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Trier: Haftbefehl wegen Mordes erlassen

Warum mussten fünf Menschen sterben? Dem gehen Ermittler weiter nach. Der festgenommene Autofahrer muss vor den Richter. Eine Stadt steht unter Schock.

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An mehreren Stellen in der Fußgängerzone haben Menschen zum Gedenken an die Opfer Kerzen aufgestellt.
An mehreren Stellen in der Fußgängerzone haben Menschen zum Gedenken an die Opfer Kerzen aufgestellt. © dpa

Trier. Nach der tödlichen Amokfahrt mit einem Auto in der Fußgängerzone in der Trierer Innenstadt ist gegen den Tatverdächtigen Haftbefehl wegen Mordes in fünf Fällen ergangen. Das teilte die Staatsanwaltschaft Trier am Mittwoch mit. Zudem werde er wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung in 18 weiteren Fällen beschuldigt.

Nach der Entscheidung des Ermittlungsrichters des Amtsgerichts Trier kommt der 51-jährige Deutsche somit in Untersuchungshaft. Wegen Hinweisen auf eine mögliche psychische Erkrankung war auch die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung infrage gekommen.

Der Mann aus dem Kreis Trier-Saarburg werde nach Auffassung der Staatsanwaltschaft "dringend verdächtigt", am Dienstagnachmittag mit einem PS-starken Sportgeländewagen mit hoher Geschwindigkeit "wahllos und gezielt" Passanten an- und überfahren zu haben. Es sei seine Absicht gewesen, "so viele Menschen wie möglich zu töten oder zumindest zu verletzen", hieß es in einer Mitteilung. Der Mann war nur vier Minuten nach der Alarmierung der Polizei gestoppt und festgenommen worden.

Einsatzkräfte von Polizei sind in der Fußgängerzone im Einsatz, in der ein Auto mehrere Menschen erfasst und nach vier von ihnen tödlich verletzt hat.
Einsatzkräfte von Polizei sind in der Fußgängerzone im Einsatz, in der ein Auto mehrere Menschen erfasst und nach vier von ihnen tödlich verletzt hat. © Harald Tittel/dpa

In der Fußgängerzone starben fünf Menschen: Drei Frauen im Alter von 25, 52 und 73 Jahren sowie ein 45 Jahre alter Mann und seine neuneinhalb Wochen alte Tochter. 18 weitere Menschen wurden im Verlauf der Amokfahrt verletzt, sechs schwer. Die Zahl der Verletzten hatte sich seit Dienstagabend erhöht, weil es noch Nachmeldungen gab. Die Mutter des Babys hat überlebt und liegt den Behörden zufolge ebenso im Krankenhaus wie ihr eineinhalb Jahre alter Sohn.

Das Motiv für die Tat ist laut Staatsanwaltschaft noch unklar. In seinen Vernehmungen habe der Mann "wechselnde und in Teilen nicht nachvollziehbare Angaben" gemacht, teilten die Ermittler mit. Daraus ließen sich bisher weder ein nachvollziehbares Motiv für die Tat noch Einzelheiten zum Tathergang herleiten. Die Vernehmung des Mannes werde in den nächsten Tagen fortgesetzt.

Es gebe keine Anhaltspunkte "für etwaige politische, religiöse oder ähnliche Motive". Der Beschuldigte habe bei der Tat unter Alkoholeinfluss gestanden.

Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) sprach nach der Amokfahrt vom schwärzesten Tag für die Stadt in der Nachkriegsgeschichte. Am Mittwochvormittag wird am Trierer Wahrzeichen Porta Nigra der Opfer gedacht. Im Trierer Dom beteten bereits am Dienstagabend rund 100 Menschen für die Toten, die Verletzten und ihre Angehörigen.

Die Innenstadt wurde nach der Tat für die weiteren Ermittlungen weiträumig abgesperrt. In der Nacht waren die Tatortarbeiten dann abgeschlossen, die Fußgängerzone wurde wieder freigegeben.

Tage im Auto verbracht

Nach Angaben der Polizei verbrachte der Amokfahrer die vergangenen Tage in seinem Auto. Er habe die Zeit nicht in einer Wohnung verbracht, sagte Franz-Dieter Ankner, Vizepräsident des Polizeipräsidiums Trier. Der Verdächtige sei ein 1969 in Trier geborener deutscher Staatsbürger.

Augenzeugen berichteten, dass am Ort des Vorfalls nahe der Porta Nigra Menschen durch die Luft geschleudert worden seien. "Was in Trier geschehen ist, ist erschütternd", erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter. "Die Gedanken sind bei den Angehörigen der Todesopfer, bei den zahlreichen Verletzten und bei allen, die in diesem Moment im Einsatz sind, um die Betroffenen zu versorgen."

Mitten an einem ganz normalen Tag seien Menschen aus dem Leben gerissen worden, sagte Dreyer. "Das ist einfach sehr schlimm für uns alle". Sie sei mit ihren Gedanken bei den Verletzten und Schwerverletzten und hoffe und bete, dass sie überlebten und gesundeten.

Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz gibt vor der Porta Nigra in Trier ein Statement zur Amokfahrt vom Nachmittag.
Malu Dreyer (SPD), Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz gibt vor der Porta Nigra in Trier ein Statement zur Amokfahrt vom Nachmittag. © Harald Tittel/dpa

Rund 300 Helfer von Feuerwehr, Rettungsdiensten und anderen Hilfsorganisationen waren laut Behörden im Einsatz. Die Kliniken in der Stadt hätten sofort auf Notfallbetrieb umgeschaltet, die Patienten hätten unmittelbar dorthin gebracht werden können. Innenminister Roger Lewentz (SPD) sagte, dass außerdem rund 450 Polizisten im Einsatz waren. Der ADAC schickte Rettungshubschrauber.

Die rheinland-pfälzischen CDU-Politiker Julia Klöckner und Christian Baldauf äußerten sich schockiert und betroffen. Sie seien erschüttert über die "Amokfahrt", teilten die CDU-Landeschefin und der CDU-Landtagsfraktionschef mit. "Unsere Gedanken sind bei den Verletzten vor Ort. Wir trauern mit den Angehörigen der Toten", erklärten sie. "Wir danken den Helfern und Rettungskräften für ihre Arbeit. Jetzt gilt es die weiteren Ermittlungen abzuwarten."

Wenn Fahrzeuge zur Waffe werden

Münster, Bottrop, Trier - Autos wurden auch hierzulande schon mehrfach für Angriffe gegen Passanten genutzt. Fünf Fälle:

  • Volkmarsen, Februar 2020: Am Rosenmontag steuert ein 29 Jahre alter Deutscher sein Auto absichtlich in die Menge. In der nordhessischen Stadt werden Dutzende Menschen verletzt, darunter 20 Kinder. Einen politischen Hintergrund schließen die Ermittler aus. Wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung kommt der Täter in Untersuchungshaft.
  • Bottrop, Januar 2019: Wenige Minuten nach dem Jahreswechsel fährt ein Autofahrer im Ruhrgebiet in eine Menschenmenge. Es gibt vier Verletzte, darunter Menschen mit Migrationshintergrund. Zwei weitere Versuche, in Bottrop und Essen Passanten anzufahren, schlagen fehl. Der 50 Jahre alte Täter wird in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen.
  • Münster, April 2018: Ein Mann rast mit einem Campingbus in eine Gruppe von Menschen vor einer beliebten Gaststätte, dann erschießt er sich. Fünf Menschen sterben, mehr als 20 werden verletzt. Die Ermittler gehen davon, dass der Täter psychisch krank war.
  • Heidelberg, Februar 2017: Am Rande der Altstadt fährt ein 35-Jähriger seinen Mietwagen in eine Menschengruppe auf dem Gehweg. Ein 73 Jahre alter Mann stirbt. Der Täter gilt als schuldunfähig, die Richter weisen ihn dauerhaft in die Psychiatrie ein.
  • Berlin, Juli 2006: Während der Fußball-WM fährt ein 33-Jähriger mit seinem Kleinwagen absichtlich in die Menschenmenge auf der Fanmeile am Brandenburger Tor. Rund 20 Menschen werden verletzt. Der Amokfahrer kommt in eine psychiatrische Klinik. (dpa)