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Dicke Luft im Hausflur

Eine Familie aus Hellerau fühlt sich vom Geruch aus der Nachbarwohnung gestört. Die rechtliche Lage ist schwierig.

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© René Meinig

Von Sarah Herrmann

Wenn Nicole Guzinski ihre Wohnung verlässt, hält sie meist die Luft an. Seit 2011 wohnt sie mit Mann und Kind in einem kleinen Mehrfamilienhaus in Hellerau, vor vier Jahren wuchs die Familie um einen weiteren Sohn. Doch das Idyll am Stadtrand wird getrübt. Die Mieterin, die gegenüber lebt, mache ihnen das Wohnen zur Qual. Die Nachbarin verlasse manchmal wochenlang die Wohnung nicht – nicht mal, um den Hund auszuführen. Es sei ein bestialischer Gestank, der dann durchs ganze Haus zieht, sagt auch Anette Hendrich, die unter Familie Guzinski wohnt. „Anfangs haben wir immer mal wieder geklopft und mit ihr geredet.“ Das habe aber auf Dauer nie geholfen. Also suchten sich vier der sechs Mietparteien gemeinsam Hilfe. „Aber niemand fühlt sich zuständig“, beschwert sich Guzinski. „Wir haben natürlich den Vermieter angeschrieben.“ Seit Mitte 2017 ist das die Berliner Immobilienfirma Deutsche Wohnen. Ein Mitarbeiter sei aber nie vor Ort gewesen.

Das bestätigt Pressesprecher Marko Rosteck auf SZ-Anfrage zwar. „Wir haben aber versucht, mit der Mieterin in Kontakt zu treten“, sagt er. Zusammen mit dem Gesundheitsamt habe sich die Firma zu einem Besuch angekündigt. „Doch wir wurden nicht in die Wohnung reingelassen.“ Auch die SZ suchte den Kontakt. Der Bitte um Rückruf kam die Beschuldigte aber rund eine Woche nicht nach. Die Anschuldigungen gegen die Mieterin bezeichnet Rosteck als glaubwürdig. Bestätigen kann er sie aber nicht, weil er die Wohnung nicht von innen gesehen hat. Die fristlose Kündigung sei der Mieterin dennoch bereits zugegangen – allerdings nicht wegen der geschilderten Probleme. „Die Mieterin ist darüber hinaus im Mietrückstand“, sagt Rosteck. Andernfalls wäre die rechtliche Lage schwierig gewesen.

Stadt ermittelt wegen Tierquälerei

Das bestätigt auch der Mieterverein Dresden. „In Mehrfamilienhäusern ist für ein angenehmes Miteinander zunächst von allen Bewohnern gegenseitig Rücksicht zu nehmen. Sind Beeinträchtigungen nicht in einem Gespräch unter den Nachbarn abzustellen, haben Mieter bei einer direkten Beeinträchtigung das Recht, die Störung dem Vermieter als Mangel mitzuteilen“, teilt Sprecherin Katrin Kroupová mit. Dann müsse der Vermieter für die „Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustandes“ sorgen. Dies könne notfalls mit einer Klage durchgesetzt werden. Im Extremfall haben die beeinträchtigten Mieter sogar Anspruch auf Schadensersatz und Anspruch fristlos zu kündigen. Ist die Wohnung nicht mehr bewohnbar, kann die Miete gemindert werden. Allerdings empfiehlt die Sprecherin, vorher eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen. Nur so könne der Einzelfall geprüft werden. Denn wann eine direkte Beeinträchtigung vorliegt, sei schwer zu sagen.

Es gehe ihnen nicht ums Geld, sagt Guzinski. Vielmehr wöllten die Mieter ihre Wohn- und Lebensqualität zurück. Sie machen sich durchaus Sorgen um den gesundheitlichen Zustand der Nachbarin. Diese brauche vielleicht eine Wohnung, in der Betreuer sie unterstützen. Sorgen machen sich die Hellerauer zudem um den Hund und die zwei Katzen, die in der Nachbarwohnung leben sollen. Sie wissen nicht, wie es den Tieren geht. Den Hund nicht auszuführen, halten sie für Tierquälerei und haben diese beim Veterinäramt angezeigt. „Die Anzeige ist bekannt und wird bearbeitet“, teilt Stadtsprecherin Anke Hoffmann mit. Mehr Angaben könne sie zu dem laufenden Verfahren nicht machen.

Wohl aber zum generellen Vorgehen der Behörde: Erhält das Veterinäramt eine Anzeige, werde eine Vor-Ort-Kontrolle durchgeführt. „Wenn Verstöße gegen das Tierschutzrecht festgestellt wurden, verfügt das Amt Maßnahmen, die nicht tierschutzkonforme Tierhaltung zu ändern. Es werden Zeiträume vorgegeben, in denen die Forderungen umzusetzen sind“, erklärt Hoffmann. Passiert dies nicht, könne das Tier weggenommen werden. Dies ist den Mitarbeitern auch dann möglich, wenn Leib und Leben des Tiers in Gefahr ist.

Zu diesem drastischen Mittel wird nur selten gegriffen. So wurden im vergangenen Jahr in ganz Dresden vier Tiere aus Haushalten geholt. Eingegangen waren 194 Anzeigen. In 68 Fällen bestätigte sich der Verdacht und Forderungen wurden gestellt. Oft lasse sich eine Misshandlung im Nachhinein nicht mehr beweisen. Deswegen sei es wichtig, dass es mindestens zwei Zeugen gibt und die Anzeige unmittelbar nach dem Vorfall getätigt wird. „Bei Verdacht auf Misshandlungen von Tieren benötigt das Veterinär und Lebensmittelüberwachungsamt ebenfalls den Namen des Verursachers, den Ort und das Datum sowie die Uhrzeit der Vorfälle“, so Hoffmann.

In der Verbraucherzentrale am Fetscherplatz 3 findet am 16. Mai ab 18 Uhr eine Veranstaltung zum Thema „Rauchen, Musizieren und andere Streitpunkte im Mehrfamilienmietshaus“ statt. Die Teilnahme kostet fünf Euro.