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Die Angst vor scharfen Waffen

Im Landkreis Bautzen gibt es immer mehr Pistolen und Gewehre – aber faktisch keine direkten Kontrollen bei deren Besitzern.

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© dpa

Von Sebastian Kositz

Dieser Vorfall in Oßling war kurios: Anfang November löst sich aus dem Gewehr eines Jägers ein Schuss, die Kugel verletzt den 71-Jährigen am Ellenbogen. Zeugen hatten sofort die Polizei gerufen. Doch statt zu warten, fuhr der Mann nach Hause, versorgte die Wunde selbst. Als die Beamten in seiner Wohnung auftauchten, die Überraschung: Im Waffenschrank standen teils geladene Gewehre, auch die Munition lagerte falsch. Ein klarer Verstoß gegen das Waffengesetz – und für einige Politiker ein Grund mehr, sich zu sorgen. Zumal es bei Waffenbesitzern daheim im Landkreis faktisch keine direkten Kontrollen gibt.

Die Grünen wollten unlängst von der Kreisverwaltung wissen, wie es um die Zahl der zugelassenen Waffen und die Kontrollen steht. Tatsächlich ist die Anzahl der Schusswaffen stetig angestiegen. Derzeit sind im Kreis mehr als 13 100 scharfe Pistolen, Flinten und Gewehre registriert. Zum Vergleich: 2012 waren es nur knapp 12 000. Die Zahl derer, die scharfe Waffen besitzen dürfen, hat sich indes kaum verändert: Aktuell sind es etwa 2 500. Oft handelt es sich um Jäger oder Sportschützen, aber auch Tierärzte und Wachleute gehören dazu.

Grünen: Es wird zu selten kontrolliert

Dass es bei ihnen plötzlich an der Tür klingelt, weil ein Vertreter der zuständigen Ordnungsbehörde des Kreises den Waffenbestand und die ordnungsgemäße Aufbewahrung in Augenschein nehmen möchte, müssen sie nicht fürchten. Denn die jährlichen Vor-Ort-Kontrollen lassen sich jeweils meist an einer Hand abzählen. Im vergangenen Jahr waren es immerhin acht Kontrollen – das ist dann sogar eine mehr als in den drei Jahren zuvor zusammenaddiert.

Für den Kreischef der Grünen, Jens Bitzka, ist das ein unhaltbarer Zustand. „Jede Imbissbude wird einmal im Jahr überprüft. Ein Waffenbesitzer müsste statistisch gesehen nur alle 316 Jahre mit einem Besuch rechnen“, sagt Jens Bitzka. „Wir wollen niemanden unter Generalverdacht stellen. Aber es gibt überall schwarze Schafe. Es ist nicht auszudenken, was passiert, wenn Waffen in falsche Hände geraten.“ Der Politiker fordert mehr unangemeldete Kontrollen – auch, indem das Personal beim dafür zuständigen Landratsamt aufgestockt wird.

Verweis aufs Waffengesetz

Die Verantwortlichen mahnen jedoch zur Gelassenheit. René Burk, der Chef des Kreisordnungsamtes, führt für den Anstieg vor allem Änderungen bei der Registrierung an. So hätte der Kreis beispielsweise Pistolen mit Wechselsystemen bisher als eine Waffe erfasst – nach neuen Spielregeln gelten die jetzt aber als zwei. Zudem kaufen sich Sportschützen oder Jäger hin und wieder einfach auch nur neue Modelle.

Bei den direkten Kontrollen verweist René Burk aufs Waffengesetz. Danach genügt es, wenn die Besitzer Kaufquittungen oder Fotos einsenden, die dokumentieren, dass die Waffen richtig lagern. Das Vorgehen sei bundesweit üblich. Bei 2 500 Besitzern sei das für die beiden dazu abgestellten Mitarbeiter eine beträchtliche Arbeit.

Kontrolleure müssen nicht reingelassen werden

Nur wenn den Mitarbeitern dabei etwas komisch vorkommt, schauen sie auch mal unangemeldet vorbei. „Das Problem ist, dass die Besitzer uns nicht reinlassen müssen“, sagt René Burk. Wüsste also ein Waffenbesitzer, dass es bei ihm etwas zu bemängeln gibt, könnte er die Kontrolleure vertrösten und wiederkommen lassen.

„Ich möchte nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass immer alles in Ordnung ist“, so René Burk. Er gehe aber davon aus, dass es – ungeachtet des Vorfalls in Oßling – bei den allermeisten nichts zu beanstanden gäbe. Genau das glaubt auch Roland Ermer aus Bernsdorf. Der Vizepräsident des Sächsischen Schützenbundes – der zugleich nächstes Jahr für die CDU im Bundestagswahlkreis Bautzen I als Direktkandidat antreten wird – verweist auf die harten Anforderungen, um eine Waffe besitzen zu dürfen. Die sind in der Tat hoch. Keine Vorstrafen, Nachweise über persönliche und gesundheitliche Eignungen – was stetig überprüft wird. „Schon kleine Verstöße führen zum Entzug der Waffe. Das riskiert kein Sportschütze“, so Roland Ermer.

Von mehr Kontrollen verspricht sich Roland Ermer nichts: „Auch bei einer Erhöhung der Kontrolldichte lässt sich nie alles ausschließen“. René Burk verweist darauf, dass Vorfälle wie der in Oßling meist andere Ursachen hätten, als die Verwahrsituation. Doch: „Wenn es personell möglich wäre, würden wir auch Stichproben machen“, so René Burk. Mit zwei Mitarbeitern, die es gemeinsam auf eineinhalb Stellen bringen, sei das schwierig. Das Thema Personal sei bei der Spitze der Kreisverwaltung aber schon angesprochen worden.