Von Martin Welker und Jonas-Erik Schmidt
Bingen. Bernd Lucke ist nicht da und doch allgegenwärtig. Der einstige Parteigründer der Alternative für Deutschland (AfD) macht mittlerweile sein eigenes Ding - in Form der Konkurrenzpartei „Allianz für Fortschritt und Aufbruch“ (Alfa). Geschlossen ist das Kapitel Lucke für die AfD damit aber noch lange nicht, das wird beim außerordentlichen Parteitag des rheinland-pfälzischen Landesverbandes am Samstag in Bingen deutlich.
Zu Gast in der Stadt am Rhein ist der stellvertretende AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland. Er verliert bei seiner Rede kaum Zeit. Die Neupartei Alfa sei „nicht lebensfähig“ und Lucke ein „Lügner“. Die AfD sei weder unterwandert noch nach rechts gerückt. Gauland bekommt kräftigen Applaus.
Rund 125 Mitglieder sind nach Bingen gekommen. Nachdem sich auf dem Bundesparteitag in Essen der national-konservative Flügel durchgesetzt hatte, war der halbe Vorstand des Landesverbandes zurückgetreten. „Ich bin nicht in eine Pegida-Partei eingetreten“, hatte der damalige Landeschef Uwe Zimmermann gesagt und sich Luckes Alfa angeschlossen. Nun muss nachgewählt werden. Für Zimmermann rückt der bisherige Stellvertreter Uwe Junge an die Spitze auf.
Die Bewerbungsreden der Kandidaten fallen laut und knapp aus. Es fallen Sätze wie „Demografische Probleme lassen sich nicht durch Zuwanderung lösen“ und „Die gute Bezahlung von Professoren wird gewährleistet durch Zehntausende, die morgens um sechs Uhr aufstehen, um zur Arbeit zu gehen“. Immer wieder gibt es Spitzen gegen Lucke. Von außen dringt Musik in den Saal. Rund 60 AfD-Gegner sind gekommen, um gegen die Positionen der Partei zu protestieren.
Welche Chancen die AfD nach den Querelen bei Wahlen noch hat, wird recht bald zu beobachten sein - im März 2016 wird in Rheinland-Pfalz ein neuer Landtag gewählt. In Umfragen des Südwestrundfunks (SWR) hatte die AfD seit Mai 2014 stets den Einzug ins Parlament geschafft. Bei der jüngsten war das nun anders.
Bei den Wahlen in den westdeutschen Stadtstaaten Hamburg und Bremen habe die AfD bereits vergleichsweise schlecht abgeschnitten, sagt der Mainzer Politikwissenschaftler Kai Arzheimer. „Der lange Streit, die faktische Spaltung der Partei und die gefühlte Radikalisierung der Rumpf-AfD haben ihrem Ansehen weiter geschadet.“ Die Chancen auf einen Landtagseinzug stünden seiner Ansicht nach aktuell bei höchstens fünfzig Prozent. Und die Alfa? „Auf kurze und mittlere Sicht liegt die Bedeutung von Alfa vor allem darin, daß sie die Strukturen der AfD schwächt.“
Wie viele Stimmen die Partei am Ende bekommt, entscheidet in Rheinland-Pfalz allerdings über viel mehr als nur das Schicksal der AfD. „Kommen weder AfD noch FDP in den Landtag, haben wir die einfachste Konstellation: Rot-Grün oder eine Alleinregierung der CDU.“ Für die CDU könnte es bei einem Drei-Parteien-Landtag aber schwierig werden, die Ministerpräsidentin zu stellen, sagt der Politikwissenschaftler Uwe Jun von der Uni Trier. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) könnte dann weiterregieren. Schafft es die AfD hingegen, würde es für Rot-Grün eng.
Die Landtagswahl im März erscheint beim AfD-Parteitag in Bingen gleichwohl noch weit entfernt. Die Partei ist noch mit sich selbst beschäftigt. (dpa)