Parship ihr einen Vergleich vor. „Ich sollte einmalig 180 Euro bezahlen und damit sei die Sache erledigt.“ Schulz bezahlt. „Ich wollte da endlich raus sein.“ Ihre Wut hat sich aber bis heute nicht gelegt. „Es war vor allem dieser Vertrauensverlust, der schlimm war für mich. Es wird Kasse gemacht mit den Gefühlen anderer Menschen.“

Neben Parship verdienen auch viele andere Anbieter Geld mit dem Wunsch nach Liebe und Partnerschaft. Das ist für Schulz jedoch auch nicht das Problem. Sie findet nur, dass man die Chance haben sollte zu kündigen, wenn man es doch lieber wieder offline versuchen möchte. „Von dem Geld, das man da monatlich ausgibt, könnte man ja auch ausgehen und vielleicht da einen Partner finden.“

Betroffene gesucht

Der Leipziger Rechtsanwalt Andreas Huettl hat schon an die 200 Mandanten vertreten, die in einer ähnlichen Situation steckten wie Karmen Schulz. Viele von ihnen haben ihren Vertrag laut Parship zu spät gekündigt und sollten daraufhin noch ein weiteres Jahr ihre Mitgliedsbeiträge zahlen. Denn laut der AGB von Parship verlängern sich die Verträge automatisch. „Das Amtsgericht Hamburg entscheidet seit Jahren mit einem Urteil nach dem anderen, dass die von Parship verwendeten Vertragsverlängerungsklauseln unwirksam sind“, so Huettl. „Der Kunde kann auch dann kündigen, wenn er die in den Verträgen von Parship vorgesehene Kündigungsfrist nicht eingehalten hat.“

Seitdem bekannt ist, dass die Verbraucherzentrale eine Musterfeststellungsklage plant, häufen sich laut Referent Fischer Fälle, bei denen Parship die fristlosen Kündigungen von Kunden akzeptiert. Der Referent vermutet einen Zusammenhang: „In der Musterfeststellungsklage müssen wir eine Anzahl von Fällen betroffener Parship-Kunden dokumentieren. Gelingt uns das nicht, weist das Gericht die Klage allein deshalb zurück.“ Verbraucher hätten dadurch laut Henning Fischer jetzt aber die Gelegenheit, auch ohne Klage einfach aus den Verträgen herauszukommen und dadurch mehrere Hundert Euro einzusparen.

Parship möchte sich nicht dazu äußern, ob und warum sie Kunden gerade eine fristlose Kündigung ermöglichen. Auf SZ-Anfrage heißt es lediglich: „Grundsätzlich prüfen wir diesbezügliche Anliegen unserer Kunden individuell auf den jeweiligen Fall bezogen und können hierzu keine pauschale Aussage treffen.“

Was man beim Online-Dating beachten sollte

Karmen Schulz will mithilfe der Verbraucherzentrale gegen Parship klagen. „Ich habe meinen Fall für die Musterfeststellungsklage eingereicht.“

Wer dennoch offen dafür ist, online nach der Liebe zu suchen, der sollte laut Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg einiges beachten. Sie empfiehlt, bei Dienstleistern wie Parship erst mal eine kurze Vertragslaufzeit zu wählen. „Auch wenn das teurer erscheint.“ So können Kunden testen, ob Online-Dating überhaupt etwas für sie ist. Wer bereits innerhalb der ersten 14 Tage genug hat, sollte seinen Vertrags-Widerruf per Einschreiben verschicken. So kann man sichergehen, dass er auch eingegangen ist. Rehberg empfiehlt außerdem, monatlich zu zahlen. „Denn wenn der gesamte Jahresbeitrag bereits bezahlt ist, wird es schwer, das Geld bei einer Kündigung zurückzuholen.“ Zudem sollte man bei Vertragsschluss schon darauf achten, ob der Vertrag sich automatisch verlängert und wie viel früher man ihn kündigen muss. So oder so kann es helfen, den Vertrag gleich nach dem Abschluss wieder zu kündigen. „Dann kann man es später nicht vergessen.“

Auch der Europäische Gerichtshof hat sich schon mit Parship beschäftigt. Anders als Karmen Schulz hatte eine Frau bereits innerhalb der ersten 14 Tage gekündigt und so von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht. Weil sie auf eigenen Wunsch den Persönlichkeitstest der Plattform ausgefüllt und daraufhin Partnervorschläge erhalten hatte, wollte Parship ihr nur ein Viertel des Jahresabopreises zurückerstatten. Begründung: Die Leistungen, die sie bereits in Anspruch genommen hatte, würden den größten Wert der Dienstleistung ausmachen. Die Richter gaben überwiegend der Frau recht. Parship darf ihr nur anteilig Wertersatz für die vier Tage berechnen, an denen sie die Plattform vor ihrem Widerruf genutzt hatte. Angefragt worden war das oberste europäische Gericht vom Amtsgericht Hamburg, dem zu diesem Zeitpunkt mehrere Hundert ähnliche Klagen gegen Parship vorlagen.

Wer ebenfalls betroffen ist, kann seinen Fall unter www.musterfeststellungsklagen.de/partnervermittlung einreichen.