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Silvesterfeiern unter Corona-Bedingungen

Viel weniger Menschen auf den Straßen, aber teils überraschend große Böllerbestände - so war der Jahreswechsel. Ein Mensch starb beim Böllern.

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Feuerwerk wird zu Neujahr bei der ZDF-Silvestershow "Willkommen 2021" am Brandenburger Tor gezündet. Deutschlands größte Silvesterparty in Berlin am Brandenburger Tor war dieses Jahr coronabedingt abgesagt.
Feuerwerk wird zu Neujahr bei der ZDF-Silvestershow "Willkommen 2021" am Brandenburger Tor gezündet. Deutschlands größte Silvesterparty in Berlin am Brandenburger Tor war dieses Jahr coronabedingt abgesagt. © Christophe Gateau/dpa

Von Matthias Arnold, Gregor Tholl und Matthias Armborst

Berlin. Beschaulich wie seit Jahrzehnten nicht, doch mit deutlich mehr Feuerwerk als erwartet - so ist Deutschland mitten in der Corona-Pandemie ins neue Jahr gestartet. Viele Straßen und Plätze blieben in der Neujahrsnacht deutlich leerer als gewohnt. Polizei und Rettungsdienste sprachen meist von ruhigen Lagen. Häufig wunderten sich Polizisten aber über die großen Böllerbestände der Feiernden.

"Dass es für Silvester so ruhig ist, hätten wir nicht gedacht", resümierte ein Sprecher der Münchner Berufsfeuerwehr kurz nach Mitternacht. Eine Kollegin in Stuttgart sagte, sie habe zwischenzeitlich auf ihr Kalenderblatt geschaut, so ruhig sei es gewesen. Die Düsseldorfer Innenstadt, wo ein Böllerverbot galt, war bis kurz vor Mitternacht menschenleer. "Wie in den vergangenen Monaten erlebten meine Kolleginnen und Kollegen den größten Teil der Bevölkerung als sehr vernünftig und einsichtig", bilanzierte der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek.

Kaum jemand verirrte sich in Berlin ans Brandenburger Tor, wo in den Vorjahren traditionell Hunderttausende die größte Silvesterparty des Landes feierten. Nun spielten dort Jürgen Drews oder die Band Karat für die Live-Übertragung der ZDF-Silvestershow - ohne Publikum vor Ort. Das traditionelle Höhenfeuerwerk hatte der Sender abgesagt.

Berlin: Die Straße des 17. Juni ist über Silvester vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule gesperrt.
Berlin: Die Straße des 17. Juni ist über Silvester vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule gesperrt. © Christophe Gateau/dpa

Trotz des Verkaufsverbots für Feuerwerk wurde teils kräftig geböllert, in Berlin etwa - nahe der Grenze zu Polen - leuchtete reichlich Feuerwerk am Himmel. "Man wundert sich über die Bestände, die manche Leute angeblich noch aus dem letzten Jahr hatten", sagte auch ein Polizeisprecher im grenznahen Kaiserslautern. Der Verdacht liege nahe, dass sich einige Bürger wohl Böller oder Raketen übers Internet oder aus dem Ausland besorgt hätten. "Es wäre beängstigend, wenn so viel Pyrotechnik vom letzten Jahr herumgelegen hätte." Auch die Feuerwehr-Gewerkschaft DFeuG sprach von "verhältnismäßig viel privatem Feuerwerk und Geböller".

Mit dem deutschen Verkaufsverbot von Feuerwerkskörpern sollten Menschenansammlungen und damit Corona-Infektionen vermieden werden.

Illegale Böller wollte etwa ein 21-Jähriger im rheinischen Moers unter das Volk bringen. Der junge Mann hatte dazu an Silvester laut Polizei große Mengen teils nicht zugelassener Feuerwerkskörper in einer Garage aufgebaut. Anwohner riefen die Polizei. Der 21-Jährige erhielt eine Anzeige wegen Verstoßes gegen das Sprengstoffgesetz.

Berlin: Vor dem Reichstagsgebäude stehen Polizeiautos. Das Regierungsviertel war komplett abgesperrt.
Berlin: Vor dem Reichstagsgebäude stehen Polizeiautos. Das Regierungsviertel war komplett abgesperrt. © Christophe Gateau/dpa

Schwere Unfälle mit Feuerwerk gab es wieder etliche in Deutschland: So starb ein 24-Jähriger in Brandenburg bei einem Unfall mit selbstgebastelter Pyrotechnik. In Schmalkalden in Thüringen wurde ein 24-Jähriger durch einen zu früh explodierenden Böller schwer verletzt. Laut Polizei hatte er den Böller selbst gezündet, zu befürchten sei, dass er erblinde.

Drei junge Männer wurden bei einer Explosion in einem Wohnhaus bei Osnabrück verletzt - einer von ihnen schwebt in Lebensgefahr. Die Männer hatten mit Chemikalien hantiert. Dabei kam es im Obergeschoss einer Doppelhaushälfte in Hilter zu der Explosion. Einem 21-Jährigen wurden Teile von Gliedmaßen abgetrennt. Er schwebt in Lebensgefahr. Laut Polizei entstand ein Sachschaden von rund 100.000 Euro, das Haus sei möglicherweise einsturzgefährdet.

Einem 25-Jährigen im Elsass wurde von einem Feuerwerkskörper "der Kopf abgerissen", wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete - sie berief sich auf die Präfektur des Départements Bas-Rhin. Ein weiterer Mann wurde bei dem Unfall bei Straßburg schwer am Kopf verletzt.

Köln: Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, besucht am Silvesterabend den Hauptbahnhof, um sich über die Arbeit der Polizei zu informieren.
Köln: Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, besucht am Silvesterabend den Hauptbahnhof, um sich über die Arbeit der Polizei zu informieren. © Henning Kaiser/dpa

Einen Angriff mit Böllern auf Einsatzkräfte gab es in Essen: Rund 30 junge Männer hätten zunächst Mülltonnen in Brand gesetzt, sagte ein Polizeisprecher. Als die Feuerwehr anrückte, seien die Einsatzkräfte mit Böllern beworfen worden. Polizeibeamte, die als Verstärkung gerufen wurden, seien ebenfalls mit Böllern beworfen worden. Einen 16-Jährigen nahmen die Beamten fest.

In Berlin-Buckow ging ein rund 800 Quadratmeter großer Supermarkt in Flammen auf und stürzte teils ein. Laut Feuerwehr waren offenbar im hinteren Bereich des Markts Feuerwerkskörper gelagert worden, die explodierten und während der Löscharbeiten durch die Gegend flogen. Rund 110 Kräfte waren bei dem Band im Einsatz.

Gut zu tun hatten die Einsatzkräfte auch in Leipzig, wo sieben Bundeswehr-Jeeps auf dem Gelände eines Autohandels ausbrannten. Die Polizei geht von Brandstiftung aus.

In Berlin, aber auch andernorts musste die Polizei zudem immer wieder kleinere Menschengruppen auflösen. Mehr als 80 Regelbrecher wurden dort vorübergehend festgehalten wegen Verstößen gegen das Infektionsschutzgesetz, wie ein Sprecher sagte. Polizeisprecherin Patricia Brämer fand dennoch lobende Worte: "Wir möchten uns bei den vielen Berlinerinnen und Berlinern bedanken, die sich an die Verordnungen gehalten haben."

Stuttgart: Menschen ziehen bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung durch Stuttgart.
Stuttgart: Menschen ziehen bei einer Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung durch Stuttgart. © dpa

Die Fernseher in Deutschland liefen häufiger. Deutlich mehr Interesse gab es diesmal an der - wohl letzten - Neujahrsansprache von Kanzlerin Angela Merkel, die fast neun Millionen Zuschauer schauten. 2019 hatten nur etwa 5,1 Millionen bei ARD und ZDF eingeschaltet.

Private Feiern waren bundesweit nur in kleinem Rahmen erlaubt. Vielerorts beendete die Polizei kleinere nicht erlaubte Wohnungspartys. In Oldenburg etwa sprengte die Polizei eine Party mit 18 Personen. Hier wurde eine Wohnungstür zwangsweise geöffnet, weil niemand aufs Klingeln der Einsatzkräfte reagierte. Die Partygäste im Alter zwischen 18 und 25 Jahren zeigten sich uneinsichtig, Ordnungswidrigkeitsverfahren wurden eingeleitet.

Gefordert war die Polizei vielerorts als Auskunftsgeber, etwa in Hessen: Es habe "jede Menge Anrufe" gegeben, sagte ein Sprecher: Mit wie vielen Leuten darf ich mich treffen? Darf ich um Mitternacht raus? Solche Fragen stellten die Bürger nicht nur den Polizeidienststellen, sondern auch bei der Notrufnummer 110.

Frankreich, Paris: Ein Polizist patrouilliert am Trocadero vor dem beleuchteten Eiffelturm.
Frankreich, Paris: Ein Polizist patrouilliert am Trocadero vor dem beleuchteten Eiffelturm. © Stefano Rellandini/AFP/dpa

In vielen Ländern der Welt fielen die Silvesterfeiern wegen der Corona-Pandemie verhaltener aus als sonst. Nicht nur in Italien und Frankreich herrschten nächtliche Ausgangssperren. Viele Partys und Feuerwerke wurden abgesagt, darunter Festivitäten in Amsterdam, London und Rio de Janeiro.

In der italienischen Stadt Bergamo, die bei der ersten Corona-Welle im Frühjahr besonders viele Tote zu beklagen hatte, war manchen gar nicht zum Feiern zumute. Die Verantwortlichen dort organisierten dann aber doch ein spezielles Event mit TV-Aufzeichnung, um das Coronavirus - oder besser das ganze Jahr 2020 - symbolisch zu verbrennen, wie es hieß.

Griechenland, Athen: Ein Feuerwerk erleuchtet die Akropolis. In Griechenland wurde der Jahreswechsel landesweit mit riesigen Feuerwerken gefeiert - es wurde weitaus mehr geböllert als zuvor.
Griechenland, Athen: Ein Feuerwerk erleuchtet die Akropolis. In Griechenland wurde der Jahreswechsel landesweit mit riesigen Feuerwerken gefeiert - es wurde weitaus mehr geböllert als zuvor. © Eurokinissi via ZUMA Wire/dpa

In Griechenland wurde der Jahreswechsel landesweit mit riesigen Feuerwerken gefeiert - es wurde weitaus mehr geböllert als zuvor. Medien berichteten von "einer der spektakulärsten pyrotechnischen Shows aller Zeiten". Feuerwerk zu Silvester ist in Griechenland längst nicht so üblich wie in Deutschland. Weil dieses Jahr aber ein Ausgangsverbot galt, überboten sich Städte in Sachen Pyrotechnik.

Während das berühmte Pariser Feuerwerk in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie entfallen musste, kamen Elektro-Liebhaber auf ihre Kosten. Gleich zwei Stars inszenierten Shows vor der Kulisse von Pariser Wahrzeichen: Elektropop-Pionier Jean Michel Jarre (72) läutete das neue Jahr in einer virtuellen Notre-Dame-Kathedrale ein, Elektro-DJ David Guetta (53) beglückte seine Fans mit einer aufgezeichneten Musikshow vor dem Louvre.

Australien, Sydney: Im Hafen treibende Boote werden vom Feuerwerk beleuchtet, das von der Sydney Harbour Bridge und dem Opernhaus (l) aus gestartet wird.
Australien, Sydney: Im Hafen treibende Boote werden vom Feuerwerk beleuchtet, das von der Sydney Harbour Bridge und dem Opernhaus (l) aus gestartet wird. © Mick Tsikas/AAP/dpa

In vielen Ländern begann das neue Jahr schon deutlich früher: Als weltweit Erste - bereits um 11 Uhr mitteleuropäischer Zeit - rutschten die Südsee-Inseln Samoa und Kiribati ins neue Jahr. Auch dort war die Neujahrsstimmung wegen Corona gedämpft.

Eine Stunde später schossen in Neuseeland die Feuerwerkskörper in die Höhe. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern verzeichnete der Inselstaat im Südpazifik seit mehr als einem Monat keine lokalen Corona-Fälle mehr. Daher fanden Musikfestivals und Feuerwerksshows ohne Begrenzungen der Besucherzahl oder andere Einschränkungen statt. Am Hafen und Opernhaus von Sydney in Australien waren beim Feuerwerk diesmal keine Zuschauer zugelassen.

USA: New York: Jaclyn Bernstein, die zu den nur wenige Dutzend geladenen Gästen zählt, steht in den ersten Minuten des neuen Jahres im Konfettiregen auf dem Times Square. Normalerweise kommen jedes Jahr rund eine Million Menschen auf den Times Square - do
USA: New York: Jaclyn Bernstein, die zu den nur wenige Dutzend geladenen Gästen zählt, steht in den ersten Minuten des neuen Jahres im Konfettiregen auf dem Times Square. Normalerweise kommen jedes Jahr rund eine Million Menschen auf den Times Square - do © Craig Ruttle/FR61802 AP/dpa

Mit einem farbenprächtigen Feuerwerk samt Lasershow am höchsten Gebäude der Welt - dem Burdsch Chalifa - begrüßte Dubai das neue Jahr. In Moskau gab es trotz Corona-Sperrstunde ein großes Feuerwerk am Kreml.

In anderen Ländern müssen sich die Menschen noch etwas gedulden - so auch in den verschiedenen Zeitzonen der USA: New York kann das neue Jahr erst um 6.00 Uhr MEZ mit dem "Ball Drop" am Times Square begrüßen, bei dem ein leuchtender Kristallball an einem Mast hinabgelassen wird - diesmal aber vor wenigen Schaulustigen statt wie sonst Tausenden. Um 9.00 Uhr folgt Los Angeles an der Westküste und erst um 11.00 Uhr Honolulu im Bundesstaat Hawaii.

Bis 13.00 Uhr MEZ am 1. Januar dauert es, bis der ganze Globus ins neue Jahr gerutscht ist. Als letztes sind die Bakerinsel und die Howlandinsel im Pazifik dran. Stören dürfte sich daran niemand: Beide Inseln sind unbewohnt. (dpa)