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Warum Ortsschilder bei Dieben beliebt sind

Schilder mit besonderen Namen werden gern gestohlen. Eine Firma aus Niedersachsen sorgt für Ersatz - und hat eine Erklärung für die Diebstähle.

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Michael Mazur, Abteilungsleiter Druckverfahren in der Fritz Lange GmbH, begutachtet den automatischen Zuschnitt einer Ortstafel von Wacken auf spezieller selbstklebender Folie.
Michael Mazur, Abteilungsleiter Druckverfahren in der Fritz Lange GmbH, begutachtet den automatischen Zuschnitt einer Ortstafel von Wacken auf spezieller selbstklebender Folie. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Springe. Wacken ist angesagt. Nein, nicht das Heavy-Metal-Festival. Sondern das Ortsschild. Das gilt auch für Kalifornien und Brasilien, beide nicht jenseits des Atlantiks, sondern an der Ostsee gelegen. Was die Ortsschilder leichter erreichbar macht. Ebenso in Hodenhagen, Fickmühlen, Bierbergen oder auch in Freiheit, einem Stadtteil von Osterode im Harz. All diese Orte eint: Ihre Ortsschilder werden mit Begeisterung gestohlen. Dann müssen neue her, wie auch Verkehrsschilder regelmäßig ausgetauscht werden. Jetzt stellt sich eine Frage, die der "Sendung mit der Maus" würdig wäre: Wo kommen all die Schilder her?

16 Hersteller von Verkehrszeichen gibt es in Deutschland, einer der Großen darunter ist die Fritz Lange GmbH in Springe in der Region Hannover. 120.000 Standardverkehrszeichen stellt das Unternehmen jedes Jahr her, wie Sprecherin Melanie Ilgay sagt. Außerdem riesige Brückenbeschilderungen, wie sie über Autobahnen hängen, zwischen 40 und 80 Quadratmetern groß, das entspricht der Fläche vieler Wohnungen. Dazu kommen besagte Ortsschilder, 3.000 Stück im Jahr. Und ganz nebenbei: Auch Straßenschilder werden gern gestohlen.

Verschweißte Schilder schützen vor Dieben

Davon kann Karl Gerhard Tamke, Bürgermeister der niedersächsischen Gemeinde Hodenhagen, ein Lied singen. Erst im vergangenen Februar sei ein neues Ortsschild aufgestellt worden - im März war es schon wieder weg. Ersetzt sei es noch nicht, denn die Frage sei: "Wie kriegen wir die Dinger befestigt? Da muss nur jemand mit einem Schraubenschlüssel kommen." Versuchsweise seien die Schrauben krummgeschlagen worden. Aber die Polizei winkt ab: Die Diebe kämen mit dem Akkubohrer.

Kirstin Geide, Mitarbeiterin im Versand der Fritz Lange GmbH, entnimmt ein blaues Verkehrsschild für einen geteilten Fuß- und Radweg aus einem Regal. Das niedersächsische Unternehmen mit Sitz in Springe stellt neben Verkehrsschildern und Ortstafeln auch g
Kirstin Geide, Mitarbeiterin im Versand der Fritz Lange GmbH, entnimmt ein blaues Verkehrsschild für einen geteilten Fuß- und Radweg aus einem Regal. Das niedersächsische Unternehmen mit Sitz in Springe stellt neben Verkehrsschildern und Ortstafeln auch g © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Axel Kunkel, Bürgermeister von Wacken in Schleswig-Holstein, ist schon einen Schritt weiter: Seit einigen Jahren würden die Schilder eingeschweißt statt angeschraubt, seitdem werde nichts mehr gestohlen. Jedenfalls an den drei Gemeindestraßen mit Ortsschildern. An drei Landesstraßen seien sie "regelmäßig weg". Dennoch geht der deutsche Städte- und Gemeindebund davon aus, dass das Problem, "nicht sehr weit verbreitet" sei, wie Experte Jan Strehmann sagt. Zahlen gebe es keine wie auch bei seinem niedersächsischen Kollegen Thorsten Bullerdiek. Der fragt sich nach eigenen Worten allerdings schon bei manchem Garten: "Wie kommt das Schild dahin?"

90 Prozent der Aufträge aus Niedersachsen und Bremen

Trotzdem: Das Geschäft mit Ortstafeln sei "sehr groß", Straßennamen seien "tägliches Geschäft", sagt Ilgay. Auch Schilder zur Geschwindigkeitsbeschränkung seien bei Dieben beliebt. Schwerpunktmäßig macht das Unternehmen seine Geschäfte in Niedersachsen und Bremen, 90 Prozent seien öffentliche Ausschreibungen. Angaben zu Umsatz oder Ergebnis macht Ilgay nicht.

Was steht gerade auf dem Programm? Geschwindigkeitsbeschränkungen und ein Ortsschild: genauer gesagt Tempo 130 und Ortsschild sowie Ortsausgangsschild von Wacken. Der 54-jährige Michael Mazur, Abteilungsleiter Druckverfahren, steuert den Druck, ein digitaler Flachbettdrucker wirft die entsprechenden selbstklebenden Bahnen aus. Es gebe "Hunderte von Regeln", erklärt Ilgay. Grafiker zeichnen die Schilder entsprechend der Vorgaben zunächst, nach der Freigabe durch den Kunden werden die Aluminiumbleche zugeschnitten, die Schilder ausgedruckt und ausgeschnitten, schließlich verklebt. Kleinere Schilder können der größeren Stabilität wegen am Rand umgebördelt sein, größere bekommen auf der Rückseite Traversen eingenietet.

Andrea Rehren verklebt Druckbahnen für ein Segment einer Brückenbeschilderung für die Autobahn A1.
Andrea Rehren verklebt Druckbahnen für ein Segment einer Brückenbeschilderung für die Autobahn A1. © Hauke-Christian Dittrich/dpa
Frank Kubitzka und Niklas Buddensieck, beide Industriemechaniker in der Fritz Lange GmbH, montieren die rund 60 Quadratmeter große Brückenbeschilderung für die Autobahn A1.
Frank Kubitzka und Niklas Buddensieck, beide Industriemechaniker in der Fritz Lange GmbH, montieren die rund 60 Quadratmeter große Brückenbeschilderung für die Autobahn A1. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Andrea Rehren verklebt Druckbahnen für ein Segment eines Großschildes für die Autobahn, positioniert die Folie sorgfältig und schiebt dann eine Walze darüber, damit alles glatt wird. So ein Element koste etwa 1.500 Euro: "Da sollte nichts schiefgehen", sagt die 58-Jährige. Dann wischt sie etwas Staub von dem Schildsegment ab. Da sei sie doch etwas pingelig. Großschilder werden sicherheitshalber in der Firma einmal komplett aus einzelnen Segmenten zusammengebaut: gefühlt nimmt die 60-Quadratmeter-Tafel die halbe Halle ein.

Ortsschild von Wacken: "Das ist Kult"

Dabei ist Neubau nicht alles: Geschäftsbereichsleiter Vedat Ilgay zeigt Anti-Sticker-Folie für Schilder - bekleben kann man sie kaum, beschmieren nur schwer, abwaschen vergleichsweise leicht. Seine eigene Erfindung, wie er sagt. Das Problem: Bislang reinigten die Straßenmeistereien die Schilder von Graffiti meist mit scharfen Mitteln, die Farben verblichen schnell und die Schilder reflektierten kaum mehr. Bundesweit gebe es etwa 25 Millionen Verkehrszeichen, jährlich ausgewechselt werden etwa 1,6 Millionen.

Vedat Ilgay zieht einen einzelnen Sticker von einem Verkehrsschild, auf das eine spezielle Anti-Sticker-Folie aufgebracht wurde. Darunter liegt ein Verkehrsschild ohne Spezialfolie, bestückt mit vielen Stickern. Die Folie kann kaum beklebt und nur schwer
Vedat Ilgay zieht einen einzelnen Sticker von einem Verkehrsschild, auf das eine spezielle Anti-Sticker-Folie aufgebracht wurde. Darunter liegt ein Verkehrsschild ohne Spezialfolie, bestückt mit vielen Stickern. Die Folie kann kaum beklebt und nur schwer © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Und der 44-Jährige warnt: Selbst fest vernietete oder verschweißte Ortsschilder würden gestohlen. "Das ist, wie soll ich sagen, die Natur des Menschen", meint er. Es muss ja nicht so weit gehen wie im Falle des österreichischen Orts Fugging, der zuvor Fucking hieß: Die Ortsschilder wurden geklaut, extra angereiste Männer zeigten sich in eindeutigen Posen, der Ruf des Orts war angekratzt. Dagegen versteht Bürgermeister Kunkel sogar irgendwie diejenigen, die ein Ortsschild von Wacken haben wollen: "Das ist Kult." (dpa)