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Die Angst vor dem Krach

Anwohner aus Gröba protestieren gegen den Hafenausbau. Schon jetzt nervt sie der Lkw-Lärm.

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© Lutz Weidler

Von Stefan Lehmann

Riesa. Kurz hinter der Schlossbrücke beginnt in Gröba ein Stück Vorstadt-Idylle. Kleine Ein- und Mehrfamilienhäuser, Obstbäume in den Vorgärten, der Park nur wenige Gehminuten entfernt. Wer hierher zieht, der hat das nicht wegen der guten Verkehrsanbindung getan oder weil die Einkaufsmöglichkeiten so zahlreich sind – sondern in erster Linie, weil es hier im Sommerhalbjahr so grün ist – und das ganze Jahr über verhältnismäßig ruhig. Auch Toralf Schadewitz weiß das zu schätzen. Seit drei Jahren wohnt er mit seiner Familie am Dammweg. In Gröba sei er aufgewachsen, es gefällt ihm hier – bis jetzt.

Denn Schadewitz fürchtet, dass es mit der Ruhe bald vorbei sein könnte. Grund sind die Pläne der Sächsischen Binnenhäfen Oberelbe (SBO). Die wollen am gegenüberliegenden Ufer des Hafenbeckens ein Containerterminal errichten. Wenn das steht, dann könnten die Anwohner um ihren Schlaf gebracht sein, fürchtet Toralf Schadewitz. Einen ersten Vorgeschmack auf das, was sie erwarten könnte, hätten die Gröbaer schon erhalten, sagt er. Seit vergangenem Jahr steht auf dem Gelände bereits eine Containerhalle. „Schon jetzt ist es laut, wenn morgens die Lkws zurücksetzen und die Hupe geht.“ Wie solle das erst werden, wenn im Drei-Schicht-Betrieb gearbeitet wird und auch nachts die Lastwagen durch das Terminal rollen?

Schadewitz erinnert sich noch daran, wie zu Ostzeiten im Hafen Schüttgut verladen wurde. Das sei kein Vergleich zu heute gewesen. „Als die Wende kam, war Ruhe hier – der Unterschied war schon da.“ Schadewitz sorgt sich nun, dass alles von vorn losgehen könnte. Und er ist damit nicht allein: Als er von den Plänen der SBO erfuhr, sammelte er Unterschriften gegen das Vorhaben. Innerhalb von zwei Tagen seien 65 Unterschriften zusammengekommen. Mehr Zeit zum Sammeln habe er nicht gehabt, weil die Einwendungsfrist endete.

Die Anwohner ärgere auch, wie die SBO mit ihrer Kritik umgeht. „Die Probleme werden von der SBO bagatellisiert.“ Schadewitz verweist zum Beispiel auf die Aussage von SBO-Chef Heiko Loroff, dass ein Lkw so laut sei wie zehn – es also gar nicht lauter werde. Natürlich sei das richtig, räumt Schadewitz ein. Aber den Lkw-Krach habe man dafür eben deutlich öfter, die Belastung werde also doch größer.

Schadewitz hätte sich mehr Kompromissbereitschaft seitens des Hafenbetreibers gewünscht. „Wenn ein Vorhaben solch ein Konfliktpotenzial birgt, hätte man sich auch vorher schon mit den Anwohnern und den Betroffenen zusammensetzen können.“ Das sei aber leider nicht passiert. Zweifel hegt der Gröbaer auch an den Lärmschutz-Gutachten, die der Hafenbetreiber vorgelegt hat. Die seien schließlich im Auftrag der SBO entstanden – und damit nicht so unabhängig, wie es sich die Anwohner gewünscht hätten.

„Natürlich können wir im Nachgang selbst Gutachten erstellen lassen“, sagt Schadewitz, „aber das kostet“. Eigentlich hätte hier doch die Landesdirektion Sachsen eine unabhängige Untersuchung starten müssen. Eine Ansicht, die der BUND nicht teilt. „Wenn das Land jedes Gutachten selbst zahlen würde, wäre das auch nicht jedem recht“, sagt die stellvertretende Vorsitzende Franziska Heß. Dennoch haben auch die Naturschützer Zweifel an den Gutachten. Die seien nämlich „hart am Grenzwert“ berechnet, so Heß. Die Einhaltung der Lärmschutzgrenzen stehe und falle zum Beispiel damit, ob tatsächlich durchgängig eine Lärmschutzwand aus Containern gestellt werden kann, wie es die SBO plant.

Den Anwohnern wäre es am liebsten, wenn das neue Terminal ganz umziehen würde. Es gebe auch Studien zum Ausbau eines Hafenterminals bei Mühlberg, sagt Schadewitz. Dort gebe es keine Anwohner, die sich gestört fühlen könnten. Dieser Standort spielte in den Überlegungen der SBO allerdings keine Rolle, erklärt Geschäftsführer Heiko Loroff. „Die Aussage des Landes Brandenburg gegenüber der SBO war eindeutig, keine KV-Anlage mit Unterstützung des Landes Brandenburg an diesem Standort.“

Der Hafen Mühlberg verfüge weder über eine eigene Gleisinfrastruktur noch über Flächen für ein trimodales Terminal. „Ebenso sind die Entfernungen zu den Kunden viel zu weit. Es gibt hier überhaupt keine Kundenstruktur, und die von Riesa ist nicht eins zu eins übertragbar.“ Die Anwohner haben die Hoffnung noch nicht ganz aufgegeben, dass sich im laufenden Planfeststellungsverfahren noch etwas tut. Das wird Anfang November fortgesetzt.