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Die Auswanderer

Seit rund 17 Jahren leben die Meißner Carla und Thomas Merker mit ihren beiden Kindern im dänischen Städtchen No.

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© Christoph Schumann

Von Christoph Schumann

Meißen/Ringkøbing. Carla und Thomas Merker haben No gesagt. No zu ihrem alten Leben in Meißen. No zu ihren alten Arbeitsplätzen an der Elbe. Und No zu ihrem neuen Wohn- und Lebensmittelpunkt in Dänemark: dem kleinen Ort No im Westen des Königreichs, nur wenige Kilometer von der Nordsee entfernt. Und darum muss es richtig natürlich lauten, dass die beiden Mittfünfziger aus Sachsen ja zu einem Neustart in Dänemark gesagt haben.

Thomas Merker arbeitet als Monteur beim dänischen Windgeneratorenbauer Vestas AS, seine Frau hat einen Job als Buchhalterin.
Thomas Merker arbeitet als Monteur beim dänischen Windgeneratorenbauer Vestas AS, seine Frau hat einen Job als Buchhalterin. © Christoph Schumann

Und das kam so: Nach der Wende wurde das Reisefieber von Carla und Thomas Merker immer stärker. So machte das Ehepaar Ende der 1990er längere Reisen nach Neuseeland. Und an der dänischen Nordsee machten die beiden abseits der Hochsaison regelmäßig Urlaub in einem typisch dänischen Ferienhaus in der Nähe der Städtchen Søndervig und Ringkøbing. So reifte die Idee vom Auswandern immer mehr. Der Traum war der Süden der Erdkugel – doch so einfach waren die Einreisemodalitäten für Neuseeland nicht. „Dann kam im Dezember 1999 unser Sohn Clemens zur Welt“, erinnert sich Carla Merker. „Als der Kleine dann ein halbes Jahr alt war, zog es uns immer stärker nach Dänemark.“

Dann ging alles Schritt für Schritt und doch schnell: Während eines Kurzurlaubs im April 2001 richteten Merkers spontan ein dänisches Bankkonto ein. Und im Mai – Carla Merker war noch im Mutterschutz – fiel die Entscheidung zum Umzug. Thomas Merker kündigte seinen Job, packte das Auto und fuhr nach Norden. Nach vier Tagen im Zelt auf einem Campingplatz im kleinen Ringkøbing, dem Hauptort der Kommune Ringkøbing-Skjern, fand er eine kleine Wohnung. Und schon Ende August fand der gelernte Mechaniker eine neue Arbeit als Maschinenschlosser in einem Metallbetrieb. „Anfangs war es schwer“, erinnert sich der heute 53-Jährige, „denn ich konnte ja kein Wort Dänisch. Mein Chef half mir aber und stellte mir einen Kollegen zur Seite, der Deutsch sprach, in Deutschland gearbeitet und eine deutsche Frau hatte. Das war eine perfekte Starthilfe.“ Dass er dann noch einen pensionierten Deutschlehrer traf, der ihm Privatunterricht gab, beschleunigte die Integration zusätzlich.

Nur wenig später fand Thomas Merker sein Traumhaus mit Garten im kleinen No mit seinen knapp 300 Einwohnern: „Das war eine ganz bewusste Entscheidung – in einem kleinen Ort kommt man schneller an.“ Im Oktober kaufte die Familie das Haus, im November zogen Carla und Clemens nach. „Wir wurden toll empfangen“, staunt Carla Merker noch heute, „die Nachbarn kamen mit Blumen und begrüßten uns. Sie sprachen kein Deutsch, wir kein Dänisch – und trotzdem haben wir uns alle sofort verstanden.“ Sprache und Freundschaften sind heute längst Normalität: Thomas arbeitet seit vielen Jahren als Monteur beim bekannten dänischen Windgeneratorenbauer Vestas AS und übernimmt als Betriebsrat Verantwortung für seine Kollegen von der Nachtschicht. Die 55-jährige Carla Merker hat eine Stelle als Buchhalterin bei Ringkøbing Fjord Turisme. Ihre Arbeitsstelle liegt im 20 Autominuten entfernten Hvide Sande – dem bekanntesten Hafen- und Urlaubsort von „Dänemarks größtem Arbeitsplatz“, wie sich das 1489 Quadratkilometer große Ringkøbing-Skjern gern nennt. „Zum Glück sitze ich nicht nur am Computer, sondern übersetze auch und helfe immer mal wieder auch am Schalter unserer Touristeninformation aus, wo deutsche und andere Urlauber nach Tipps fragen“, sagt Carla Merker.

Und Tipps kann Carla Merker viele geben. Denn nach mehr als eineinhalb Jahrzehnten in ihrer neuen Heimat kennen sie und ihr Mann die Region wie die berühmte Westentasche. Sie lieben die offene, manchmal raue Natur der Westküste und machen gern lange Spaziergänge zwischen Dünen und Strand an der Nordsee. Zu den Naturvergnügen gehört auch das alljährliche Winterbaden am Neujahrstag in der Nordsee bei Søndervig. Regelmäßig geht es mit dem Rad um den Ringkøbing Fjord, in den mit dem Fluss Skjern Å einer der größten dänischen Flüsse mündet. Das Flussdelta der renaturierten Gewässer ist das größte im Land. Paddeltouren sind in Ringkøbing-Skjern darum eine ideale Freizeitaktivität. Mit dabei ist dann auch Tochter Theres. Die 14-Jährige besucht die Velling Friskole und möchte später vielleicht Biologie studieren. Clemens, längst 18 Jahre alt, möchte sich nach dem Abitur wohl für Physik in Kopenhagen einschreiben.

In Dänemark bleiben möchten alle, auch Carla und Thomas Merker. „Wir haben zu keinem Zeitpunkt bereut, nach Westdänemark gezogen zu sein. Das Wohnen hier bietet so viel Lebensqualität und wir wurden von Anfang an akzeptiert. Den Kindern geht es richtig gut. In Dänemark herrscht das Vertrauensprinzip – und mehr Gleichheit. Es ist vieles anders als in Deutschland“, so Carla Merker. Die Hierarchie sei kleiner, auch am Arbeitsplatz. „Man redet miteinander und nicht übereinander. Das gilt auch für den Chef. Alle duzen sich. Jeder kann Dinge beeinflussen und es herrscht gegenseitiger Respekt“, finden beide übereinstimmend. Und einig sind sie sich auch darin, dass sie jetzt in Ringkøbing-Skjern zuhause sind. Meißen aber bleibt Familien- und Ferienort.