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Polnischer Traum von deutschem Schloss

Eine polnische Krankenschwester verliebt sich in ein Schloss in der Uckermark. Sie will es als Wohnstätte für Senioren einrichten. Doch so einfach ist das nicht.

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Joanna Martis und ihr Geschäftspartner Adam Roslewski auf einem Balkon des sanierten Schlosses Biesendahlshof. Der deutsche Gesetzesdschungel stellt sie vor ungeahnte Herausforderungen.
Joanna Martis und ihr Geschäftspartner Adam Roslewski auf einem Balkon des sanierten Schlosses Biesendahlshof. Der deutsche Gesetzesdschungel stellt sie vor ungeahnte Herausforderungen. © Patrick Pleul/dpa

Von Jeanette Bederke

Biesendahlshof. Mit hellgelber Fassade, frisch gedecktem Dach und Säulen-gesäumter Treppe wirkt das Schloss Biesendahlshof in der Uckermark äußerst einladend. Der 1896 von der Adelsfamilie von Drewitz zwischen Schwedt und Prenzlau erbaute Neobarockbau liegt inmitten eines drei Hektar großen Parks und strahlt in der abgeschiedenen Endmoränenlandschaft Ruhe aus. Diesen Eindruck muss wohl auch Joanna Martis gewonnen haben, als sie das unter Denkmalschutz stehende Haus bei einer Radtour mit Freunden vor sechs Jahren zufällig entdeckte. "Ich habe es mit Herzblut aus Privatbesitz gekauft, weil ich spürte, dass es eine gute Seele hat", erinnert sich die Polin.

Als gelernte Krankenschwester, die an mehreren Universitäten im Nachbarland Projektmanagement sowie Management im Gesundheitswesen studiert hat, wusste sie damals sofort, was sie aus dem seit 22 Jahren leer stehenden Schloss machen wollte: eine Wohnstätte für Senioren. "Es ist einfach attraktiver, so ein Projekt auf der deutschen Seite zu realisieren", erzählt die 48-Jährige. Als Finanzpartner holte sie sich zwei polnische Ärzte mit ins Boot und gründete eine GmbH. Fünf Mitarbeiter hat Martis bereits, zwei stammen direkt aus Biesendahlshof. 20 Beschäftigte sollen es werden, wenn die 35 Senioren-Plätze im Schloss ausgelastet sind.

22 Jahr stand das Schloss leer. Die denkmalgerechte Sanierung des alten Hauses wurde teurer als gedacht.
22 Jahr stand das Schloss leer. Die denkmalgerechte Sanierung des alten Hauses wurde teurer als gedacht. © Patrick Pleul/dpa

Dass sich Polen in der Mark niederlassen und Firmen gründen, sei inzwischen keine Seltenheit mehr, sagt Norma Groß, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg. "848 polnische Unternehmer sind in unserem Kammerbezirk angemeldet. Motivation sind häufig die stabilere wirtschaftliche Lage in Deutschland, klare Gesetzeslagen sowie bessere Verdienstmöglichkeiten." Polnische Unternehmer würden zudem das Markenzeichen "Made in Germany" schätzen, um mehr Märkte zu erschließen und neue Kunden zu gewinnen, sagt sie.

Martis hat für ihren Traum viel Lehrgeld bezahlt. Nicht nur die denkmalgerechte Sanierung des alten Hauses wurde teurer als gedacht. Zu den genauen Investitionskosten schweigt sie. Die Zimmer auf den zwei Etagen waren im Frühjahr 2020 fertig, ebenso wie der Fahrstuhl sowie Küche und Speiseraum im Souterrain. Doch dann kam die Corona-Pandemie. "Erst durften wir keine Bewohner aufnehmen. Jetzt haben vor allem Angehörige Angst vor Ansteckung hier", beschreibt die Schlossherrin. Nerven habe auch "die schrecklich komplizierte deutsche Bürokratie" gekostet, deutet die Polin an. Die Verhandlungen mit den Pflegekassen seien noch nicht abgeschlossen, sagt sie.

Als gelernte Krankenschwester, die an mehreren Universitäten im Nachbarland Projektmanagement sowie Management im Gesundheitswesen studiert hat, wusste Joanna Martis sofort, was sie aus dem Schloss machen wollte: eine Wohnstätte für Senioren.
Als gelernte Krankenschwester, die an mehreren Universitäten im Nachbarland Projektmanagement sowie Management im Gesundheitswesen studiert hat, wusste Joanna Martis sofort, was sie aus dem Schloss machen wollte: eine Wohnstätte für Senioren. © Patrick Pleul/dpa

Drei ältere Damen wohnen bereits im Schloss. Wer möchte, kann eigene Möbel und sogar Hund oder Katze mitbringen. Ein Seniorenheim in klassischem Sinne ist die Einrichtung nicht.

"Solange sie ihre Anlage als Privateinrichtung betreibt und die Zimmer quasi wie in einem Hotel vermietet, ist dagegen nichts einzuwenden", erklärt eine Mitarbeiterin des Pflegestützpunktes in Schwedt (Uckermark). Die Bewohner seien Selbstzahler. Alles, was darüber hinaus ginge, müssten die Pflegekassen per Vertrag genehmigen.

Seit April gebe es Verhandlungen mit Frau Martis, bestätigt Dirk Becker, Sprecher der AOK Nordost. "Eine Zulassung als stationäre Versorgungseinrichtung wäre die richtige Option", sagt er. Sie aber beharre bisher auf einem ambulanten Pflegedienst. Nach einem kürzlich erfolgten erneuten Beratungsgespräch, habe Martis neue Unterlagen eingereicht, die gegenwärtig geprüft würden.

Der 1896 von der Adelsfamilie von Drewitz zwischen Schwedt und Prenzlau erbaute Neobarockbau liegt inmitten eines drei Hektar großen Parks.
Der 1896 von der Adelsfamilie von Drewitz zwischen Schwedt und Prenzlau erbaute Neobarockbau liegt inmitten eines drei Hektar großen Parks. © Patrick Pleul/dpa

Die Polin fühlt sich in dem winzigen Örtchen gut aufgehoben. "Die Dorfbewohner haben natürlich erst einmal geschaut, ob sich in dem ziemlich heruntergekommenen Schloss tatsächlich etwas tut", erzählt die Zugezogene. Nun freuten sich die Biesendahlshofer, dass der zentrale Schandfleck im Ort inzwischen zum attraktiven Blickfang geworden sei, meint sie.

Ortsvorsteher Jan Berger kann das bestätigen. Er bedauert jedoch, dass es sich Martis selbst schwer gemacht habe. "Sie hatte die rosarote Brille auf und hörte auf falsche Berater." Für Seniorenwohnen unter Pflegegesichtspunkten sind in Deutschland viele Genehmigungen notwendig. "Hätte sie das gleich beachtet, wäre sie schneller voran gekommen", sagt er.

Jetzt seien die Anwohner skeptisch, ob das Schloss irgendwann tatsächlich voll belegt sein wird. "Im Dorf gibt es kein zentrales Abwassersystem. Frau Martis musste extra eine Sickergrube bauen, die dann mit schweren Fahrzeugen regelmäßig geleert wird. Ganz zu schweigen vom zu erwartenden Besuchs- und Lieferverkehr", gibt Berger zu bedenken. (dpa)